Sicherheitsdebatte im Skisport - Topstars um Kilde und Shiffrin warnen bei Eurosport: "Es geht um Menschenleben"
VonThomas Gaber
Update 17/10/2025 um 10:38 GMT+2 Uhr
Der Tod von Matteo Franzoso hat die Diskussion über die Sicherheit im alpinen Skirennsport neu angeheizt. Eine Debatte, die infolge der schweren Verletzungen von Aleksandar Aamodt Kilde und Cyprien Sarrazin seit geraumer Zeit geführt wird und schon Veränderungen des Materials nach sich zogen. Doch reichen diese Maßnahmen aus? Eurosport hat bei den Superstars der Ski-Szene nachgefragt.
Shiffrin zur Sicherheitsdebatte: "Viel Raum für Verbesserungen"
Quelle: Eurosport
Am Montag feierte der Dokumentarfilm "Downhill Skiers - Ain't No Mountain Steep Enough" in Wien Weltpremiere. Das Who is Who der aktuellen Abfahrtszene gab sich ein Stelldichein: Marco Odermatt, Aleksandar Aamodt Kilde, Cyprien Sarrazin, Dominik Paris, Vincent Kriechmayr - alle waren da.
In dem 130-Minuten-Streifen, der Ende Oktober in die deutschen Kinos kommt, gewähren die besten Abfahrer der Welt einen tiefen Einblick in ihr Privat- und Seelenleben während der Saison 2024/25.
Odermatt und Co. - alle jagen dem gleichen Traum, der gleichen Leidenschaft nach auf dem schmalen Grat zwischen Triumph und der ständigen Sturzgefahr. "Wir sind ein paar Wahnsinnige, die einfach runter wollen", beschreibt es Kriechmayr. So schnell wie möglich, versteht sich.
In letzter Zeit hat es einige der Wahnsinnigen leider schwer erwischt. Kilde bangte nach einem Sturz in Wengen im Januar 2024 um sein rechtes Bein, Sarrazin entkam dem Tod nach dem Trainingsunfall in Bormio im Dezember 2024 "nur mit viel Glück", wie er selbst sagt. Und seit dem 15. September trauert die Ski-Welt um Matteo Franzoso, der im Training in Chile tödlich verunglückte.
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Ski-Star Mikaela Shiffrin wünscht Verbesserungen im Bezug auf Sicherheit
Fotocredit: Getty Images
Sarrazin warnt: Es darf nicht erst Tote geben
Auch bei den Damen gab mit Mikaela Shiffrin und Francesca Brignone prominente Opfer von schweren Verletzungen. Nicht immer sind Material, Kurssetzung oder vereiste Pisten schuld, der klassische Fahrfehler bleibt ständiger Begleiter. Doch die Sorgen, dass sich das Rad des Spektakels im alpinen Skirennsport auf Kosten der Gesundheit der Athleten überdreht, wachsen.
"Man sollte nicht erst warten, bis es Tote gibt, um über Sicherheit zu sprechen. Das hätten wir schon viel früher tun müssen", mahnte Sarrazin im Exklusiv-Interview mit Eurosport an.
Der Franzose nahm dabei die Athleten in die Pflicht: "Da sind vor allem wir Fahrer gefragt. Ich bin auch schuld. Ich gehe an den Start, ich akzeptiere das alles. Sollten wir uns zusammensetzen und beraten? Auf jeden Fall. Man darf das nicht auf die leichte Schulter nehmen. Es geht um Menschenleben."
Kilde: "Wir wollen, dass der Sport sicher ist"
Kilde pflichtet Sarrazin im Gespräch mit Eurosport bei. "Der Tod von Matteo ist sehr traurig für unseren Sport. Es sagt etwas darüber aus, dass wir alle für die Sicherheit am Berg verantwortlich sind. Wir können die FIS dafür verantwortlich machen, aber wir müssen auch in den Spiegel schauen", sagte der Norweger, der nach 22 Monaten Wettkampfpause wieder angreifen will.
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Aleksander Aamodt Kilde stürzte 2024 in Wengen schwer
Fotocredit: Getty Images
Kilde fordert, die Anstrengungen für mehr Sicherheit zu bündeln und zu intensivieren: "Wir müssen die Extra-Energie aufbringen. Wenn wir nichts verändern, wird der Sport aussterben. Und wir wollen nicht, dass er ausstirbt. Wir wollen, dass er sicher ist."
Das gelte für Rennstrecken wie Trainingsstrecken gleichermaßen. "Dafür sind wir alle verantwortlich. Wenn es zu riskant ist, sollten wir dann überhaupt fahren? Oder lassen wir es? Wir müssen einen Schritt zurückmachen und uns im Spiegel anschauen", so Kilde.
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Kilde appelliert in Sicherheitsdebatte: "... dann stirbt der Sport aus"
Quelle: Eurosport
Erste Maßnahmen greifen
Mit der Einführung des Airbags und der schnittfesten Skiunterwäsche wurden seitens des Weltverbandes FIS wichtige erste Schritte in Richtung mehr Sicherheit unternommen.
Das Tragen der Luftkissen ist in den Disziplinen Abfahrt und Super-G in der kommenden Saison verpflichtend, Schlupflöcher gibt es keine mehr. Zudem wurden die Schienbeinschoner aus Karbon verboten. Nach Meinung der Athleten reichen diese Maßnahmen aber nicht aus.
"Vielleicht müssen wir am Fundamentalen ansetzen", schlägt Kilde vor: "Die Geschwindigkeit, die Netze, die Witterung. Wenn wir die Durchschnittsgeschwindigkeit etwas drosseln würden, würde das einen großen Unterschied machen."
Shiffrin lenkt Blick auf andere Sportarten
Kildes Lebensgefährtin Mikaela Shiffrin richtet den Blick beim Thema Sicherheit auch auf andere Sportarten. "Wir sind noch am Anfang herauszufinden, was wir alles machen können", sagt sie und bringt "Speed-Kontrolle, die Helm-Technologie aus der NFL oder die Sicherheitsvorkehrungen in der Formel 1" ins Spiel.
"Selbst mit den extremen Kräften, die in der Formel 1 wirken, ist das Auto so sehr auf die Sicherheit des Fahrers ausgelegt, dass du nur mit ein paar Blessuren davonkommst", sagte die mit 101 Weltcupsiegen erfolgreichste Läuferin der Ski-alpin-Geschichte zu Eurosport.
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Schwarz über Sicherheit im Skisport: "Jeder weiß, was er da eingeht"
Quelle: Eurosport
Weltcup-Auftakt in Sölden: Rennchef verspricht mehr Action
Auch die Italienerin Sofia Goggia befürwortet mehr Sensibilität im Umgang mit den Gefahren, betont aber, dass man das Risiko als Rennfahrer nun mal mittragen müsse. "Wir haben uns einen riskanten Sport ausgesucht - mehr noch: Ich finde, wir betreiben eine Extremsportart. Da kann jederzeit etwas passieren", sagte die Abfahrtsolympiasiegerin von 2018.
Shiffrin schlägt in die gleiche Kerbe. "Am Ende bleibt es ein Sport, bei dem mit 130 km/h eine eisige Piste heruntergefahren wird - und das nur mit Rasiermessern an den Füßen und Elasthan am Körper", so die US-Amerikanerin.
Der Startschuss für den alpinen Weltcup erfolgt am 25. und 26. Oktober traditionell mit den Riesenslalomrennen der Damen und Herren am Rettenbachferner in Sölden (live auf Eurosport und discovery+).
Die FIS will "ein bisschen Action"
FIS-Rennchef Markus Waldner macht sich vorab allerdings keine Illusion hinsichtlich schwerer Stürze. "Wir werden wieder schlimme Dinge erleben", sagte der Italiener.
Im Zuge der Sicherheitsdebatte dürfe man die Veränderungen der Natur nicht außer Acht lassen. "Nehmen wir die Strecke in Sölden. Der Steilhang wird hier jedes Jahr steiler, weil der Gletscher von hinten immer mehr schiebt. Vor 20 Jahren war es noch nicht so steil. Da war eine Straße drunter, die ist jetzt weg", erläutert Waldner.
Und dennoch: Auf Spektakel soll nicht verzichtet werden - im Gegenteil. "Weil wir dort heuer viel Schnee haben, werden wir Richtung Ziel, wo es sehr flach war und eher bisschen langweilig nur Hocke gefahren wurde, zwei Wellen einbauen", erklärt Waldner. Der Grund dafür ist simpel: "Damit wir dort auch noch ein bisschen Action haben."
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Skiabfahrt vom Mount Everest - Bargiel schreibt Geschichte
Quelle: Red Bull Content Pool
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