Olympia 2022 - Eiskunstlauf: Die unmenschliche Tragödie um Jahrhundert-Talent Kamila Valieva
Publiziert 17/02/2022 um 20:53 GMT+1 Uhr
Drama war schon kein Ausdruck mehr für das, was sich am Donnerstag bei den Olympischen Winterspielen im Eiskunstlauf bei der Kür rund um die 15-jährige Russin Kamila Valieva abspielte. Das Jahrhundert-Talent, das mehrfach stürzte, landete auf Platz vier, zerbrach in Peking an einem unmenschlichen Druck und weinte einfach nur noch bitterlich. Und mit ihr schluchzte die gesamte Sport-Welt.
Tragödie um Valijeva: Wunderkind stürzt mehrfach in der Kür und wird nur Vierte
Quelle: Eurosport
Der Schlussakkord der legendären Klänge von Maurice Ravels "Bolero" war erklungen, da winkte Kamila Valieva ab und versuchte, ihre Tränen hinter ihren roten Handschuhen zu verbergen.
Die unter Dopingverdacht stehende Russin, 15 Jahre jung und schon als Jahrhundertläuferin gefeiert, blieb nach einer fehlerhaften Kür bei Olympia in Peking als Vierte ohne Medaille. Sie war geschlagen, erschlagen und letztlich war klar: Der übermenschliche Druck war zu groß.
Eurosport-Kommentator Sigi Heinrich, der mit seinen 68 Jahren schon nahezu alles im Sport miterlebt hat, rang mit der Fassung. Er sprach dabei das aus, was garantiert viele geschockte Betrachter in der Welt bei diesen traurigen Bildern aus Peking dachten.
"Hättet ihr sie doch bitte nicht laufen lassen", sagte Heinrich und fügte an: "Alle, die mit dieser Affäre zu tun haben, haben Schuld auf sich geladen. Sie haben ein mega-großes Talent an den Rand der Vernichtung getrieben. Viele sind ihrer Verantwortung nicht gerecht geworden. Weder die Richter des CAS noch ihr Umfeld, ihre Trainer, Physiotherapeuten, ihr Arzt. Es ist nicht zu verstehen."
Sein Fazit war schließlich so deutlich wie verständlich: "Für dieses Mädchen war das ein Dolchstoß. Ich könnte kotzen!"
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Tiefe Enttäuschung: Valieva nach verpasster Medaille am Boden zerstört
Quelle: Eurosport
Als Valieva da saß im gnadenlosen Scheinwerferlicht, da war sie keine Jahrhundertläuferin mehr und auch keine außerirdische Eisprinzessin. Sie war ein zierliches Kind, das in Peking an einem unmenschlichen Druck zerbrach und einfach nur noch bitterlich weinte. So herzzerreißend, dass sogar die große Katarina Witt im fernen "ARD"-Studio die Tränen nicht zurückhalten konnte.
Die verpasste Medaille, die fehlerhafte Kür, der Dopingverdacht, der auf ihr lastet, dazu noch ihre Trainerin Eteri Tutberidze, die sie - statt Mitgefühl zu zeigen - unmittelbar nach dem Lauf zur Rede stellte - Valieva wirkte mutterseelenallein. So allein, dass es jeden Zuschauer innerlich geschüttelt haben muss. Ein Mädchen, der Welt zum Fraß vorgeworfen, wie es Kati Witt formulierte.
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Kamila Valieva (r.) mit ihrer Trainerin Eteri Tutberidze
Fotocredit: Getty Images
Nach der Notenvergabe wollte Valieva nur noch raus aus dem "Capital Indoor Stadium". Mit versteinerter Miene und leeren Augen passierte sie wortlos die Mixed-Zone, es wirkte wie ein Gang zum Schafott.
Die Olympiasiegerin Anna Shcherbakova hatte mit ihrer Teamkollegin großes Mitleid. "Es war vom ersten Moment an zu sehen, dass die Kür nicht gut läuft. Ich weiß, was das in diesem Moment für eine Sportlerin bedeutet", sagte die letztjährige Weltmeisterin. Etwas überraschend hatte die Trainingspartnerin von Valieva Gold geholt, Alexandra Trusova wurde Zweite und verstand auf Grund der Bewertung die Welt nicht mehr. "Ich hasse diesen Sport", schrie sie immer wieder und verweigerte zunächst die Siegerehrung.
Angesichts der Tragödie um Valieva blieb die Szene jedoch eine Randgeschichte. Die entscheidende Frage ist, wie es nun weiter geht im brisanten Fall.
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Traumlauf zu Gold: Shcherbakova brilliert in der Kür
Quelle: Eurosport
Unterdessen gerät der russische Mannschaftsarzt Filipp Schwezki mehr und mehr ins Zwielicht. Wie der Leiter einer kardiologischen Abteilung eines Moskauer Krankenhauses der russischen Website "Dossier Center" bestätigte, habe weder das verbotene Dopingmittel Trimetazidin noch die erlaubte Substanz Hypoxen eine leistungssteigernde Wirkung.
Da sich aber beide Medikamente leicht nachweisen ließen, so der Arzt weiter, müsse man die medizinische Betreuung der russischen Eiskunstläufer als wenig kompetent einstufen. "Dossier Center" ist eine investigative Website eines im Exil lebenden russischen Geschäftsmanns, die in Russland gesperrt ist. Möglicherweise könnte eine Haarprobe mehr Klarheit bringen.
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Eklat nach Kür: Trusova weint bittere Tränen und verweigert Siegerehrung
Quelle: Eurosport
Valieva wird hoffentlich weiterlaufen dürfen - wenn möglich, ohne dubiose Medikamenten-Cocktails. Und - ganz wichtig - unter neuen Vorgaben. Das aktuelle Reglement begünstigt das Verheizen von jungen Wunderläuferinnen, deren Sprünge während der Pubertät schon nicht mehr richtig funktionieren und die oftmals bereits mit 17 Jahren aussortiert werden.
Die auch von Witt geforderte Heraufsetzung des Mindestalters von 15 auf 18 Jahre ist bislang noch nicht mehrheitsfähig, aber eine Untergrenze von 16 Jahren wäre schon ein wichtiges Zeichen.
Valieva selbst sollte jetzt schnell den Absprung schaffen, in jeder Hinsicht. Fraglich ist nur, ob man sie lässt. "Ich kann nur hoffen, dass sie das verwindet und wiederkommt. In vier Jahren möchte ich sie wiedersehen", sagte Witt.
Auch diesen Wunsch hat jeder Betrachter gefühlt.
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Feuerwerk abgebrannt: Trusova mit fünf Vierfach-Sprüngen zu Silber
Quelle: Eurosport
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Quelle: Eurosport
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