Tour de France | Drei Dinge, die auffielen: Pogacar schluckt Jumbo-Köder - Geschke glänzt am Gigant Galibier

Ein Rennen für die Geschichtsbücher und eine Taktik für die Lehrbücher: Die 11. Etappe der Tour de France hat Fans und Fachleute begeistert. Auf dem Weg zur Bergankunft am Col du Granon und über den Bergriesen Col du Galibier gab es gleich zwei packende Kämpfe: An der Spitze jagte Simon Geschke gegen seine Rivalen die Punkte fürs Bergtrikot, dahinter startete Jumbo den Angriff aufs Gelbe Trikot.

Highlights: Pogacar bricht ein - Jumbo-Visma krönt Sahnetag in den Alpen

Quelle: Eurosport

Mit offenem Visier wurde um Sekunden und Punkte gekämpft - dass die Abstände zwischen den Favoriten auf den Gesamtsieg am Ende sogar Minuten betrugen, hatten nur wenige erwartet. Insbesondere nicht, dass es der bisherige Dominator Pogacar war, der einen solchen Abstand kassierte statt wie sonst üblich verteilte.
Im Gelben Trikot strahlte bei der zweithöchsten Bergankunft der Tour-Geschichte erstmals Jonas Vingegaard, der nun einen komfortablen Vorsprung auf den Slowenen in der Gesamtwertung hat. Spannend aber bleibt diese Tour auf jeden Fall weiter, auch das wurde durch diese Etappe klar.
Drei Dinge, die auffielen:

1.) Jumbo-Taktik aus dem Lehrbuch geht perfekt auf

"Ich finde kaum Worte", gestand Eurosport-Reporter Bernhard Eisel im Ziel der 11. Etappe am Col du Granon, "das war heute für die Geschichtsbücher: Jumbo hatte einen Plan und der wurde perfekt durchgezogen". Mit voller Mannschaftsstärke griff das niederländische Team nach dem Gelben Trikot und wurde reicher belohnt, als man wohl selbst erwartet hatte.
Vom Start weg war Wout van Aert in die Offensive gegangen und in der Gruppe des Tages wurde neben dem Super-Allrounder auch noch Sprinter Christoph Laporte platziert. Beide konnten so im späteren Rennverlauf wichtige Tempoarbeit übernehmen und für numerische Überzahl sorgen, als die Konkurrenz längst ausgedünnt war. "Sie haben alles in die Waagschale geworfen und sich ganz loyal gezeigt, besonders Primoz Roglic", lobte Jens Voigt den 32-Jährigen, der seine eigenen Chancen auf das Tour-Podium opferte.
Denn im zweiten Schritt spielte Jumbo den Joker Roglic aus und startete mit ihm schon im flacheren Teil des Galibier das Spiel der abwechselnden Attacken. Im Wechsel griffen Vingegaard und der Slowene an und setzten Pogacar so unter Druck. Der reagierte, wollte auch seinen im Klassement knapp drei Minuten hinter ihm liegenden Landsmann nicht ziehen lassen. Ein großer Fehler, wie Eurosport-Experte Robbie McEwen analysierte: "Roglic war der Köder und Pogacar hat angebissen", so der Australier.
Der Träger des maillot jaune musste abwechselnd alleine die Lücken zu den Jumbo-Angreifern schließen, von denen jeweils einer derweil in diesen weniger steilen Passagen in Pogacars Windschatten weiter lauern konnte. So gelang es, Pogacar zu ermüden - mit den massiven Folgen im Schlussanstieg. Jumbo zwang Pogacar so lange zur Verfolgungsarbeit "bis er nicht mehr standhalten konnte", betonte Lisa Brennauer im Velo Club bei Eurosport, der Auftritt des Rennstalls sei "wie aus dem Bilderbuch gewesen".
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Bilderbuch-Taktik! Die Analyse zu Vingegaards Sturm ins Gelbe Trikot

Quelle: Eurosport

In welchem Ausmaß andere Gründe wie Hitze, Dehydrierung, leere Energiespeicher oder gar eine Corona-Infektion für Pogacars Einbruch auf den letzten Kilometern des Schlussanstiegs mit verantwortlich waren, kann vorerst nur Spekulation sein. Fakt aber ist: Der zehn Renntage lang im Zeitfahren wie auf Kopfsteinpflaster, in Anstiegen wie auf Zielgeraden schier unantastbar scheinende Tour-Sieger der letzten beiden Jahre "ist auch menschlich", wie McEwen festhielt.

2.) Geschke glänzt an Gigant Galibier

Auch wenn man es ihm wegen der Müdigkeit aufgrund der harten ersten Tour-Hälfte nicht ansehe - er sei "höchst motiviert", versprach Simon Geschke am Start im Eurosport-Interview. Kein leeres Versprechen, voller Elan machte er sich auf die Jagd nach den Big Points fürs Bergtrikot und wurde belohnt.
Auch wenn ihm Pierre Latour und Warren Barguil die Siege an den Bergwertungen wegschnappten, der Routinier punktete eifrig an den ersten drei Gipfeln des Tages und besonders Rang zwei am Tour-Gigant Galibier stockte sein Konto massiv auf. "Er hat alles richtig gemacht und alles mustergültig umgesetzt", unterstrich Voigt.
Es wird zwar für Geschke ein harter, täglich neuer Kampf ums maillot à pois bleiben, aber längst kein Unterfangen auf verlorenem Posten. Wirklich fürchten muss er die Stars der Gesamtwertung, gegen seine französischen Rivalen hat er, je nach Tagesform und Ausreißerglück, durchaus Chancen auf einen längeren Verbleib im Bergtrikot. Jetzt darf er es mindestens die berühmten Kurven hinauf nach Alpe d'Huez tragen - was vor ihm als deutscher Fahrer bisher nur Rolf Aldag erleben konnte (der 2003 dabei aber nur der Vertreter für Richard Virenque war, der gleichzeitig das Gelbe Trikot besaß).
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"Alles richtig gemacht": Geschke kämpft wie ein Löwe um sein Bergtrikot

Quelle: Eurosport

3.) Siebenkampf ums Tour-Podium

Am Start in Albertville wirkte alles ziemlich klar: Pogacar schien auf dem Weg zum dritten Tour-Sieg in Serie, Vingegaard dürfte erneut wie 2021 der Kronprinz sein und ein Fahrer aus dem Ineos-Duo Geraint Thomas und Adam Yates würde das Podium in Paris komplettieren.
Etwas mehr als 150 Kilometer später hat sich das Bild massiv gewandelt.
Nicht nur, dass Vingegaard nun überlegen an der Spitze thront, mit Romain Bardet, Nairo Quintana und David Gaudu hat sich ein Trio zurück ins Spiel gebracht, das ebenfalls vor Pogacar am Granon ankam. In der Gesamtwertung liegen Platz zwei und Rang sieben lediglich 57 Sekunden auseinander und wenn der Kolumbianer und die beiden Franzosen auch auf der Königsetappe nach Alpe d'Huez wieder so kletterstark auftrumpfen, können wir uns auf eine unerwartet spannende zweite Tour-Hälfte freuen.
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Tour-Legende Alpe d'Huez: Stars, Stürze und Fan-Spektakel an 21 Kurven

Quelle: Eurosport

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