Olympia 2018 - Olympische Momente: Was von den Spielen Pyeongchang bleibt

Da gab es gleich zu Beginn diesen eingeölten Halbnackten aus Tonga. Pita Taufatofua klingt nicht nur nach Essbarem, sondern ist dank ausgeprägter Muskelmasse ein Typ zum Anbeißen. Die koreanische Weiblichkeit drohte beim Anblick des schönsten aller Fahnenträger in eine kollektive Ohnmacht zu fallen. Und er konnte nicht nur optisch überzeugen, sondern auch in der Loipe. Wie einst Boit Dählie, stahlen Taufatofua und sein Leidensgenosse aus Mexiko Sieger Dario Cologna aus der Schweiz die Langlaufshow. In diesen Momenten vergisst der auf Medaillen gepolte Zuschauer gerne, dass der Vierte bei Olympia der erste Verlierer ist – und liebt plötzlich den, der Letzter wird.

Angesichts des gedrängten olympischen Zeitplans aber gilt es, im Kopf sofort wieder umzuschalten. Zum Beispiel in die Halfpipe. Da springen Sportlerinnen und Sportler höher als Häuser gebaut werden. Und wenn sie ganz gut sind und ganz viel Glück haben, knallen sie nicht aus tatsächlichen 6,70 Metern und gefühlten 20 Metern schmerzhaft auf den Rand des Geländes, sondern landen, wie sie es für ihren olympischen Auftritt tausend Mal geübt haben. Wenn sie nicht tausend Mal geübt haben, fahren sie einfach auf der Sicherheitslinie zu Tal. Wie diese US-Amerikanerin, die die Ungarn eingebürgert haben, um auch eine am Start zu haben. Das sorgt wieder für unbezahlbare Nähe zum Hobbyskifahrer vor dem Fernseher.

Neben den Skiern stehen bei vielen Olympiafans die Schlittschuhe im Keller, bereit, während der kalten Jahreszeit ab und an eingesetzt zu werden. Wer die Kufen liebt, bekam bei der Kür des deutschen Traumpaares Aljona Sawtschenko und Bruno Massot feuchte Augen. Wer sich fragte, warum die beiden Namen so wenig deutsch klingen, vergaß dies beim Anblick der Grazie und des Könnens der beiden Hübschen sofort wieder. Sie liefen mit der Kür ihres Lebens vom undankbarsten olympischen Rang nach vorne auf Gold.

Gold, insgesamt 14 Mal aus dem olympischen Füllhorn über Athleten des so genannten Teams D ausgeschüttet, baumelte auch um den Hals der beiden Tobis. Sie haben sich auf der Suche nach dem für sie passenden Sport irgendwann dazu entschieden, übereinander liegen zu wollen. Übereinander liegend so schnell durch eine Eisrinne zu rasen, dass keiner mehr mitkommt. Das erfordert Mut und den ganzen Mann. Dass der aber auch weinen darf (wusste schon Herbert Grönemeyer), bewies der Wendl Tobi. Der Arlt Tobi lauschte bei der Zeremonie der deutschen Hymne tapfer und trockenen Auges. Den Wendl Tobi indes übermannte der Moment. Sein ganzes Gesicht bebte. Das war schön. Denn es hat uns bewegt. Und bleibt deswegen in Erinnerung.

So wie der beherzte Kampf unserer Eishockeyspieler um Gold. Weltmeister Schweden galt für sie als unbesiegbar. Das ist Geschichte. Dann kam Rekord-Olympiasieger Kanada. Alles, was er uns zu geben hatte, war der brutalste Check des Turniers und die Gewissheit, dass verlierende Kanadier im Eishockey genauso unsportlich werden wie chilenische Fußballer. Aber wir sind nicht beim Confed Cup 2017, sondern bei Olympia 2018. Es brauchte schon den Russen und die Overtime, um ein Sport-Märchen zu verhindern, wie es Deutschland seit 1954 in Bern nicht mehr erlebt hat. Schade. Wir hätten unseren Enkeln fortan von Pyeongchang 2018 erzählt. Aber wir tun es auch mit Silber. Denn von Olympia bleibt immer was hängen.