ATP Finals: Jannik Sinner nach Triumph in Turin unantastbar für Zverev, Djokovic, Alcaraz? Härtester Gegner wird CAS
Update 18/11/2024 um 13:31 GMT+1 Uhr
Jannik Sinner hat mit dem Sieg bei den ATP Finals in Turin seine aktuelle Vormachtstellung nach seinen ersten beiden Grand-Slam-Titeln nun eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Manche prophezeien bereits Langeweile für die Saison 2025 ob Sinners Dominanz und Lernwillens. Doch ganz so einfach wird es kommende Saison nicht. Der Südtiroler hat sein schwierigstes Match außerhalb der Courts vor sich.
Highlights: Sinner-Sause! Italiener erfüllt sich Traum vom Heimsieg
Quelle: SNTV
Die rund 12.000 fast ausschließlich italienischen Zuschauer applaudierten Jannik Sinner naturgemäß frenetisch, nachdem dieser seinen Matchball gegen Taylor Fritz verwandelt hatte. Minutenlange Standing Ovations folgten und der zuweilen schüchtern und stoisch wirkende Sinner genoss das Bad in der heimischen Menge ein wenig.
Rund zwei Stunden später klatschten die Mehrheit der rund 50 heimischen Journalisten, als der frischgekürte ATP-Finals-Sieger den vollbesetzten Pressekonferenzraum in den Katakomben der Inalpi Arena betrat. Das ist für europäische Standards ungewöhnlich, für die italienische Presse aber nicht untypisch. Das war nicht nur Sinner schon unangenehmer.
Der Applaus legte am Ende einer aus italienischen Sportsicht perfekten Woche nochmals in aller Eindeutigkeit dar, wie eng verzahnt und wenig distanziert das Verhältnis der meisten italienischen Medien zu ihrem neuen Helden ist. Das hilft auch beim Kampf um die Deutungshoheit im Berufungsverfahren der WADA im Dopingfall Sinners. Das Verfahren wird in Italien ausgeblendet, findet medial nicht statt. Dabei wird die Verteidigung vor dem CAS schwieriger als die allermeisten Tennismatches seiner Karriere.
Sinner auf Lendls Spuren: Finals-Sieg ohne Satzverlust
Erfolgstechnisch ist Sinner über alle Zweifel erhaben und hat mit dem ersten Sieg bei den ATP Finals vor heimischer Kulisse die nächste Heldenstufe in Italien erreicht. Er ist mit seinen 23 Jahren bereits der erfolgreichste Spieler aller Zeiten seines Landes und erst der dritte männliche Spieler nach Roger Federer (2004/2006/2007) und Novak Djokovic (2015/2023), der die Australian- und US Open sowie das Jahresendturnier der besten acht Spieler gewann.
Der Südtiroler ist zudem der erste Profi seit Ivan Lendl 1986, der die Finals ohne Satzverlust dominierte. In der neuen Weltrangliste hat Sinner nun fast 4.000 Punkte Vorsprung vor Verfolger Alexander Zverev - das sind umgerechnet fast zwei Grand-Slam-Siege.
Sinner sammelte fünf weitere Turniersiege, verlor bei 65 Siegen nur sechsmal, verdiente allein an Preisgeld diese Saison zwölf Millionen US Dollar - den aus sportpolitischen Gesichtspunkten fragwürdigen "Six Kings Slam" in Saudi-Arabien nicht mitgerechnet. In den letzten fünf Events, die er auf der Tour gespielt hat, steht er 26:1-Siegen.
/origin-imgresizer.eurosport.com/2024/10/13/4051243-82162508-2560-1440.png)
Sinner überragend: Djokovic sieht im Finale ohne Breakball alt aus
Quelle: Perform
Sinner auf Indoor-Hardcourts unschlagbar
Niemand schafft es vor allem auf Hardcourts mit einem derart perfekt tiefen Körperschwerpunkt so schnell in die Ecken und wieder zurück in die Platzmitte, niemand schlägt auf Vor- und Rückhand so konstant und fehlerfrei Winner. Mit seiner ruhigen, fast stoischen Südtiroler Art trifft Sinner in engen Momenten sehr oft die richtigen Entscheidungen. Auf Indoor-Hardcourts steht Sinners Bilannz inklusive des Siegs im Februar in Rotterdam bei 10:0.
In dieser Woche schlug Sinner nun sogar besser auf als die anderen Weltklassespieler. Finalgegner Fritz, der bereits in der Vorrunde gegen Sinner verlor, erklärte nach dem Endspiel: "Er hat mit seinem Service heute alle Lichter ausgeschossen, so großartig platziert und ist großes Risiko beim zweiten Aufschlag gegangen. Er hat sich da massiv verbessert. Ich bin beeindruckt." Sinner selbst, der sich nach verwandeltem Matchball zumindest kurzzeitig etwas von den Fans emotional mitreißen ließ, war im ersten TV-Interview ganz seinem Naturell entsprechend bereits wieder heruntergekühlt und meinte: "Ich habe diese Woche ganz gutes Tennis gespielt."
Sinner: "Immer noch Raum für Verbesserung"
Später erklärte er in der Pressekonferenz, er habe phasenweise das beste Tennis seiner Saison gespielt: "Es gibt immer noch Raum für Verbesserung. Es gibt gewisse Schläge und Punkte, die ich zeitweise besser machen kann. Das sind aber kleine Details. Je höheres Niveau du spielerisch abrufst, desto mehr machen die Details den Unterschied."
Für die Gegner bleibt festzuhalten: Wenn der stärkste Grundlinienspieler so serviert, sieht es schlecht aus für die anderen Spieler. Erst recht, da Carlos Alcaraz angeschlagen agierte, Novak Djokovic nur noch an Grand Slams und eventuell im Davis Cup teilnehmen will und Zverev erneut vor einem möglichen Duell mit Sinner gegen Angstgegner Fritz ausschied.
/origin-imgresizer.eurosport.com/2024/11/16/4062409-82385828-2560-1440.png)
Highlights: Zverev verliert erneut gegen Fritz nach Dreisatzkrimi
Quelle: Perform
Sinner über 2025: "Was immer wir an Titeln fangen können"
Seine Zielsetzung für 2025 legte Sinner clever fest: "Was immer wir an Titeln fangen können, nehmen wir mit. Den Rest betrachten wir als Lehre." Gegner hat der Italiener dennoch mehr als genug. Da wäre allen voran Alcaraz: Für drei der sechs Niederlagen in dieser Saison war der Spanier verantwortlich, der Sinner in Paris auf Sand eliminierte und auch auf Rasen stark einzuschätzen ist.
Ein motivierter und fitter Djokovic wiederum wäre auf den Hardcourts von Melbourne zudem einer der wenigen Kontrahenten, die Sinner in Normalform gefährlich werden könnten.
Das gilt auch für Zverev, der Sinner an einem Sahnetag mit seinem offensiver ausgerichteten Spielstil auch auf Hardcourt gefährlich werden kann und ihn bereits in New York 2023 besiegte.
/origin-imgresizer.eurosport.com/2021/09/06/3214518-65845628-2560-1440.png)
Achtelfinale: Formidabler Zverev zeigt Sinner die Grenzen auf
Quelle: Eurosport
Zunächst aber muss Sinner das CAS-Verfahren unbeschadet bestehen. Dass der beste Spieler der Welt größere Teile der Saison 2025 verpasst, wäre das Worst-Case-Szenario für Sinner und der größtmögliche Imageschaden für das professionelle Tennis. Die Werte des Anti-Doping-Kampfes sah dagegen die WADA in Gefahr, als sie Ende September nach längerer Bedenkzeit doch noch Berufung vor dem Obersten Sportgerichtshof CAS gegen den Freispruch Sinners in dessen Dopingfall einlegte.
CAS-Urteil im ersten Quartal 2025?
Sinner wurde bekanntlich im März zweimal positiv auf das verbotene anabole Steroid Clostebol getestet. Die Erklärung des Sinner-Lagers ist weit über die Grenzen des Tennissports bekannt: Der Fitnesstrainer Sinners habe das verbotene Mittel bei sich geführt und dem Physiotherapeuten empfohlen, damit der eine Wunde an seiner Hand behandeln könne. Dann wiederum habe dieser Sinner mehrere Tage ohne Handschuhe behandelt, dabei sei das Clostebol übertragen worden. Der Fall ist, wie so oft im Dopingkampf, kompliziert.
Eine Sperre bekam der 23-Jährige nicht. Die verantwortliche Tennis-Agentur ITIA begründete den Freispruch damit, dass ihm kein vorsätzliches Verschulden und keine Fahrlässigkeit nachgewiesen werden konnte. Diese Feststellung ist nach Ansicht der WADA "nach den geltenden Regeln nicht korrekt". Die WADA mit Sitz im kanadischen Montréal fordert daher "eine Sperre von einem bis zwei Jahren" für Sinner.
Im Hintergrund laufen die Vorbereitungen und Verhandlungen zwischen den Parteien. Eine Entscheidung wird im ersten Quartal 2025, wohl nicht vor den Australian Open, erwartet.
Das könnte Dich auch interessieren: Jähes Jahresende: Warum Zverev dennoch nicht an sich zweifelt
/origin-imgresizer.eurosport.com/2024/11/17/4063008-82397808-2560-1440.png)
Highlights: Historischer Titel! Krawietz/Pütz gewinnen Final-Krimi
Quelle: Perform
Ähnliche Themen
Werbung
Werbung