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Werder Bremen: Warum ein Abstieg dennoch verdient wäre

Thilo Komma-Pöllath

Update 15/06/2020 um 13:01 GMT+2 Uhr

5:1 in Paderborn - Werder Bremen steht dennoch nur auf Platz 17 der Bundesliga. Am Ende könnte deshalb die Gewissheit stehen, dass selbst Heiliger Geist, Universum und Wonti nicht ausreichen, um Bremen in der ersten Liga zu halten, findet der LIGAstheniker. Schließlich bewirbt sich Werder schon seit Jahren um die Degradierung in Liga zwei. Der Bremer Weg hat sich zunehmend als Holzweg entpuppt.

Josh Sargent und Werder Bremen liegen aktuell nur auf Rang 17

Fotocredit: Getty Images

Liebe Fußballfreunde,
Es gibt einen Klub, der sich, und sei es in der gefühlten Wahrnehmung, seit Jahren um sein Ticket für die zweite Liga bewirbt. Der Unterschied zur aktuellen Saison ist lediglich: Diesmal könnt’s für Werder wirklich klappen. Daran ändert auch das 5:1 gegen den zweiten mutmaßlichen Absteiger Paderborn nichts.
Es war das erste von vier Endspielen um die Erstligatauglichkeit des Klubs, der sich in seiner Biotophaftigkeit immer gerne als Alternativmodell zum ungezähmten Fußballkapitalismus gesehen hat. Dort die bösen Bayern, hier die aufrechten Bremer - in den 1980er Jahren sind viele auf derartigen Klischee-Unsinn reingefallen, heute kann man schon am Trikotsponsor sehen, dass alle es von jedem nehmen.
Die Bremer tragen unappetitliche Hühnerlegebatterien auf ihrer Brust und glauben immer noch an die unschuldige Dreifaltigkeit. Das ist mindestens: sehr lustig. "Möge der heilige Fußballgeist und das Universum heute für Werder sein", schrieb User "raezel" unter einem Gastkommentar von "SKY-Legende" Jörg Wontorra im "Weser-Kurier", der überschrieben war mit der Zeile: "Heute sind wir alle Werder!" Das war noch vor dem Paderborn-Spiel.
Jetzt kommen Bayern, Mainz und Köln und am Ende könnte die Gewissheit stehen, dass selbst Heiliger Geist, Universum und Wonti nicht ausreichen, um Bremen in der ersten Liga zu halten.

Wo Werder Bremen noch spitze ist

Für die "grüne Wonderwall im Herzen", so schreibt es Jörg Wontorra im "Weser-Kurier", wäre es das Ende eines einmaligen Bundesliga-Rekords, auf den selbst die bösen Bayern neidisch sein dürften. Seit Gründung der Bundesliga hat Bremen lediglich einmal eine Saison – 1980, in der zweiten Liga – verpasst. Werder hat die meisten Bundesligaspiele aller Bundesligisten, das vergisst man aktuell gerne angesichts seiner spitzensportlichen Bedeutungslosigkeit.
Vielleicht hat man als Zuschauer zuletzt auch deshalb einen solchen Bremer Überdruss gespürt, weil man sich das ganze Gekicke von Kohfeldts Mannen nun wirklich nicht mehr anschauen konnte. Werder gehört, neben Schalke, sicher zu der Mannschaft, die in dieser Saison die meisten schlechten Bundesligaspiele abgeliefert hat. Ginge es nach dem LIGAstheniker und nicht nach der Tabelle, würden Schalke und Bremen folgerichtig absteigen.
Die Frage ist: Wer braucht die noch? Und: Ist Werder noch unverzichtbar für diese Liga? "Die Lage ist so dramatisch wie seit 40 Jahren nicht mehr", schreibt der heilige Werder-Geist Wonti, immerhin auch schon 71. Das Dramatische kam aber nicht über Nacht, es hat sich in den vergangenen Jahren kontinuierlich angebahnt.
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Werder-Trainer Florian Kohfeldt hatte gegen Paderborn endlich mal wieder Grund zur Freude. Ob das am Saisonende auch so sein wird?

Fotocredit: Getty Images

Gemütlichkeit als Werder-Markenkern

Als Ex-Nationaltorhüter Dieter Burdenski kürzlich öffentlich machte, dass Kritik bei der Werder-Klubführung als Nestbeschmutzung interpretiert werde, weil bei Werder alle "versippt und verschwägert" seien, wurde er durch die Reaktion auf seine Kritik umgehend in seiner These bestätigt. Das tue weh, so ein wehleidiger Kohfeldt, gerade weil Burdenski ja sonst so freundschaftlich, jovial rüberkomme. Kohfeldt hat wohl gerne Freunde, die keine Kritik üben.
Ob Aufsichtsratsvorsitzender Marco Bode, Geschäftsführer Frank Baumann oder Co-Trainer Tim Borowski – alles stille, sympathische, ganz drollige Ehemalige, die sich seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten einfach nur gegenseitig lieb haben.
Mal das Fenster aufmachen und durchlüften, einen starken Mann von außen holen, um nicht ständig im eigenen Saft zu schmoren, das will man schon deshalb nicht, weil das eine sportliche wie strukturelle Dynamik in sich trägt, die der grünen Gemütlichkeit zu wider läuft. Das ist ja der Markenkern, den es zu bewahren gilt. Das sagt auch Wonti.

Bremer Mangelverwahrung

Über den Kader ließe sich indes stundenlang diskutieren, das tut in Bremen aber offenbar keiner: Zu alt, zu langsam, die falschen Spieler. Da braucht man über Spielsysteme erst gar nicht reden. Dass einer wie Pizarro mit 41 noch einen Profivertrag hat, kann nur in Bremen passieren. Aus Dankbarkeit.
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Der 41-jährige Claudio Pizarro feuert seine Mannschaft beim Spiel in Paderborn von der Tribüne aus an

Fotocredit: Getty Images

Warum man einen Stürmer wie Selke für die gigantische Bremer Summe von acht Millionen Euro holt, wenn man ihn selbst gegen Schlusslicht Paderborn auf die Bank setzt? Ein Fehleinkauf, sagt aber niemand. Spieler wie Bittencourt, Moisander oder auch Klaassen, trotz seiner zwei Treffer, stehen nicht für die Zukunft des Klubs, sondern für seine Vergangenheit.
Bremen ist spitze in der eigenen Mangelverwahrung, das haben sie Stehaufmännchen Kohfeldt zu verdanken. Eine eigene Idee vom eigenen Spiel, das, was Uwe Rösler dem unmittelbaren Konkurrenten um Platz 16, Fortuna Düsseldorf, innerhalb weniger Wochen vermittelt hat, das sucht man in Bremen vergebens.
Düsseldorf geht mit seiner offensiven, attraktiven Spielweise das Risiko, das sich Bremen gar nicht erst zutraut. Dafür braucht man auch Fortune, was ausgerechnet die Fortuna - siehe das unglückliche 0:1 gegen Dortmund - nicht hat. Das ist womöglich die einzige Chance für Bremen auf den Klassenerhalt, auch wenn es soviel Glück gar nicht verdient hat.

Zur Person Thilo Komma-Pöllath:

Der Sportjournalist und Buchautor ("Die Akte Hoeneß") beleuchtet in seinem wöchentlichen Blog "Der LIGAstheniker" das Geschehen in der Fußball-Bundesliga für Eurosport.de. Oft skeptisch, ironisch, kritisch - aber einer muss schließlich den Ball flach halten.
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