Das Training wurde unterbrochen, der auf Sarrazin folgende Vincent Kriechmayr wurde abgewunken.
Sarrazin blieb nach seinem Sturz bei San Pietro lange Zeit liegen, die Ersthelfer befreiten den Franzosen aber schnell aus dem Netz, unter das er gerutscht war. Im Anschluss wurde der 30-Jährige mit dem Hubschrauber abtransportiert. Etwa 30 Minuten nach dem Sturz wurde das Training wieder aufgenommen.
Der französische Skiverband teilte am Freitagnachmittag mit, Sarrazin habe durch den Sturz ein "Subduralhämatom", also eine Einblutung zwischen zwei Hirnhäuten, erlitten. Er befinde sich "auf der neurologischen Intensivstation". Die Hirnblutung soll bei einer Operation am Freitagabend drainiert werden. "Cyprien ist bei Bewusstsein, er wird weiterhin überwacht", heißt es von der Fédération Française de Ski.
Laut Gerald E. Wozasek, dem Teamarzt der Österreicher, sei die Verletzung gravierend. "Es ist eine Einblutung zwischen harter und weicher Hirnhaut durch den Aufprall. Das ist eine sehr schwere Verletzung", sagte er dem "ORF": "Es ist nicht nur eine Blutung, sondern es ist auch das Gehirngewebe mit verletzt worden. Es wird vermutlich eine aufwendige Rehabilitation notwendig sein." Auf alle Fälle bestehe Lebensgefahr, meinte der Arzt.
Ski alpin: Cyprien Sarrazin wird nach seinem Sturz im Training von Bormio geborgen
Fotocredit: Getty Images
Odermatt: "Als Athlet will man das nicht sehen"
Am Donnerstag hatte Sarrazin, der in der vergangenen Saison in Bormio, Wengen und Kitzbühel triumphiert hatte, im ersten Training auf der Stelvio die Bestzeit in den Schnee gezaubert. Schnellster im Abschlusstraining am Freitag war indes der Kanadier Cameron Alexander.
Bestplatzierter Deutscher war Simon Jocher auf Rang elf. Die Abfahrt steigt am Samstag um 11:30 Uhr, einen Tag später steht ab 11:30 Uhr der Super-G auf dem Programm (live und on-demand bei
discovery+).
Marco Odermatt, der sich im zurückliegenden Winter in den Speed-Disziplinen einen heißen Kampf mit Sarrazin lieferte, verfolgte den Zwischenfall am Bildschirm.
Laut dem dreimaligen Gesamtweltcupsieger gleicht die Stelvio einem "einzigen Überlebenskampf". Die Stelle, an der Sarrazin gestürzt war, erweist sich laut Odermatt auch aufgrund der Bedingungen als besonders tückisch - vor allem wegen des Schneewechsels.
Cyprien Sarrazin stürzt im Abfahrtstraining von Bormio schwer
Fotocredit: Eurosport
"Es ist die schwierigste Strecke mit den schwierigsten Bedingungen", erklärte er im Interview mit Eurosport. An den meisten Stellen sei es eisig, in anderen Bereichen der Piste wurde hingegen weniger Wasser verwendet.
"Also ist es weniger eisig, dafür aber aggressiver. Das erschwert es, das richtige Setup für jede Kurve zu haben", analysierte er: "Am Ende macht es das auch etwas gefährlicher, wie wir gerade leider gesehen haben."
Cyprien Sarrazin wird in Bormio mit dem Hubschrauber abtransportiert
Fotocredit: Getty Images
Allègre kritisiert Veranstalter harsch
Odermatt ergänzte gegenüber dem Schweizer "Blick": "Als Athlet will man das nicht sehen. Aber man kann sich in etwa denken, was da gerade passiert."
Sein Landsmann Justin Murisier pflichtete Odermatt bei und unterstrich die Gefahren der Stelvio. "Die Piste ist sehr eisig, mit sehr dunklen Abschnitten, was die Sicht betrifft, es ist eine große Veränderung im Vergleich zu Gröden", führte er bei Eurosport aus: "Wir kennen die Gefahren dieser Piste."
Nils Allègre, Landsmann des französischen Pechvogels, nahm im Interview mit
Eurosport kein Blatt vor den Mund und
ging sogar noch weiter: "Die Verantwortlichen respektieren den Athleten nicht", polterte der 30-Jährige und meinte: "Meiner Meinung nach haben sie die Olympischen Spiele nicht verdient."
Bormio : Training - Interview - Allègre in english, very angry about organisation
Quelle: Eurosport
Zazzi bricht sich das Bein in der Sarrazin-Kurve
Nachdem das Training wiederaufgenommen wurde, ereigneten sich noch weitere Zwischenfälle. Der US-Amerikaner Kyle Negomir und der Schweizer Josua Mettler kamen an derselben Stelle wie Sarrazin zu Sturz.
Während sich Negomir noch vor einem Einschlag im Fangzaun fangen konnte, krachte Mettler in die Streckenbegrenzung. Glücklicherweise konnte der 26-Jährige den Unfallort aus eigener Kraft verlassen, klagte aber über Knieprobleme und wird in der Schweiz weiterführend untersucht werden.
Heftige Abflüge: Negomir und Mettler stürzen an Sarrazin-Stelle
Quelle: Eurosport
Weniger Glück hatte indes der italienische Lokalmatador Pietro Zazzi. Der 30-jährige Speed-Spezialist blieb im oberen Abschnitt der Stelvio mit seinem Oberkörper an einem Tor hängen und schlitterte den Hang hinab. Die Diagnose: Schien- und Wadenbeinbruch.
Daraufhin wurde das Training erneut unterbrochen, der Italiener musste wie Sarrazin mit dem Hubschrauber abtransportiert werden.
Waldner weist Kritik zurück
"Es ist schlimm. Wir wünschen allen drei Verletzten alles Gute", sagte FIS-Renndirektor Markus Waldner am Abend: "Es war ein schwieriger Tag. Die Strecke ist schwierig, eine der schwierigsten, das wissen wir ganz genau."
Die Kritik der Athleten nannte Waldner jedoch "nicht ganz gerechtfertigt". In der Passage, in der Sarrazin zu Fall kam, gäbe es " ein bisschen unregelmäßige Schneeverhältnisse". Insgesamt seien jedoch "65 Athleten vorbeigefahren und es ist nichts passiert". Passagen, die man nach dem ersten Training entschärft hatte, hätten "sehr gut funktioniert".
FIS-Renndirektor Waldner: "Die Kritik ist überzogen!"
Quelle: Eurosport
Waldner: "Die Strecke ist drei Kilometer lang. Ich kenne keinen Menschen auf diesem Planeten, der sie unter so schwierigen Wettervoraussetzungen so gleichmäßig von oben bis unten präparieren kann, dass es alle Athleten befriedigt. Für die Kritik vom französischen Lager haben wir keine Lösung. Es ist ein Freiluftsport und da müssen wir uns anpassen."
Vielmehr müsse man sich laut Waldner in Sachen Material mehr Gedanken machen. "Wir wissen, dass das Material extrem ans Limit gepusht ist. Vielleicht sind wir über die Grenzen gegangen. Dann sind solche Stürze die Folge. Die Insider wissen alle, was ich meine. Ich möchte nicht in die Details gehen."
Von der Kritik der Athleten hat der Südtiroler jedenfalls genug. "Jedes Wochenende gibt es Kritik an den Veranstaltern. In Alta Badia, auch die Woche vorher in Val D'Isère. In Gurgl war es zu hart, in Levi war es zu weich - ich habe keine Lösung mehr, was wir machen sollen. Sollen wir kein Rennen mehr machen? Es ist ein Freiluftsport und kein Wunschkonzert", sagte er.
Cyprien Sarrazin wird in Bormio außerhalb der Strecke vom Hubschrauber geborgen
Fotocredit: Getty Images
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Highlights: Meillard stürmt zu Platz zwei - Haugan souverän
Quelle: Eurosport