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Bora-hansgrohe: Teamchef Ralph Denk im exklusiven Interview über die neue Rolle von Lennard Kämna beim Giro

Update 19/04/2023 um 14:58 GMT+2 Uhr

Ralph Denk, Manager von Team Bora-hansgrohe, spricht im exklusiven Interview über die wachsende Bedeutung von Nachwuchsteams im Radsport und die Gründe für die maue Frühjahrsbilanz. Außerdem blickt er auf die kommenden Aufgaben in den Ardennen und beim Giro d'Italia. Bei der Italien-Rundfahrt soll Lennard Kämna zum ersten Mal in neuer Rolle auftrumpfen.

Bora-Chef Denk im Interview: "Das fühlt sich schon geil an"

Was hat das Team Bora-hansgrohe beim Giro vor?
Ralph Denk: Die Messlatte liegt hoch, wir sind Titelverteidiger. Jai Hindley ist dieses Jahr nicht am Start, er wird sich voll auf die Tour de France konzentrieren. Wir versuchen, den Titel mit Alexander Vlasov zu verteidigen.
Kann Lennard Kämna den Giro gewinnen?
Denk: Wir werden es ein wenig anders angehen. Lennard war auch im vergangenen Jahr schon bei der Siegermannschaft dabei und hatte da gewisse Freiheiten. Er hat die Etappe auf den Ätna gewonnen und war der Schlüsselhelfer auf der 20. Etappe, auf der wir den Giro entschieden haben. Dieses Jahr wollen wir ihm eine Art Co-Kapitänsrolle geben. Er soll nicht ganz so offensiv fahren, wie es vielleicht sein Naturell ist. Wir werden versuchen, ihn in der ersten Woche ein Stück weit zu bremsen. Ich will bei Lennard jetzt nicht vom Giro-Sieg reden, denn er ist bei einer dreiwöchigen Rundfahrt noch nie auf Ergebnis gefahren, sondern hat sich immer einzelne Etappen rausgesucht. Natürlich würde ich es sofort unterschreiben, wenn er wieder eine Etappe gewinnt. Aber er soll nun auch mal schauen, dass er auf 21 Etappen möglichst wenig Zeit verliert. Dann sehen wir, wo er schlussendlich rauskommt.
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Lennard Kämna vom Team Bora-hansgrohe jubelt als Spitzenreiter von Tirreno - Adriatico

Fotocredit: Imago

Wie lautet ihre bisherige Bilanz der Saison?
Denk: Da sind wir ganz ehrlich: Wir hinken, was die Erfolge betrifft, etwas hinterher. Nicht alles ist planbar im Profisport, im Radsport sowieso nicht. Wir waren schon stark gebeutelt von Verletzungen und Krankheiten unserer Leistungsträger. Wenn diese verletzt sind und nicht starten können, ist das vielleicht sogar noch ein wenig schlimmer als im Fußball. Leistungsträger sind bei uns auf der Lohnliste sehr teuer und man kann sie nicht so einfach ersetzen.

Wenn jemand, der auf Ansage Rennen gewinnen kann, nicht dabei ist, dann wird es eng. Zum Beispiel Sam Bennett, der im Frühjahr gesundheitliche Probleme hatte. Den kann man nicht so einfach mit Fahrer X oder Y ersetzen. Da muss man dann eben auf Siege verzichten. Schlussendlich sind wir diesbezüglich hinterher, aber wir schauen auch nach vorne. Auf die Ardennen-Klassiker folgt der Giro d’Italia. Beides hat Bora-hansgrohe in der Vergangenheit immer sehr gut gelegen. Wir hoffen, dass wir dann auch wieder schönere Tage erleben als bei der Flandern-Rundfahrt oder in Roubaix.
Was muss ein junger Rennfahrer mitbringen, um sich für das "Red Bull Junior Brothers"-Programm zu empfehlen?
Denk: Zunächst einmal das richtige Alter, denn wir scouten auch bei den 15- und 16-Jährigen für unsere U19-Mannschaft. Dann braucht er natürlich Druck auf dem Pedal. Egal ob indoor oder outdoor. Man kann die Segmente ja auf Strava oder Zwift fahren. Wenn alles passt, kann er die Einladung ins Athletic-Performance-Center nach Salzburg ergattern. Dort werden dann die 15 Besten auf Herz und Nieren geprüft, die zwei Besten bekommen dann für das nächste Jahr einen Platz bei uns.
Man kann sich über Aufzeichnungen mit Zwift oder Strava für das Team empfehlen. Wie identifiziert man aus all den Bewerbungen die Fahrer, die auch die Fähigkeiten haben, sich in einem Peloton zu bewegen?
Denk: Deshalb haben wir 15 Plätze, die wir für unsere große Scouting-Woche zu vergeben haben. Aus den 15 werden wir dann schlussendlich nur zwei Plätze vergeben. Das heißt, dass 13 durchs Raster fallen. Druck auf dem Pedal ist das Wichtigste, aber auch die Persönlichkeit spielt eine Rolle. Ist er eher ein leiser Typ oder ein Haudrauf? Da muss man schauen, was zu uns passt. Wir werden sicherlich den einen oder anderen auf den Kopf stellen - und zwar nicht nur leistungsmäßig.
Der deutsche Fußball-Rekordmeister FC Bayern München hat seinen "Campus" für die Nachwuchsausbildung. Wie wichtig ist es für ein Profi-Team wie Bora-hansgrohe, ein Junior-Team in den eigenen Reihen zu haben?
Denk: Ob ein Profi-Radsportteam auch irgendwann mal einen Campus braucht, das ist eine große Philosophiefrage. Bis jetzt hat es noch keine Mannschaft geschafft, einen Campus zu installieren, in dem auch das tägliche Training stattfindet. Die Teams in der WorldTour haben alle ein dezentrales System. Das heißt, die Rennfahrer wohnen meist in Europa, verteilt mit ihren Familien und werden zu den Rennen eingeflogen. Ein Mannschaftstraining existiert nur in den Trainingslagern. Deswegen ist es für uns schwieriger, die richtigen Leute im Nachwuchs zu finden.
Wir investieren schon seit 2007 in unsere eigene U19. In den ersten Jahren war das eine Art Sozialprojekt von mir. Nach dem Motto: "Es ist egal, ob er mal ein guter Radfahrer wird. Wenn er bei uns die richtigen Manieren lernt, war es schon ein Erfolg." Das hat sich inzwischen geändert. Die Sieger im Profi-Radsport werden immer jünger, die U19-Klasse gewinnt mehr und mehr an Bedeutung. Die Youngster sind die zukünftigen Sieger, davon bin ich überzeugt. Letztes Jahr hat das Team Auto Eder mit Emil Herzog den Juniorenweltmeistertitel im Einzel gewonnen, darauf sind wir sehr stolz. Ich bin davon überzeugt, dass wir ihn in den nächsten Jahren auch bei den Profis ganz vorne sehen werden.
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"Wahnsinn!" Herzog sprintet zu Gold

Wie oft kommen die "Juniors" mit den Profis zusammen und was steht in der Ausbildung auf dem Programm?
Denk: Wir bei Bora-hansgrohe versuchen, unsere Junioren möglichst eng an die Profis heranzulassen. Wir haben ein jährliches Kick-Off-Meeting im Ötztal, bei dem die Junioren dabei sein dürfen. Auch fahren sie mit ins Trainingslager. Mittlerweile dürfen sie sogar zu dem einen oder anderen Rennen mit. Bei Klassikern wie Gent-Wevelgem oder Paris-Roubaix finden nicht nur Profirennen, sondern am Vormittag auch U19-Rennen statt. Es ist für die Jungs dann natürlich ein Riesen-Highlight, wenn sie, wenn auch separiert, das Rennen mit dem gleichen Namen bestreiten dürfen.
Welches war Ihr persönliches Schlüsselerlebnis mit einem Youngster aus dem aktuellen Junior-Team Auto Eder?
Denk: Cian Uijtdebroeks! Er kommt aus dem Team Auto Eder und war jetzt zum ersten Mal auf der World Tour bei der Katalonien-Rundfahrt unter den ersten zehn der Gesamtwertung. Das fühlt sich schon geil an. Ich habe auch die Siege mit Peter Sagan miterlebt, als er Weltmeister geworden ist oder Paris-Roubaix gewonnen hat. Ich will diese Triumphe nicht schmälern, aber jeder wusste, dass diese Siege gekauft waren. Wenn man dann Jungs sieht, die bei uns das Radfahren gelernt haben und in der World Tour mit den Superstars vorne mitfahren, mit einem Jonas Vingegaard oder einem Richard Carapaz, dann fühlt sich das für uns schon extrem cool an.
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Cian Uijtdebroeks

Fotocredit: Getty Images

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