Biathlon-Bilanz: Experte Michael Rösch sieht deutsches Team auf gutem Weg zu neuen Erfolgen - "Stimmt sehr positiv"

Tolle Auftritte beim Weltcupfinale, allen voran von Erik Lesser, dazu zwei Medaillen bei Olympia, darunter der goldene Triumph von Denise Herrmann - aber auch immer wieder Kritik im Saisonverlauf: Wie fällt die Bilanz von Michael Rösch zu den deutschen Biathleten aus? Der Eurosport-Experte wirft einen genauen Blick auf die Leistungen des DSV-Teams und benennt Stärken wie Schwächen.

Benedikt Doll und Roman Rees im Staffelrennen beim Biathlon-Weltcup in Oberhof 2022

Fotocredit: Imago

Umjubelte Siege wie bei den Winterspielen in Peking oder dem Saisonfinale am Holmenkollen waren (zu) selten, ernüchternde Ergebnisse nach durchwachsenen Auftritten am Schießstand zeitweilig der Standard: Das deutsche Biathlonteam hat einen durchwachsenen Winter hinter sich.
Doch für Michael Rösch gibt es in der Analyse durchaus viele positive Aspekte, die Hoffnung auf die nächste Saison mit dem Höhepunkt der Heim-WM in Oberhof machen.
Allerdings lässt die internationale Konkurrenz den Staffelolympiasieger von 2006 regelmäßig staunen - doch auch im deutschen Kader stecken Talente.Das Interview führte Andreas Schulz.
Wie fällt Ihre Bilanz aus deutscher Sicht aus?
Michael Rösch: Gerade die Männer stehen gut da, das haben die abschließenden Rennen in Oslo nochmals bewiesen. Insgesamt zeigt auch der Blick auf die Platzierungen der besten DSV-Athleten im Gesamtweltcup ein deutlich besseres Bild als vor einem Jahr. Es gab Weltcupsiege aus eigener Kraft von Johannes Kühn und Benedikt Doll, starke Leistungen von Roman Rees und Philipp Nawrath und dazu kommen junge Athleten wie David Zobel, Philipp Horn oder Lucas Fratzscher nach - das stimmt schon sehr positiv. Was bei ihnen gefehlt hat, war der eine große Erfolg bei Olympia.
Was konkret muss verbessert werden?Rösch: Gerade läuferisch ist das Männer-Team richtig gut dabei, was angesichts des internationalen Niveaus echt eine Leistung ist. Ihnen fehlt nur, dass sie am Schießstand den Sack zumachen. Daran müssen sie arbeiten, damit bei den wichtigsten Wettkämpfen dann auch die Nervenstärke da ist: Denn die Möglichkeiten waren da, sowohl in Staffelrennen als auch individuell.
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Quelle: Eurosport

Wie kann man daran arbeiten?
Rösch: Die Schießleistung zu verbessern geht nicht von heute auf morgen. Es ist jetzt ein Schießtrainer da, aber das dauert mehr als nur ein Jahr, um da größere Verbesserungen zu erzielen. Weil das Niveau in der Weltspitze so hoch ist, muss da auch schon im Jugendbereich entsprechend angesetzt werden. Da haben uns Norwegen, Frankreich oder Schweden etwas voraus und das aufzuholen braucht Zeit. Da muss konsequent weitergearbeitet werden, so wie es auch schon gemacht wird - und punktuell hat es ja auch schon funktioniert. Nur die erhoffte Konstanz am Schießstand fehlt eben noch.
Wie sieht die Bilanz bei den deutschen Damen aus?
Rösch: Insgesamt ist die Bilanz der Frauen im Gesamtweltcup schlechter in dieser Saison. Herausheben muss ich Vanessa Voigt - ihr Niveau im ersten Jahr im Weltcup war beeindruckend und da sind gleichzeitig noch so viele Reserven, etwa bei den Zeiten am Schießstand. Sie hat richtig Potenzial, um nächstes Jahr in die Top Ten im Gesamtweltcup zu kommen. Auch beeindruckend war es, wie Franziska Hildebrand sich am Ende mit guten Rennen wieder zurückgemeldet hat. Im Vergleich zu den Männern ist die Lage bei den Frauen aber nicht ganz so gut, auch bei den Laufzeiten ist der Abstand etwas groß. Die Kompaktheit des Damenteams muss insgesamt nächstes Jahr besser werden, zumal ja noch unklar ist, wie es bei Denise Herrmann weitergeht. Auf jeden Fall aber kommen aus den Juniorenbereich Talente, allen voran Lisa Spark, nach.
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Rösch: Für Franzi war das Podest in Oslo - und auch die Staffelmedaille bei Olympia - so wichtig! Während der Winterspiele schrieb sie mir, dass sie keine Lust mehr habe und "Biathlon ein Arsch" ist. Aber sie hat gezeigt, wozu sie fähig ist, wenn der Körper mitspielt, manche haben ja schon fast vergessen, dass sie vor einem Jahr die Saison als Dritte im Gesamtweltcup beendet hat. Sie hat das nicht verlernt und in Oslo sah sie richtig gut aus, es funktionierte wieder wie einst. Wie sie sich aus dem Tief rausgekämpft hat, war beeindruckend und das zeichnet richtig gute Athleten aus. Wenn sie dranbleibt, ist für sie noch sehr viel drin.
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Quelle: Eurosport

Wer waren Ihre Aufsteiger der Saison aus internationaler Sicht?Rösch: Für mich besonders Elvira Öberg - was die Schwedin in ihrem Alter teilweise abgeliefert hat, war schon extrem krass. Gerade mit ihren Leistungen in der Loipe hat sie mich enorm beeindruckt. Auch bei den Männern muss ich einen Schweden nennen: Sebastian Samuelson, der ja auch noch U25 ist, hat in der Loipe irrsinnig aufgedreht. Dazu kommen punktuell immer wieder jüngere Athleten, die für Aufsehen sorgen, wie der Italiener Tommaso Giacomel, Vytautas Strolia aus Litauen oder der Schweizer Joscha Burkhalter. Herausheben muss man dazu die Norweger: Bakken, Andersen, Christiansen: Die haben sich extrem gemacht und da ist ein Johannes Dale einfach weg, der im letzten Jahr so überragend war. Die jungen Norweger mit ihrer Dominanz waren einfach sehr auffällig.
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Quelle: Eurosport

Wie kann man die Erfolge der Norweger erklären?
Rösch: Das kann man auf ein Gesamtpaket zurückführen. Da passt es vom Verband angefangen bis in die frühe Nachwuchsarbeit, wo eine extreme Masse an Kindern dabei ist, die fast auf Langlaufski geboren wurden. Auch im IBU Cup zeigt sich in der Gesamtwertung die Überlegenheit, genauso wie ihre extreme Breite in den Top Ten des Gesamtweltcups.
Beim DSV gibt es einen Wechsel an entscheidender Stelle, der Sportliche Leiter Biathlon wird neu besetzt. Wie beurteilen Sie die Personalentscheidung?Rösch: Bernd Eisenbichler hat viel bewegt beim DSV und ich hoffe, dass Felix Bitterling da anknüpfen kann. Er kommt von der IBU, das ist ein etwas anderes Feld, aber er hat viel Erfahrung, ich kenne ihn persönlich gut. Er hat im Weltverband vieles nach vorne gebracht. Man wird sehen, was passiert - aber die Stelle ist nicht falsch besetzt: Felix ist eine gute Wahl.
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Quelle: Eurosport

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