Djokovic, Federer und Nadal spalten die Tennis-Welt
Roger Federer, Rafael Nadal und Novak Djokovic prägen seit mehr als 15 Jahren eine historische Ära im Herren-Tennis. Nie zuvor dominierten drei Spieler die Grand-Slam-Turniere dermaßen. Federer, Nadal und Djokovic sind mit ihrer Popularität für den Tennissport der Sechser im Lotto - aber kommen sind sie in Zeiten der Corona-Krise auch ihrer großen Verantwortung nach? Es gibt Zweifel.
Novak Djokovic (li.) und Rafael Nadal (re.) beim ATP Cup
Fotocredit: Getty Images
Irgendwann in all' diesen von gegenseitigen Beschuldigungen geprägten Debatten passierte es: Novak Djokovic bekam aus dem Kreis der Kollegen ein Lob. Ausgerechnet er, der seit der Austragung der heftig umstrittenen Adria Tour im Dauerfeuer der Kritik stand, der mit jedem Tag und jedem neu infizierten Spieler schärfer attackiert wurde.
"Von den drei besten Profis tut Novak am meisten dafür, dass auch die niedriger platzierten Spieler mehr Geld bekommen", betonte Andrew Harris im Podcast "Break Point". Der Australier, aktuell die Nummer 204 im ATP Ranking, spielte damit auf das Verhalten von Djokovic, Nadal und Federer an, auch wenn Letzterer seinen Platz in den Top 3 an Dominic Thiem abgeben musste.
Herbe Vorwürfe an Djokovic und Federer
Wie verfahren die Situation inzwischen ist, zeigen auch die Aussagen von Timea Bacsinszky, die erst vor wenigen Tagen Djokovic aufs Korn nahm. "An einem Tag hat er Vorbehalte wegen der Wiederaufnahme des Profi-Tennis. Dann organisiert er ein Showturnier mit vollen Tribünen und anderen Attraktionen", polterte die Schweizerin im Interview mit "Sportskeeda.com".
In diesen Widersprüchen will die ehemalige Top-Ten-Spielerin den Grund dafür erkannt haben, dass Djokovic von der breiten Masse der Fans "nicht geliebt" werde.
Federer, der seit Monaten aufgrund zweier operativer Eingriffe pausiert und infolge dessen bei keinem Show-Event aufschlug, musste sich von Harris schwere Vorwürfe gefallen lassen. Dem Rekord-Grand-Slam-Champion gehe es "nur darum, das Geld an der Spitze zu behalten." In der Öffentlichkeit sage er dagegen genau das, was die Leute hören wollen.
Und auch Nadal, der während der Corona-Pandemie bislang auf Reisen verzichtete und auf seiner Heimatinsel Mallorca trainiert, bekam sein Fett weg. Wie Djokovic und Federer auch habe der Sandplatzkönig "fast vergessen, wie es ist, in den unteren Positionen" zu stehen.
Wenngleich es auch differenziertere Meinungen anderer Profis gibt, kristallisiert sich heraus: Das Image von Djokovic, Federer und Nadal hat sich zumindest nicht verbessert, um es vorsichtig auszudrücken. Was die Frage aufwirft, ob das Star-Trio seiner Verantwortung nicht gerecht wird?
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Knifflige Entscheidung für Rafael Nadal
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Zunächst einmal ist es richtig, einen besonders hohen Maßstab an das Verhalten der drei Ausnahmekönner anzulegen. Nicht, weil sie besser Tennis spielen als der Rest, wohl aber, weil sie als Mitglieder des ATP-Spielerrats aktiv die Verantwortung übernommen haben. Djokovic firmiert gar als Präsident des ATP Players Council. Die Eignung des Serben für diese Rolle wird nun immer häufiger infrage gestellt.
"Es ist ein Albtraum, danke an die Spieler ganz oben"
Maximilian Marterer etwa, der Djokovic einst bei der Wahl zum Spielerrats-Präsidenten seine Stimme gab, zeigte sich bei "Sky" enttäuscht vom Branchenprimus. "Das ist nicht das, was man sich von der Nummer eins der Welt vorstellt." Hier und da gab es in den Medien auch Rücktrittsforderungen an die Adresse von Djokovic.
Diese wurden nicht zuletzt dadurch befeuert, dass der 33-Jährige im Juni einem großen Video-Meeting mit mehr als 400 Profis und Offiziellen fernblieb und fast zeitgleich in den sozialen Netzwerken Fotos postete, die ihn vor Beginn der Adria Tour beim Fußballspielen mit Kollegen wie Alexander Zverev oder Grigor Dimitrov zeigten. "Dafür hatte er Zeit, aber nicht, um anderthalb Minuten an einer Videokonferenz teilzunehmen, um den anderen zu zeigen, dass er ihre Anliegen ernst nimmt", kritisierte US-Profi Noah Rubin das Fehlen der Nummer eins. Darüber hinaus hätten auch Federer und Nadal durch Abwesenheit geglänzt. "Es ist ein Albtraum, danke an die Spieler ganz oben", schob der Weltranglisten-225. sarkastisch hinterher.
Dabei hatten die "Spieler ganz oben" durchaus Ideen. Im April etwa gaben Djokovic, Federer und Nadal bekannt, einen Hilfsfonds zu lancieren, in den die Top-100-Spieler einzahlen um den Spielern in den Niederungen der Weltrangliste finanzielle Unterstützung zukommen zu lassen. Eine ehrenwerte Initiative, die eigentlich den Beifall aller Akteure hätte finden sollen. War aber nicht so.
Hilfsfonds? Thiem übt scharfe Kritik
Thiem, aktuell die Nummer drei seiner Zunft, stellte umgehend klar, dass er nicht bereit sei, sich zu beteiligen. Der Grund: "Da sind einige Spieler dabei, die ich nicht gerne unterstützen würde", so der Österreicher gegenüber der Nachrichtenagentur "APA". Es gebe auf der Tour "viele Leute, die dem Sport nicht alles unterordnen". Er sehe daher "nicht ein, warum ich solchen "Leuten Geld schenken sollten".
Die Kritik Thiems stieß - erwartungsgemäß - ihrerseits auf Kritik. "Niemand hat dich um etwas gebeten", konterte die algerische Spielerin Inès Ibbou im Mai in einem Video auf Instagram. "Die Initiative ging von großzügigen Spielern mit Barmherzigkeit aus, mit Klasse", so die Weltranglisten-620. Es gehe den drei Superstar um "Solidarität" und "Lösungen, um einen Unterschied zu machen". Ibbou bezeichnete Djokovic, Federer und Nadal als "Champions in jeder Hinsicht".
US Open lösen Debatte aus
Seitdem ist es allerdings nichts Neues mehr zu erfahren um den Hilfsfonds, zudem bestimmten die Ereignisse rund um die Adria Tour die Tennis-Schlagzeilen im Juni - und aktuell beschäftigt die Szene ohnehin schon wieder die nächste große Debatte. Ist es sinnvoll, die US Open abzuhalten und wenn ja, mit welchen Rahmenbedingungen und Folgen für die Spieler soll das einhergehen?
Nick Kyrgios etwa bezeichnete die geplante Austragung des Grand-Slam-Turniers als "egoistisch". Aus Sicht von Thiem steht der Wettbewerb auf "wackligen Beinen".
Und auch beim Thema US Open war Djokovic schnell zwischen die Fronten geraten, als er die Turnier-Organisatoren dafür kritisierte, zunächst nur einen Betreuer pro Spieler zulassen zu wollen. Vor ein paar Tagen verbreite die spanische Sportzeitung "Marca" dann die Meldung, der Serbe wolle nur teilnehmen, wenn der Start nicht mit einer 14-tägigen Quarantäne nach dem Event verbunden sei.
Man kann sich darüber streiten, ob diese Haltung nun verantwortungsvoll ist oder eben nicht - fest steht allerdings: Novak Djokovic hat zumindest keine Angst, seine Meinung klar und deutlich zu äußern.
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