Ex-Sprinter Marc Sarreau heizt Debatte über Gehirnerschütterungen im Radsport an: "Hätte zum Pflegefall werden können"

Marc Sarreau beendete in der vergangenen Saison mit nur 31 Jahren seine Radsport-Karriere. Der ehemalige Sprinter von Groupama-FDJ und Decathlon AG2R La Mondiale erklärte im Interview mit "Le Parisien" nun, wie sehr ihn Gehirnerschütterungen in den letzten Zügen seiner Laufbahn beeinträchtigt hatten - und bricht dabei mit einem Tabu, über das im Radsport nach wie vor ungerne gesprochen wird.

Sarreau stürmt zum Sprintsieg beim Klassiker Cholet - Pays de La Loire

Quelle: Eurosport

Gleich zweimal musste Sarreau in seiner Karriere eine heftige Kopfverletzung überstehen: Bei der Polen-Rundfahrt 2020 erlitt er bei Fabio Jakobsens folgenschwerem Sturz eine Gehirnerschütterung.  
Ein Jahr später ereignete sich bei der Tour du Limousin ein verheerender Unfall mit einer Zuschauerin. In der Folge kam es immer wieder zu - wenn auch weniger spektakulären - Stürzen, bei denen das Gehirn des heute 32-Jährigen in Mitleidenschaft gezogen wurde.
Grund genug für Marc Madiot, Teammanager von Groupama-FDJ, die geplante Vertragsverlängerung mit Sarreau im September des vergangenen Jahres zu annullieren.
"Ende September 2024 rief mich Marc Madiot, der Chef des Teams, an und teilte mir mit, dass sie mich angesichts meiner seit Juni bestehenden Kopfprobleme, die nicht besser wurden, beschützen wollen", berichtete Sarreau gegenüber "Le Parisien". Es habe die Befürchtung gegeben, "dass ein weiterer Sturz etwas Schlimmeres auslösen könnte".
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Marc Sarreau kurz vor seinem Karriereende im September 2024

Fotocredit: Getty Images

Sarreau über Kopfverletzungen: "Nichts funktionierte mehr"

Wie schlimm sein Zustand wirklich war, konnte Sarreau selbst kaum einschätzen: "Jeden Tag hatte ich Kopfschmerzen, war unkonzentriert und müde. Ich konnte nicht mehr richtig trainieren oder an Rennen teilnehmen."
Die Symptome hätten sich "mit der Zeit verschlimmert, bis sie alarmierend wurden. Je müder ich wurde, desto schlimmer wurde es. Manchmal dachte ich, dass ich jeden Moment umfallen könnte. Ich fühlte mich nicht reaktionsfähig. Nichts funktionierte mehr. Nach ein paar Rennen sagte ich schließlich, dass ich nicht mehr zurückkommen könnte", so der Franzose.
Auf dieser Grundlage suchte Sarreau schließlich einen Spezialisten auf, der ihm das Karriereende nahelegte: "Er sagte mir: 'Es gibt wirklich ein Problem. Du hast zu viele Schläge auf den Kopf bekommen. Jetzt bist du an dieser Stelle empfindlich. Je öfter du stürzt, desto schlimmer wird es.' Mir wurde klar, dass ich bei einem weiteren Sturz zum Pflegefall oder Schlimmerem werden könnte", blickte Sarreau zurück.

Gehirnerschütterungen - Tabu im Radsport 

Der Fall des Franzosen wirft eine ungeliebte Frage erneut auf: Schützt der Radsport seine Fahrer wirklich vor Kopfverletzungen? Gehirnerschütterungen werden oft heruntergespielt und immer noch als einfache Rennunfälle behandelt.
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Marc Sarreau (Groupama - FDJ) bei den Boucles de la Mayenne 2024,

Fotocredit: Getty Images

Im Gegensatz zum Rugby oder im American Football gibt es im Radsport kein "Gehirnerschütterungen-Protokoll", also keine Vorschriften, wie im Falle von Kopfverletzungen vorgegangen werden sollte. Auch deshalb werden Warnzeichen - wie bei Sarreau - zu häufig noch übersehen.
Der Franzose kämpft nach dem Ende seiner aktiven Karriere weiterhin mit den Folgen früherer Stürze: "Früher habe ich nichts vergessen. Jetzt muss mich meine Partnerin an viele Dinge erinnern."
Ein alarmierender Fall, der die Verantwortlichen im Radsport aufhorchen lassen sollte.
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Heftiger Sturz: Carapaz schlägt in die Felswand ein

Quelle: Eurosport


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