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Der LIGAstheniker: Borussia Dortmunds Mittelmäßigkeit und das Schweigen des Matthias Sammer

Thilo Komma-Pöllath

Update 15/02/2021 um 13:47 GMT+1 Uhr

Borussia Dortmund driftet aufgrund der jüngsten Negativerlebnisse in der Bundesliga immer weiter Richtung Mittelmaß ab. Trotzdem sind sowohl die Stars des BVB als auch die Verantwortlichen nach wie vor von einem Turnaround überzeugt. Der LIGAstheniker nimmt sich die Schwarz-Gelben zur Brust und fragt sich, wo eigentlich Matthias Sammer in der Krise steckt. Ein Kommentar von Thilo Komma-Pöllath.

Giovanni Reyna (vorne links), Erling Haaland (vorne rechts) und Co. - Borussia Dortmund

Fotocredit: Getty Images

Liebe Fußballfreunde, es ist dieses ohrenbetäubende Schweigen, das einem als erstes auffällt beim derzeit aus der Kurve katapultierten BVB. Da driftet Dortmund Spieltag für Spieltag immer weiter in die Mittelmäßigkeit ab, die Qualifikation für die Champions League stellt sich ernsthaft infrage und Sportvorstand Michael Zorc schwärmt vom guten, intensiven Training seines Teams, das er jeden Tag beobachten könne.
Die real existierenden Spielergebnisse in jüngster Vergangenheit waren weniger gut und intensiv: Gegen Leverkusen (1:2) und Gladbach (2:4) verloren, in Freiburg (1:2) verloren, jetzt das glückliche Unentschieden zu Hause gegen Hoffenheim. Von 30 möglichen Punkten unter dem neuen Trainer wurden 14 geholt, haben die Statistiker errechnet, das ist amtlich dokumentierte Mittelklasse.
Und? Hat man das Gefühl, dass sich da was regt beim BVB, der nominellen Nummer zwei im Bundesligaland, die auf Rang sechs durchgereicht wurde in die Nachbarschaft von Freiburg und Union Berlin? Irgendeine Diskussion, eine Dynamik, dass man sagen könnte, da kommt noch was, eine Trotzreaktion oder wie auch immer man das nennen will? Bei Mats Hummels klingt das - offenbar eine jecke Karnevalskompensation - dann so: Wir sind auf dem Weg der Besserung. Aha!
Wenn beim FC Bayern ein Flieger nicht pünktlich abhebt, wird eine Staatskrise aufgerufen, Profifußballer zum systemrelevanten Impfsubjekt hochgejazzt, das ist degoutant und realitätsverweigernd, aber: Da steckt Leben drin. Was man beim BVB nun wirklich niemand behaupten kann.

Gespielte Leblosigkeit beim BVB

Um genau diese Leblosigkeit auszumerzen, den Charakter der Mannschaft zu profilieren, das Mentalitätsschwein zu frotzeln, genau dafür hatte Dortmund in den letzten Jahren personell die sportliche Expertise aufgerüstet. Matthias Sammer, kaum als Sportvorstand von den Bayern weg, wurde Berater der Klubführung unter Aki Watzke, Sebastian Kehl, Leiter der Lizenzspieler.
Ehemalige Klubikonen, auch das hatte man sich bei den Bayern abgeschaut, sollten Schritt für Schritt den Abstand der Nummer zwei zur Nummer eins verkürzen. Von Platz sechs aber war nie die Rede. Wer sich noch erinnern mag, mit welcher Vehemenz Sammer immer wieder öffentlich die letzten zwei bis drei Prozent Leistungspotenzial der Roten anmahnte - bei vergleichsweise kleinen sportlichen Dilemmata - der kann jetzt kaum glauben, dass Sammer in Dortmund öffentlich nicht zu vernehmen ist.
Als Watzke 2018 gefragt wurde, was Sammer in Dortmund bewegen solle, verwies er auf dessen "unbequeme, ungeschminkte Analysen". Stimmt! Aber wo sind die eigentlich?
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Manuel Akanji und Mats Hummels vom BVB

Fotocredit: Getty Images

Wo ist Matthias Sammer?

Angesichts der sichtbar nervösen Verfasstheit der Mannschaft auf dem Feld und der gleichzeitig zur Schau gestellten Ruhe Zorcs - Sebastian Kehls Hinzunahme dürfte rein atmosphärische, kosmetische Gründe gehabt haben, der gute Seb kann gar nicht böse, insoweit fällt er in jeder Krise als Manager derselben aus - fällt es einem schwer zu glauben, dass Sammer selbst intern einen Raum findet für seine wuchtigen Motzki-Tiraden, für die er vorher beim DFB oder den Bayern berühmt wurde.
Kommt nicht an, was er zu sagen hat oder darf er schlicht nicht so wie er will? Will Watzke seine sensiblen Kicker nicht einfach noch weiter in ihrem Glauben erschüttern, sie könnten eines nahen Tages das ganz große Ding reißen? Das allerdings, das ganz große Ding, dürfte, nach den jüngsten Erkenntnissen, noch eine weitere Zeitrechnung auf sich warten lassen.
In dieser Woche nun Champions League (in Sevilla) und Ruhrderby (auf Schalke) - es könnte geradezu peinlich werden.

Ist der BVB untrainierbar?

Was also stimmt nicht in Dortmund? Wie konnte aus dem spannendsten europäischen Fußballprojekt, so nannte "ARD"-Kommentator Tom Bartels die Dortmunder Ansammlung an hippen Demnächst-Weltstars wie Erling Haaland, Jadon Sancho, Giovanni Reyna, Jude Bellingham oder Youssoufa Moukoko am ersten Spieltag dieser Saison eine untrainierbare Elf werden?
Eine Analyse, die man so auch in der "WAZ" lesen kann, die immer besonders nah dran ist am BVB. Untrainierbar war für mich immer nur Schalke 04, gut möglich also, dass am Ende dieser Spielzeit der Fußball-Westen als der große Verlierer dasteht - dies- und jenseits der A43.
Dabei sollte das Beispiel Schalke dem BVB doch vor Augen führen, dass eine ausschließlich auf den Trainer gemünzte Diskussion das eigentliche Strukturproblem vernebelt: Dafür ist nicht Edin Terzic verantwortlich, ein offensichtlich begabter, junger Trainer. Untrainierbar meint ja gerade, dass nicht der Trainer, sondern die Mannschaft sich schuldhaft verweigert.
Die Verantwortung dafür tragen Watzke, Sammer und Zorc.

Zur Person Thilo Komma-Pöllath:

Der Sportjournalist und Buchautor ("Die Akte Hoeneß") beleuchtet in seinem wöchentlichen Blog "Der LIGAstheniker" das Geschehen in der Fußball-Bundesliga für Eurosport.de. Oft skeptisch, ironisch, kritisch - aber einer muss schließlich den Ball flach halten.
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