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Alexander Zverev: Wie sich die Bauchlandung bei den Australian Open erklären lässt

Tobias Laure

Update 24/01/2022 um 06:32 GMT+1 Uhr

Alexander Zverev ist bei den Australian Open völlig überraschend im Achtelfinale ausgeschieden. Vielmehr als die Niederlage gegen Denis Shapovalov verwunderte allerdings die Art und Weise, wie der Olympiasieger auftrat. "Wenn man so schlecht spielt wie ich, kannst du machen, was du willst - es ändert nichts", bilanzierte Zverev. Aber wie lässt sich die Pleite erklären?

Alexander Zverev bei den Australian Open

Fotocredit: Imago

Es war ein sportlicher Schock.
Die herbe 3:6, 6:7 (5:7), 3:6-Niederlage von Alexander Zverev ist die bislang größte Überraschung bei diesen Australian Open. Der Weltranglistendritte - so sahen es Medien, Experten und auch Zverev selbst - war reif für den ersten Grand-Slam-Titel der Karriere. Kurz vor Beginn der Australian Open stiegen die Aktien des Hamburgers sogar noch, nachdem klar war, dass Titelverteidiger Novak Djokovic nicht antreten darf.
Genau bei Halbzeit des Turniers aber verabschiedete sich Zverev aus dem Rennen und hinterließ dabei eine Menge Fragezeichen.
Warum stand der Olympiasieger gegen Shapovalov, dessen einziger Titel auf der ATP Tour bereits mehr als zwei Jahre zurückliegt, dermaßen auf verlorenem Posten? Weshalb die sparsame Körpersprache selbst bei gelungenen Aktionen? Wieso blieb der Power-Spieler und Hard Hitter Zverev so defensiv?
"Ich habe einfach eine scheiß Woche gehabt", gab der 24-Jährige zu Protokoll. Was einigermaßen verwundert, war er doch mit drei Dreisatzsiegen ins Achtelfinale eingezogen.
Eurosport.de nimmt die Partie gegen Shapovalov unter die Lupe und nennt die Probleme beim Namen - zeigt aber auch eine Option auf, wie sich Zverev beim nächsten Major-Wettbewerb das Leben möglicherweise leichter machen kann.

1.) Zverev verschlägt es die (Körper)sprache

Wenn ein Spieler im Tiebreak aus einem 1:5-Rückstand ein 4:5 macht und am Ausgleich schnuppert, darf man schon mal mit einer Reaktion rechnen. Nicht so bei Zverev, der nach seinen drei Punkten in Serie emotionslos blieb. Dabei war es die große Chance, den zweiten Satz doch noch an Land zu ziehen.
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Achtelfinale: Herbe Klatsche für Zverev gegen Shapovalov - Highlights

Alles wäre wieder offen gewesen. Es kam bekanntlich anders. "Ich habe bei Sascha vor allem die Körpersprache vermisst, dass er sich reinbeißt und aufbäumt. Er hat das Match mehr hingenommen und über sich ergehen lassen", brachte es Eurosport-Expertin Barbara Rittner auf den Punkt.
Es war tatsächlich merkwürdig, wie Zverev - durchaus zu großen Emotionen fähig - sich in der Margaret Court Arena verhielt. Ebenfalls auffällig: Auch aus der Box, in der unter anderem Bruder Mischa Zverev saß, kam wenig Unterstützung in den entscheidenden Momenten.
Das Zverev-Lager schien sich dem Schicksal zu ergeben, auf der Tribüne genauso wie unten auf dem Court. "Man kann verlieren und schlecht spielen, aber man kann sich immer anstrengen und die Seele auf dem Platz lassen", monierte Eurosport-Experte Boris Becker.
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Becker analysiert Zverev-Pleite: "Man kann verlieren, aber ..."

Das Bild, das Zverev abgab, war dem zweifachen Australian-Open-Champion vor allem auch wegen der großen Erfolge der Vergangenheit ein Rätsel. "Sascha strotzte vorher vor Selbstvertrauen, aber irgendetwas ist in diesen Wochen von Australien passiert." Was das genau war, weiß wohl nur Zverev selbst.

2.) Zverev gerät ins passive Abseits

Neben der Körpersprache verwunderte in erster Linie die abwartende Taktik der Nummer drei der Welt. Zverev versuchte gar nicht erst, das Spiel zu machen und offensiv den Punkt zu suchen. Hatte er in den ersten Runden gegen Daniel Altmaier, John Millman und Radu Albot noch 53 beziehungsweise 37 und 44 Winner geschlagen, sank die Quote gegen Shapovalov auf magere 18. Dem Kanadier gelangen knapp doppelt so viele (35) und auch in vielen anderen Bereichen war er griffiger.
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Rittner zum Zverev-Einbruch: Warum Nadal das nicht passiert wäre

Die Punktquote über den ersten Aufschlag (77 Prozent zu 69 Prozent) und den zweiten Aufschlag (46:29), der Umgang mit den Breakchancen (67:40) oder die Effizienz beim Netzangriff (81:59) - Shapovalov war aggressiver und erfolgreicher. Zverev stellte sich mit seiner Passivität selbst ins Abseits. "Sascha hat nie zu seinem Spiel gefunden, hat keine Dynamik und Aggressivität entwickelt. Ich habe ihn sehr lange nicht mehr so passiv gesehen", urteilte Becker.
Zverev habe "zu sehr an der Grundlinie abgewartet und den Ball nur zurückgespielt – in der Hoffnung, dass der Gegner einen Fehler macht". Dafür sei "Shapovalov aber zu gut". Rittner wiederum riet Zverev generell zu einer anderen Sichtweise. "Er muss akzeptieren, dass er nicht Mister Perfect ist und schlechte Tage hat. Genau an diesen schlechten Tagen fällt er mir zu weit runter von seiner Leistung", so die Chef-Bundestrainerin, die überdies einen Vergleich zog, der Zverev nicht schmecken dürfte. "Bei Nadal weißt du, dass er dann trotzdem seine 80 Prozent rausholt und sich dann im Match hochspielt."

3.) Weniger Druck, mehr Chancen?

Eines vorweg: Es nötigt Respekt ab, dass Zverev seine Ziele und Ansprüche so klar formuliert. "Ich habe zwei Ziele vor mir: Ein Grand-Slam-Turnier zu gewinnen und die Nummer eins der Welt zu werden", ließ er vor wenigen Wochen wissen. Melbourne sei in dieser Hinsicht ideal, biete es doch "die Chance, beides gleichzeitig zu erreichen". Mutig und nicht selbstverständlich im Tennis, wo viele Profis eher tief stapeln und die Medien eher Sätze zu hören bekommen, wonach man von Spiel zu Spiel schaue.
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Becker spricht Klartext: Diese Zahlen erklären den Zverev-K.o.

Möglicherweise war die Ansage des Guten zu viel. "Vielleicht war es doch zu viel Druck und ein Fehler, so offen darüber zu sprechen, dass er das Turnier gewinnen möchte", gab Becker zu bedenken. "Das ist natürlich die Wahrheit, aber die ist im Tennis nicht immer angebracht. Man muss auch sein Pokerface aufsetzen."
Zverev, so Becker weiter, müsse sich nun mit Bruder Mischa und Vater Alexander senior darüber beraten, wie es weitergehen soll. Das nächste Grand-Slam-Turnier sind die French Open, die am 22. Mai beginnen. Zverev wird beim Sandplatz-Klassiker aller Voraussicht nach nicht als Favorit an den Start gehen - aber das könnte ein echter Vorteil sein.
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Fan-Reaktionen auf Zverev: "Wir waren ziemlich geschockt"

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