Shanghai Masters: Drei plus eins im Halbfinale

Drei plus eins ist die Formel für das Halbfinale: Drei Spieler, stehen in der Vorschlussrunde, die zu den üblichen Verdächtigen zählen: Stuart Bingham, Judd Trump und Mark Allen. Einer jedoch ist ein Neuling auf dieser Ebene: Kyren Wilson.

Aber der hat sich das Ticket für die Vorschlussrunde auf beeindruckende Weise gesichert. Siege über Joe Perry, Michael Holt und Ding Junhui bedeuten, dass er sich auf die ganz harte Tour vorkämpfen musste. Hier meine Einschätzung der vier Halbfinalisten:

Stuart Bingham zeigt nach rumpeligem Saisonauftakt langsam wieder die Qualitäten, die ihn zum WM-Titel geführt haben. Auch wenn der Titelverteidiger in den ersten beiden Runden durch Fang Xiongman und Mike Dunn nicht voll gefordert wurde, so war sein Viertelfinale gegen Martin Gould doch ein echter Härtetest.

Da hat er die Ruhe bewahrt, blieb konzentriert und spielte geschickt seine Trümpfe aus. Sein Lochspiel ist sicher. Und mit seinem Safe-Spiel sorgt er dafür, dass der Gegner unter Kontrolle bleibt. Passt da alles, dann muss er keinen Gegner fürchten. Es ist ihm durchaus zuzutrauen, als erster Spieler überhaupt den Titel in Shanghai zu verteidigen.

Diesem Ziel im Weg steht aber zunächst einmal Judd Trump. Der hat das Halbfinale nicht in wildem Stil mit seinem „frechen Snooker“ erreicht, sondern mit klugem und besonnenem Spiel. Was ihn zu einem so gefählichen Spieler macht hat er in den letzten beiden Tagen in Shanghai gezeigt.

So hat er im Achtelfinale das Comeback von Matt Selt weggesteckt und den Entscheidungsframe von hinten noch auf Schwarz mit einer coolen Clearance gewonnen. Und auch wie er gegen Mark Williams die Fehler seines Gegners ausnutzte und sich alle knappen Frames holte war ein Signal. So etwas wie die Niederlage im WM-Finale 2011 gegen John Higgins würde ihm heute nicht mehr passieren.

Erheblich gelassener ist Mark Allen geworden. Angesichts des Kick-Festivals im Viertelfinale hätte er früher genervt reagiert und dann den Faden verloren. Heute ist das anders: Er nimmt es, wie es kommt, und konzentriert sich auf das, was er selber beeinflussen kann. Und das ist vor allem sein Spiel.

Schon im Vorjahr hat er in Shanghai im Finale gestanden, und überhaupt war er in den letzten Jahren in China immer ziemlich erfolgreich. Vielleicht liegt es daran, dass er gar keine Lust verspürt, ein fremdes Land kennenzulernen. So konzentriert er sich auf sich selber und seine Aufgabe. Ihn müssen mit Sicherheit alle fürchten.

Aber er muss auch seinen Gegner im Halbfinale fürchten: Kyren Wilson. Der hat ja nicht nur in Shanghai selber beeindruckende Erfolge gefeiert, sondern zuvor schon in der Qualifikation so starke Gegner wie Mark King und Anthony McGill ausgeschaltet. Eigentlich hat er nichts mehr zu verlieren; er hat schon mehr erreicht, als er sich erträumen konnte; in der neuen Weltrangliste wird er mindestens auf Platz 48 vorrücken.

Also kann er seinen Auftritt im Halbfinale, dem ersten seiner Karriere, einfach nur genießen. Aber es ist halt auch das erste Mal, dass er in einem One-Table-Setup spielt, wenn also nur noch ein einziger Tisch in der Arena steht und die ganze Aufmerksamkeit sich darauf konzentriert. Das hat schon ganz andere Spieler verunsichert. Wie er damit zurechtkommt wird entscheidend sein.

Chancen auf den Sieg haben alle. Aber das Shanghai Masters hat jetzt so richtig Fahrt aufgenommen. Da darf man sich einfach nur noch auf die beiden Schlusstage in der Grand Stage freuen.