Top-Sportarten
Alle Sportarten
Alle anzeigen

LIGAstheniker - Villarreal-Aus & Kahn-Kritik: Das erschütterte Selbstverständnis des FC Bayern München

Thilo Komma-Pöllath

Update 18/04/2022 um 13:35 GMT+2 Uhr

Das Selbstverständnis des FC Bayern München ist erschüttert. Längst spielen ManCity, Liverpool und Real in ihrer eigenen Liga. Einen Spieler, den die ganze Fußball-Welt will, kriegen die Bayern nicht mehr. Die Münchner zurück in die Riege der großen Klubs zu führen, ist die Aufgabe von Oliver Kahn. Der LIGAstheniker meint: Dass er das schafft, ist in diesen Tagen nicht wahrscheinlicher geworden.

FC Bayern scheitert an Villarreal: Kimmich, Müller, Lewandowski und Kahn (v.l.n.r.)

Fotocredit: Imago

Liebe FußballfreundInnen,
wie schwer erschüttert das Selbstverständnis des FC Bayern gerade ist, lässt sich daran erkennen, dass das, was sie tun, und das, was sie sagen, sich kaum noch deckt.
Er lasse sich von niemanden unter Druck setzen, erklärte der neuen FCB-CEO Oliver Kahn am Wochenende bei den Kollegen vom "Doppelpass" und je länger er sprach, desto mehr bekam man den Eindruck, dass die Kritik der letzten Tage speziell an seiner Person Wirkung zeigt.
Nach dem zu frühen Aus in der Champions League gegen Villarreal wurde vor allem auch seine Performance und Eignung als Vorstandsvorsitzender der Bayern München AG infrage gestellt. Seine Vorgänger, Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge, seien unglücklich mit der aktuellen Situation im Verein, hieß es. Gemeint war Kahn.
Er führe zu wenig, er verkrieche sich in seinem Büro, sei nicht ansprechbar und zeige sich nicht, so die anonyme und diffuse Kritik der vergangenen Tage - und prompt sitzt er als Antwort darauf in einem TV-Studio, was er seit Amtsübernahme so noch nicht gemacht hat, und erklärt sich und seinen Klub in allen Details.
Ob er seiner Agenda damit einen Gefallen getan hat, ist mindestens fraglich.

Bayern - national spitze, international nicht

Die Situation der Bayern ist eine Ausnahmesituation unter den europäischen Spitzenteams und deshalb höchst verzwickt. Das hat gerade auch die Niederlage gegen Villarreal gezeigt. Was in Bielefeld zu einem souveränen Auswärtssieg reicht, reicht eben gegen den Tabellensiebten aus Spanien noch lange nicht.
Viel besser als in der Champions League waren die Bayern auch in Bielefeld nicht.
Viel Ballbesitz, aber wenig Überraschungen, wenig Tempo, hinten immer mal wieder anfällig, zu großzügig bei großen Torgelegenheiten.
picture

Darum sind Nagelsmann Morddrohungen "scheißegal"

Die Bayern spielen eine für ihre Ansprüche eher spießbürgerliche Spielzeit, national reicht das für die Tabellenspitze und neun Punkten Vorsprung, international hat das, wie gerade bewiesen, keine Durchschlagskraft.

Eine Liga kleiner als Manchester City

Wer vor einer Woche das Ligaspiel zwischen Manchester City und Liverpool in der Premier League gesehen hat, der weiß auch, dass die Bayern dort momentan nichts zu suchen haben. Und dort meint: sportlich wie finanziell, auf dem Feld und auf der Ersatzbank.
Der Unterschied zwischen, sagen wir, City und Bayern München ist der, dass es sich der Pep-Guardiola-Club leisten kann, Vermögenswerte von Hunderten Millionen Euro während eines solchen Spitzenspiels auf die Bank zu setzen, während der FC Bayern die großen Vermögenswerte immer spielen lassen muss - schon aus Gründen der Amortisation.
Manchester soll in den vergangenen Jahren unter Guardiola eine Milliarde Euro in seinen Kader investiert haben, natürlich spielt der FC Bayern da in einer anderen Liga.
Eine Liga kleiner.

Bayerns unterfinanzierte Vorstellungskraft

Dass das so ist, ist bekannt. Dass Bayern-CEO Kahn in seinem TV-Studioauftritt ellenlang erklärt, warum der Transfer von Erling Haaland finanziell außerhalb jeder Vorstellungskraft liegt, auch seiner, imprägniert den Eindruck, dass die Bayern immer deutlicher an ihre Grenzen stoßen.
Grenzen, die sie mit ihren Vorstellungen eines soliden, wertschöpfenden, nachhaltigen Fußballs seltener, wenn überhaupt noch, verschieben können. Einen Spieler, den die ganze Fußball-Welt will, kriegt der FC Bayern nicht mehr.
picture

Jamal Musiala überzeugte in Bielefeld auf ganzer Linie

Fotocredit: Getty Images

Und auch der Umstand, dass die Zeichen bei Robert Lewandowski auf Abschied stehen, schlägt in die gleiche Kerbe.
Wenn die Spieler im Dress des FC Bayern zu begehrlich werden für den Markt, dann gehen sie. David Alaba war der Letzte, bei dem das passierte und zu befürchten ist, dass es bei Kingsley Coman oder Jamal Musiala einmal ähnlich sein wird.

Fragmentierter Fußballmarkt

Die Coronapandemie und jetzt der Krieg in der Ukraine, mit all seinen Wirtschaftssanktionen, haben bereits und werden die Finanzierung des europäischen Spitzenfußballs weiter zuspitzen. Das wird auch die Oligarchen-lastige Premier League zu spüren bekommen.
picture

Nagelsmann nach CL-Aus: "Nicht die Schuld beim Gegner suchen"

Wenn das große Geld nicht mehr aus allen Pipelines in den Profifußball gepumpt wird, sondern nur noch aus einigen wenigen, dann droht nicht nur eine Spaltung in arm und reich, sondern selbst innerhalb der Spitzengruppe des internationalen Vereinsfußball eine zunehmende Fragmentierung.

Bayern in eigener Liga - aber in welcher?

Die Bayern spielen in ihrer eigenen Liga, nur ist das nicht mehr als Auszeichnung misszuverstehen. Was, wenn sie im Kreis von Real Madrid & Co. nichts mehr zu suchen haben? Vereine, die namhaft genug sind und denen es egal ist, wo das Geld herkommt, ob von arabischen Scheichs, russischen Oligarchen oder amerikanischen Hedgefonds - Klubs wie Real, ManCity oder Liverpool werden immer genügend Geldquellen auftun.
Wie sich die Bayern dieser Marktdynamik gegenüber behaupten, wird interessant zu beobachten sein. Genau das ist die Aufgabe von CEO Kahn, der neue Geldquellen auftun und im Gespräch mit den Fans - Stichwort Katar - moderieren muss.
Dass ihm das gelingen kann, ist in diesen Tagen nicht wahrscheinlicher geworden.
Zur Person Thilo Komma-Pöllath:
Der Sportjournalist und Buchautor ("Die Akte Hoeneß") beleuchtet in seinem wöchentlichen Blog "Der LIGAstheniker" das Geschehen in der Fußball-Bundesliga für Eurosport.de. Oft skeptisch, ironisch, kritisch - aber einer muss schließlich den Ball flach halten.
Das könnte Dich ebenfalls interessieren: Nur ein "M" überzeugt: Musiala macht Müller mächtig Dampf
picture

"Erzieherische Maßnahme": Nagelsmann begründet Nianzou-Auswechslung

Mehr als 3 Mio. Sportfans nutzen bereits die App
Bleiben Sie auf dem Laufenden mit den aktuellsten News und Live-Ergebnissen
Download
Diesen Artikel teilen
Werbung
Werbung