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Freiburg-Knipser Nils Petersen im Exklusiv-Interview: "Wer freut sich, wenn du im protzigen Privatjet sitzt?"

Dennis Melzer

Update 14/01/2022 um 11:15 GMT+1 Uhr

Nils Petersen ist in Freiburg eine Instituion. Aktuell muss der Rekord-Torschütze des Klubs aber zumeist von außen zusehen, wie seine Kollegen die beste Saison seit 26 Jahren spielen. Im exklusiven Interview mit Eurosport spricht der Angreifer über die Schattenseiten des Fußballs. Zudem kritisiert er die Instagram-Protzereien einiger Kollegen und erklärt "Charakterkopf" Christian Streich.

Nils Petersen vom SC Freiburg

Fotocredit: Imago

Nils Petersen löste vor zwei Jahren keinen Geringeren als Joachim Löw in der vereinsinternen Torjäger-Liste des SC Freiburg ab. Der spätere Bundestrainer erzielte für die Breisgauer wettbewerbsübergreifend 83 Treffer, Petersen steht mittlerweile bei derer 96.
Aktuell muss der 33-Jährige, der sich während seiner Karriere als Edel-Joker einen Namen gemacht hat, zumeist von außen zusehen, wie seine Mannschaftskollegen Erfolg um Erfolg einfahren. Aufgrund einer Verletzung ist Petersen hintendran. "Das schmerzt sehr", verrät er im exklusiven Interview mit Eurosport.
Das Reservisten-Dasein ist aus Petersens Sicht aber nur eine von mehreren Schattenseiten des Profi-Fußballs. Er spricht über Spieler, die nach ihrer Karriere vor dem Nichts stehen und führt aus, wie er einem solchen Szenario entgegenwirkt. Außerdem kritisiert er Profis, die auf Instagram ihren Ruhm zur Schau stellen, nennt seine emotionalsten Momente im alten Dreisamstadion und erklärt, warum nicht nur die Mannschaft "Charakterkopf" Christian Streich gerne zuhört.
Das Interview führte Dennis Melzer.
Nils, Sie fallen nicht unbedingt als mediales Sprachrohr auf, ein Interview von Ihnen schlug jedoch hohe Wellen. Können Sie sich erinnern?
Nils Petersen: Das war ein Interview mit dem Focus. Es war gar nicht meine Absicht, dass das Gespräch hohe Wellen schlägt. Es ging eigentlich um mein Joker-Dasein (lacht).
Sie haben in besagtem Interview erkärt, dass Fußballer nicht sonderlich belesen seien und sich mit eingeschlossen. Sie sagten: "Salopp gesprochen verblöde ich seit zehn Jahren". Wie haben Sie das gemeint?
Petersen: Ich sitze sehr oft mit spannenden Menschen am Tisch. Trotzdem interessieren sich die meisten immer nur für mein Leben. Der Fußball ist in Deutschland eine Religion, das Thema schlechthin, das die Massen begeistert. Manche Menschen kamen mir in den Tischgesprächen zu kurz. Mich hat viel mehr interessiert, was die anderen Leute machen, weil ich mein Leben gar nicht so spannend finde. Andere haben eine Ausbildung gemacht, studiert oder einige Zeit im Ausland verbracht. Wir Fußballer können halt gut kicken und die Menschen unterhalten.
Was ja durchaus auch eine Qualität ist.
Petersen: Ich hatte diesbezüglich tatsächlich viele Gespräche nach meinem Interview. Dadurch ist mir schon bewusst geworden, dass wir Profi-Fußballer Dinge mit auf den Weg bekommen, die andere Menschen vielleicht nicht mit auf den Weg bekommen. Der Job hat also auch durchaus Vorteile. Aber grundsätzlich ist es nicht so, dass wir uns auf der Busfahrt nach Hoffenheim in Bücher vertiefen oder über wichtige politische Themen debattieren. Wir konzentrieren uns auf das Spiel und schalten ab.
Es gab nach Ihrem Interview damals reichlich Kritik aus der Branche. Wie sind Sie damit umgegangen?
Petersen: Die Kritik war für mich okay. Ich stehe nach wie vor zu diesen Aussagen. Interviews sind dazu da, dass man danach darüber diskutieren kann. Wir Fußballer verdienen einen Haufen Geld und trotzdem hat der eine oder andere Probleme, damit hauszuhalten. Die Statistiken, die es dazu gibt, lügen nicht. Ich bin jetzt 33 Jahre und bekomme immer wieder die Frage gestellt, was ich nach dem Fußball mache. Ich muss ständig antworten: "Keine Ahnung". Das ist irgendwie traurig. Es geht vielen so, weil wir uns fast ausschließlich mit dem Thema Fußball befassen und uns so lange wie möglich auf dieser Bühne präsentieren möchten. Aber es geht schneller als man denkt und plötzlich steht man da.

Petersen: "Viele Fußballer haben nie einen Beruf gelernt"

Wie kann man dem vorbeugen?
Petersen: Mittlerweile gibt es viele Vereine, Berater und Organisationen, die sich darum kümmern, ehemalige Fußballer aufzufangen. Die Öffentlichkeit sieht immer nur die sonninge Seite, das Gehalt, den Ruhm – aber dass manch einer auf der Strecke bleibt, wird meistens ausgeblendet. Viele Profifußballer haben nie einen Beruf gelernt, müssen aber eigentlich noch 30 Jahre arbeiten.
Welche Maßnahmen haben Sie ergriffen, um der angesprochenen "Verblödung" entgegenzuwirken?
Petersen: Ich hatte schon vorher meine Maßnahmen. Aber ich bin eifriger Zeitungsleser und versuche, immer auf dem neuesten Stand zu bleiben. Mit den Physiotherapeuten diskutiere ich morgens gerne über die aktuellen Themen. Es ist ein schönes Gefühl, mitreden zu können und es macht Spaß, sich wichtiges Hintergrundwissen anzueignen. Ich lese auch gerne mal ein Buch. Da mein Englisch nie besonders gut war, arbeite ich gerade daran, die Sprache besser zu lernen. Außerdem versuche ich, meine Computer-Affinität zu steigern. Es schadet vor allem nach der Karriere sicherlich nicht, wenn man auf diesem Gebiet bewanderter ist.
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NIls Petersen im Berliner Olympiastadion

Fotocredit: Getty Images

Wie haben Sie die Entwicklung in der Fußball-Welt in den vergangenen Jahren wahrgenommen?
Petersen: Die neue Fußballer-Generation ist anders. Damit will ich nicht sagen, dass die vorherigen Generationen schlecht waren. Die Jungs von heute rauchen nicht, trinken keinen Alkohol und ernähren sich gesund. Die arbeiten mit Ernährungsplänen und privaten Fitnesstrainern. Die sind extrem professionell und darauf fokussiert, das letzte Prozent für den Erfolg herauszukitzeln. Auch in der Schule lassen sie sich nicht hängen, weil sie genau wissen, dass die Vereine sehr viel Wert auf Schulbildung legen. Das finde ich sehr gut. Ich bin gespannt, wie diese Generation dann mit 35 Jahren dasteht.

Petersen: "Ich würde das wahrscheinlich nicht posten"

Der Vorwurf, Fußballer seien mit Sportwagen und PlayStation spielen beschäftigt, hält sich dennoch hartnäckig. Inwiefern nähren Instagram und Co. dieses Klischee?
Petersen: Man sucht sich die Leute aus, denen man folgt. Wenn man Fußballern folgt, die dafür stehen, ihren Ruhm und Reichtum nach außen zu kehren, findet man das Ganze vielleicht cool. Für mich ist das nichts. Ich habe es noch nie gemacht, aber nehmen wir mal an, ich würde mit einem Privatjet durch die Gegend fliegen – ich würde das wahrscheinlich nicht posten (lacht).
Warum nicht?
Petersen: Ich würde mir die Frage stellen: "Wer freut sich denn eigentlich für dich, wenn du in einem protzigen Privatjet sitzt?" Alleine aus ökologischer Sicht ist so etwas uncool und nicht wahnsinnig sinnvoll. Manche brauchen das, manche Fans mögen das auch. Meine Familie und meine Freunde würden mich schief angucken, wenn ich plötzlich in einem getunten Auto herumfahren oder mit einem Privatjet fliegen würde. Wahrscheinlich würde mein Vater mich anrufen und fragen: "Was hast du denn jetzt gemacht?"
Wie bewusst wählen Sie das, was Sie posten aus?
Petersen: Sehr bewusst. Ich versuche, die Fans an einigen privaten Dingen teilhaben zu lassen. Ich glaube nicht, dass meine Follower ein Spielbild von mir sehen wollen. Die wissen ja, dass ich bei Freiburg spiele. Private Themen sind für die Leute wahrscheinlich interessanter. Ich glaube, wenn ich ein Goldsteak essen würde, käme das aber nicht so gut an (lacht). Nach meiner standesamtlichen Hochzeit wurden wir mit einer Limousine durch Freiburg gefahren. Auch so etwas würde ich nicht posten. Klar, es war meine Hochzeit, aber ich suche mir schon aus, was ich poste. Ich habe mir auch mal eine teure Uhr gekauft oder mir eine teure Tasche zugelegt. Aber so etwas würde ich niemals ins Rampenlicht stellen.

Petersen: "Ich vergöttere das Dreisamstadion"

Sie haben sich mit einem emotionalen Post vom Dreisamstadion verabschiedet. Welche Erinnerungen verbinden Sie mit der alten Spielstätte?
Petersen: Mir ist die Verabschiedung wahnsinnig schwergefallen. Ich kenne jeden Zentimeter dieses Stadions und jeden Mitarbeiter hier. Ich habe viele wundervolle Momente und Erfolge gefeiert. Als es hieß, dass ein neues Stadion gebaut wird, war das lange Zeit weit weg und auf einmal war es so weit. Ich vergöttere das Dreisamstadion. Manchmal fahre ich ganz bewusst einen Umweg über den Stadtteil Littenweiler, nur um am Stadion vorbeizukommen. Ich liebe das Umfeld und diese Einfachheit. Klar freuen wir uns über das neue Stadion, aber die Erinnerungen bleiben. Ich würde es mit der Rückkehr ins Elternhaus vergleichen. Man lebt zwar mittlerweile in seiner eigenen Wohnung, die man sich selbst schön eingerichtet hat, aber man freut sich trotzdem darauf, nach Hause zu kommen. Ich bin froh, dass im Dreisamstadion mit den Frauen und der U23 weiter Fußball gespielt wird.
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Nils Petersen traf bei seinem Freiburg-Debüt dreifach gegen Frankfurt

Fotocredit: Getty Images

An welchen Moment denken Sie konkret gerne zurück?
Petersen: An mein erstes Spiel. Ich bin in der Halbzeit eingewechselt worden und habe drei Tore geschossen. Das war etwas ganz Besonderes. Auch das letzte Spiel in der 2. Bundesliga gegen Heidenheim, als wir im Anschluss die Meisterschale überreicht bekamen, wird mir immer in Erinnerung bleiben. Dieser Moment wurde auf einem Bild festgehalten, das nun ganz groß bei mir zuhause hängt. Ich bin eigentlich nicht der wehmütige Typ, aber wenn ich das Bild sehe, kommen Emotionen hoch.
Im neuen Stadion kamen Sie bislang noch nicht oft zum Einsatz, eine Knieverletzung setzte Sie einen Monat außer Gefecht. Wie ist der aktuelle Gesundheitsstand?
Petersen: Es geht mir gut. Es ist schwierig, ohne lange Wintervorbereitung und ohne viel Spielzeit auf ein Top-Level zu kommen, aber insgesamt stehe ich voll im Saft.
In der bis dato besten Saison der Vereinsgeschichte reichte es erst für sieben Kurzeinsätze. Wie sehr schmerzt es, nicht häufiger Teil dieser starken Mannschaft zu sein?
Petersen: Das schmerzt sehr. Immer, wenn ich auf der Bank sitze und das Spiel losgeht, bin ich enttäuscht. Als Fußballer möchte man natürlich seinen Teil dazu beitragen. Aktuell fehlen jedoch die Argumente für jeden Ersatzspieler.
Inwiefern?

Petersen: "Dann würde ich mir schon eher Gedanken machen"

Petersen: Wenn du Dritter oder Vierter bist und die Mannschaft so gut spielt, kann man es sicherlich besser verkraften. Auf der anderen Seite denkt man sich: "Vielleicht würde es mit mir noch besser laufen." Das kann man nie wissen. Würden wir zum Beispiel auf Platz 16 stehen und ich säße ständig auf der Bank, würde ich mir aber schon eher Gedanken machen.
Freiburg hat viele junge Spieler, Sie sind mit 33 Jahren der Erfahrenste im Team. Welche Rolle nehmen Sie ein?
Petersen: Ich habe Spuren hinterlassen, auf die ich stolz bin. Ich muss mich aber nach wie vor tagtäglich beweisen. Die jungen Spieler warten nur darauf, vorbeizuziehen. Ich versuche, mit Toren und meiner Qualität gegenzusteuern. Dafür werde ich bezahlt. Darüber hinaus zähle ich zu den Spielern, die vorneweg gehen und darauf achten, dass die Hierarchie im Team bestehen bleibt. Mir ist auch sehr wichtig, dass die jungen Spieler sich hier gut entwickeln können und dass die älteren Spieler nicht eklig werden, wenn sie nicht spielen.
Sie haben während Ihrer Laufbahn viel erlebt. Was geben Sie jungen Spielern mit auf den Weg?
Petersen: Die jungen Spieler kommen nicht ständig zu mir, um sich Tipps abzuholen. Wenn sie aber doch mal Fragen haben, wissen sie, dass sie ehrliche Antworten bekommen.
Zum Beispiel?
Petersen: Dass es wichtig ist, authentisch und geduldig zu bleiben. Geduld zählt zu den schwierigsten Tugenden im Fußball. Ich muss aber ganz klar sagen, dass die Jungs in Freiburg schon sehr reif und vernünftig für ihr Alter sind. Ich bin erstaunt darüber, wie groß das Selbstvertrauen bei einigen ist. Dieses Selbstvertrauen hatte ich damals nicht – und habe es wahrscheinlich bis heute nicht (lacht).

Petersen: Haben einige Vereine im Standing überholt

Sie spielen seit 2015 in Freiburg und haben viele Leistungsträger gehen sehen. Wie schafft es der SC immer wieder aufs Neue, diese Rückschläge zu verkraften?
Petersen: Die Kontinuität spielt eine ganz wichtige Rolle. Man hat die Gewissheit, dass Christian Streich hier Trainer ist und auch bleiben wird. Hier wird nicht ständig der Aufsichtsrat oder das Präsidium gewechselt. Zudem haben wir nicht die große mediale Begleitung wie andere Vereine. Bei Transfers wird darauf geachtet, Spieler zu holen, die hierher passen. Natürlich schmerzen die Abgänge, aber der Verein, der letztlich auch ein Wirtschaftsunternehmen ist, bekommt dafür gutes Geld. Außerdem ist es schön zu sehen, dass Spieler wie Robin Koch, Caglar Söyüncü oder Matthias Ginter ihren Weg gehen und für Furore sorgen. Sie werden weiterhin mit Freiburg in Verbindung gebracht. Ich habe das Gefühl, dass wir einige andere Vereine mittlerweile im Standing überholt haben.
Was meinen Sie damit?
Petersen: Viele Berater haben Interesse daran, ihre Spieler nach Freiburg zu bringen. Nicht, um sie bloß zu parken, sondern, weil die Spieler sich hier entwickeln können und besser werden. Eine Empfehlung von Christian Streich hat viel Gewicht. Dominique Heintz saß beispielsweise in dieser Saison in Freiburg meistens auf der Bank. Er kam aber locker bei Union Berlin unter. Wir sprechen ja auch hier immerhin von Ersatzspielern des Tabellenvierten und nicht des Tabellen-16. Der Verein hat sich stetig weiterentwickelt, wir wissen aber, dass diese Entwicklung mit harter Arbeit verbunden ist.
Während andere Leistungsträger gingen, sind Sie stets geblieben. Gab es bei Ihnen auch Überlegungen, den Verein zu verlassen?
Petersen: Ich verdanke dem Verein viel und ich glaube, dass der Verein mir auch viel verdankt. Die Zusammenarbeit war immer gut. Aber es gehört zum Fußball dazu, dass man sich auch mal mit einem Wechsel auseinandersetzt. Jeder Arbeitnehmer checkt seinen Marktwert. Manchmal ist man unzufrieden, weil man keine Rolle spielt, manchmal zweifelt man. Dann fragt man sich, was das Beste für einen selbst ist, diese Gedanken nimmt man mit ins Bett. Konkret wurde es aber nie. Für mich war immer klar, dass ich mich an meine Verträge halte, weil der Verein immer fair zu mir war. Der Austausch in Freiburg ist immer gut, Jochen Saier (SC-Sportvorstand, Anm. d. Red.) ist immer in Reichweite und hat ein offenes Ohr.
Sie haben Christian Streich bereits angesprochen. Wie groß ist sein Einfluss auf die Mannschaft und den Erfolg?
Petersen: Enorm groß. Jeder Spieler, der nach Freiburg kommt, weiß, dass er der Chef ist. Er ist derjenige, den man überzeugen muss. Es gab schon Spieler, die das nicht geschafft haben und woanders durchgestartet sind. Christian Streich hat etliche Jungs entwickelt und besser gemacht. Er ist in der Liga mittlerweile eine Marke. Er wurde ja schon häufiger gefragt, ob er nicht mal woanders arbeiten möchte. Ich bin natürlich sehr froh, dass er dem Verein treugeblieben ist, aber es wäre sicherlich interessant, ihn bei einem anderen Klub zu sehen.
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Nils Petersen und Christian Streich

Fotocredit: Getty Images

Christian Streich ist in Deutschland sehr beliebt. Auch aufgrund seiner humorvollen Pressekonferenzen. Wie würden Sie ihn charakterlich beschreiben?
Petersen: Er schaltet nie ab und ist gedanklich immer bei der Mannschaft. Das ist für seine Familie wahrscheinlich nicht einfach (lacht). Er ist ein Charakterkopf und überlegt bis zur letzten Sekunde, ob er alles für den Erfolg getan hat. Wenn wir verlieren, macht er sich Vorwürfe und grübelt. Christian Streich sucht mit uns den Austausch, weil er sich gerne mal Feedback einholt. Er hat sich die Beliebtheit über die Jahre erarbeitet und nutzt seine Reichweite. Ich ziehe meinen Hut vor ihm. Alleine die Energie, die er Tag für Tag, Jahr für Jahr aufwendet, ist beeindruckend. Wenn ich mir Trainer wie ihn oder Diego Simeone von Atlético Madrid anschaue, denke ich mir immer: "Krass, dieses Tempo zu gehen, muss doch wahnsinnig viel Energie kosten." Aber beide halten das schon seit zehn Jahren durch. Respekt!

Petersen: "Früher hätte jeder kleine Verein abgekotzt"

Er ist nicht nur humorvoll, sondern zeigt oft klare Kante gegen rechts oder Verschwörungstheoretiker. Inwiefern schärft eine solche Haltung wichtige Identität?
Petersen: Ich erinnere mich noch daran, dass wir vor sechs Jahren einem Hamburger Oberligisten im DFB-Pokal zugelost wurden. Früher hätte jeder kleine Verein abgekotzt, wenn er den SC Freiburg gezogen hätte, mittlerweile ist die Freude groß. Es hieß: "Ach, wie schön – Christian Streich kommt." Das sagt vieles aus und zeigt, wie angesehen er ist und welchen Beitrag er für den SC geleistet hat. Man muss ganz ehrlich sagen, dass er den Verein über die Jahre größer gemacht hat. Es war kein Spieler oder Präsident, sondern er hat uns mit seiner Art wachsen lassen. Wie viele Menschen gucken seine Pressekonferenzen? Ich glaube, dass es keinen Verein neben Bayern gibt, der solche Abrufzahlen bei Pressekonferenzen in Deutschland hat. Christian Streich hat kein Social Media und verkörpert ein bisschen die alte Schule. Die Leute hören ihm einfach gerne zu, weil er sehr viele sinnvolle Dinge sagt.
Klare Kante zeigt er auch, wenn er zu einer möglichen Champions-League-Teilnahme des SC befragt wird. Er will nichts davon hören. Wie sieht es innerhalb der Mannschaft aus?
Petersen: Die Wahrheit ist, dass es tatsächlich nicht thematisiert wird. Wir genießen den Platz oben an der Sonne natürlich, dass wir zur Winterpause auf Platz drei standen, konnten wir aber selbst kaum glauben. Die Tabellenkonstellation ist aber sehr eng, die Fallhöhe entsprechend groß. Als Gladbach in München gewonnen hat, dachte ich mir: "Oh nein, das hätte aber nicht sein müssen." Weil Gladbach nun einmal näher an uns dran ist als die Bayern.

Petersen: "Wir machen uns wahrscheinlich unglaubwürdig, wenn ..."

Wie sieht dann die Zielsetzung aus?
Petersen: Wir wissen, dass wir eine ordentliche Truppe haben und besser sind als viele andere. Aber uns wurde eingeimpft, dass wir den Blick tendenziell eher nach unten als nach oben richten. Wir machen uns wahrscheinlich unglaubwürdig, wenn wir als Hinrunden-Dritter sagen, dass der Nicht-Abstieg das größte Ziel ist, aber wir haben schon viel erlebt und der Respekt vor der Schnelllebigkeit ist immer da. Dritter oder Vierter zu sein, ist für uns völlig neu. Plötzlich steigt die Erwartungshaltung. Unsere Fans sind zwar intelligent und wissen das einzuordnen, aber manch einer ist unzufrieden, wenn du 2:2 gegen Bielefeld spielst.
Dennoch ist es nicht komplett abwegig, dass am Ende der Saison die Schlagzeile "Freiburg in der Königsklasse" zu lesen ist. Rein hypothetisch: Was löst der Gedanke daran aus?
Petersen: Das wäre gefühlt so fernab der Realität. Wir sind seit vielen Jahren in der Bundesliga, werden aber trotzdem immer noch genannt, wenn es um die Abstiegskandidaten geht. Auf einmal schwimmst du oben mit, während Vereine wie Schalke, Bremen oder Hamburg, die immer vor dir in der Hierarchie standen und wahnsinnig großes Potenzial haben, in der zweiten Liga spielen. Das macht uns stolz. Man darf nicht vergessen, dass wir hier ein ruhigeres Umfeld haben und medial nicht so sehr im Fokus stehen – dennoch würden wahrscheinlich viele Menschen sagen, dass ein fünfter Platz des SC Freiburg mehr wert ist als eine Bayern-Meisterschaft.
Ihr Vertrag ist noch bis zum Sommer gültig. Wie sieht Ihre sportliche Zukunft aus?
Petersen: Heute plant man so, in zwei Wochen plant man wieder anders. Ich mache das auch von meinem körperlichen Zustand abhängig. Der Verein würde mir wohl keine Steine in den Weg legen, wenn ich mich verändern wollen würde. Wahrscheinlich würde er mir auch einen neuen Vertrag anbieten, wenn ich sage, dass ich nochmal angreifen will. Wenn man nicht spielt, ist man enttäuscht, dann kommt das eine oder andere interessante Angebot herein. Darüber denkt man dann nach, obwohl man eigentlich gar nicht weg möchte. Es ist kompliziert. Für mich steht nur fest, dass ich so lange wie möglich auf dem Platz stehen möchte. Deshalb lasse ich mir alle Optionen offen und gebe keine Versprechen ab.

Wechsel nach Katar: "Das kann ich ausschließen"

Viele Spieler wechseln im Herbst ihrer Karriere nach Katar oder China. Käme das für Sie infrage?
Petersen: Das kann ich ausschließen. Katar, Arabische Emirate oder Asien allgemein haben mich nie gereizt. Respekt vor denjenigen, die es machen, aber meine Welt wäre das nicht.
Welche Pläne haben Sie für die Zeit nach Ihrer aktiven Karriere?
Petersen: Ich finde den Bereich Management ganz spannend und bin häufiger mal bei uns in der Geschäftsstelle, wo bravouröse Arbeit geleistet wird. Oliver Leki und Jochen Saier (Sportvorstände beim SC Freiburg, Anm. d. Red.) sind wahnsinnig kompetente Leute, von denen ich gerne lernen würde. Ob sich die Möglichkeit ergibt, bleibt abzuwarten.
Eine Laufbahn als Trainer kommt nicht infrage?
Petersen: Ich möchte dem Fußball treubleiben, aber mit einer Trainerlaufbahn habe ich mich noch nicht auseinandergesetzt. Das reizt mich nicht so sehr.
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