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Thomas Müller beim FC Bayern München nur noch in der Joker-Rolle: Tuchels Spiel mit dem Feuer

Thomas Gaber

Update 04/05/2023 um 09:06 GMT+2 Uhr

Thomas Müller stand gegen Hertha BSC (2:0) erneut nicht in der Startelf des FC Bayern. Trainer Thomas Tuchel begründete dies mit einer pikanten Aussage. Aktuell spricht deshalb wenig dafür, dass "Mr. FC Bayern" eine Zukunft als Stammspieler in München hat. Tuchel ist weit davon entfernt, Müller zu demontieren - dennoch birgt die Personalie an der Säbener Straße stets Konfliktpotential.

So denkt Tuchel über Müller und Gravenberch

Thomas Müller ist selten um Interviews verlegen. Gespräche mit ihm können sich in die Länge ziehen und sehr unterhaltsam werden. Hin und wieder kommt es vor, dass der 33-Jährige auch mal bockt, wenn er Menschen mit Mikrofonen und Kameras sieht. Seiner Raffinesse tut das indes keinen Abbruch.
Als sich Journalisten 2017 nach der Rückkehr des FC Bayern aus dem Trainingslager in Doha am Münchner Flughafen auf die Lauer legten, wählte Müller eine besondere Abwandlung des "Handy-Tricks". Anstelle seines Smartphones hielt er sich seinen Reisepass ans Ohr und täuschte ein Gespräch vor. So entkam er den Fragen der wartenden Presse und konnte einfach an den Kameras vorbeilaufen.
Vergangenen Samstag nach dem 2:0-Sieg gegen Hertha BSC hatte Müller mal wieder keine große Lust auf Interviews, stellte die Medien aber dennoch zufrieden. "Da simmer wieder. Wir holen das Ding! Könnt Ihr so schreiben", rief er in den Katakomben der Allianz Arena - und trollte sich.
Eine weitere elegante Variante, möglichen unangenehmen Fragen aus dem Weg zu gehen. Die wären durchaus angebracht anhand Müllers aktueller Situation beim FC Bayern. Wie schon in den beiden Champions-League-Duellen mit Manchester City stand der 33-Jährige auch gegen Berlin nicht in der Startelf.

Pikante Tuchel-Aussage über Müller

Gegen City begründete Trainer Thomas Tuchel den Verzicht auf Müller damit, dass er "keine typischen Thomas-Müller-Spiele" erwarte. Konkret: Keine Spiele, in denen der FC Bayern omnipräsent ist in den letzten 30 Metern vor dem gegnerischen Tor, dem Raum, in dem Müller laut Tuchel "absolute Weltklasse" ist.
Taktische Überlegungen gegen die aktuell wohl beste Vereinsmannschaft der Welt anzufügen, leuchten ein und sind auch für Müller akzeptabel. Tuchels Erklärung, warum Müller gegen Berlin erneut zunächst außen vor blieb, lässt dagegen aufhorchen.
"Ich wollte mir die Möglichkeit offenhalten, mit Thomas die letzten 30 Minuten zu Ende zu spielen, falls wir da jemanden brauchen würden, der die Erfahrung und einen Riecher hat und der das Selbstvertrauen nicht verliert, weil es gerade noch 0:0 steht", sagte Tuchel.
"Falls wir da jemanden brauchen würden ..." - eine Aussage, die suggeriert, dass Müller generell nicht mehr erste Wahl ist und sich wohl oder übel an die Joker-Rolle gewöhnen muss. Gegen Berlin klappte das ganz passabel: Müller wurde beim Stand von 0:0 eingewechselt, die Bayern schossen noch zwei Tore. An den Treffern beteiligt war er jedoch nicht.
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"Kann jederzeit platzen": Tuchel glaubt an Manés Explosion

Tuchel bindet Müller als zusätzlichen Co-Trainer ein

Tuchel ist nicht der erste Bayern-Trainer, der sich mit der Verwendung von Müller zumindest anfangs schwertut. Auch unter Carlo Ancelotti, Niko Kovac und Julian Nagelsmann musste der Ur-Bayer zunächst immer wieder auf die Ersatzbank.
Kovac leistete sich im Oktober 2019 gar den verhängnisvollen Satz: "Wenn Not am Mann ist, wird er seine Minuten bekommen." Kurze Zeit später war Kovac seinen Job los.
"An Thomas Müller sind schon andere Trainer gescheitert", fasste "Sky"-Experte Lothar Matthäus die aus seiner Sicht prekäre Situation recht drastisch zusammen. Seine Sicht: Wer die van-Gaal-Formel ("Thomas Müller spielt immer") nicht anwendet und an Müllers Legendenstatus rüttelt, bekommt früher oder später Probleme.
Dennoch kann man Tuchel nicht vorhalten, Müller auf irgendeine Weise zu demontieren. Der Coach ist erfahren und sensibel genug, die Angelegenheit richtig einzuschätzen. Und er ist cleverer als seine Vorgänger, indem er Müller auch außerhalb des Platzes eine wichtige Rolle zuweist.
Tuchel holt sich taktischen Input von Müller, bindet ihn auch während der Spiele quasi als zusätzlichen Co-Trainer ein.
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Waren nicht häufig auf einer Wellenlänge: Thomas Müller und Ex-Bayern-Trainer Niko Kovac

Fotocredit: Getty Images

Matthäus spekuliert schon auf Müllers Ende beim FC Bayern

Und dennoch ist die Personalie Thomas Müller beim FC Bayern immer auch ein Politikum. Kein Spieler verkörpert den Verein ansatzweise so stark wie Müller, die Fans ist er die letzte verbliebene bayrische Identifikationsfigur. Bayern ohne Thomas Müller - für viele unvorstellbar, für Matthäus möglicherweise aber schon bald Realität.
"Tuchel sieht in diesem Kader wohl nicht die ideale Position für ihn, Wenn man nach der Saison eine Analyse macht und der Trainer sowohl der Mannschaft als auch den Verantwortlichen erklärt, was er sich für die kommende Saison wünscht und vorstellt, dann würde es mich überraschen, wenn Müller plötzlich wieder zum Stammspieler wird", schrieb Matthäus in seiner "Sky"-Kolumne: "Und dann ist wohl der Punkt erreicht, an dem er sich den Transfermarkt mindestens ganz genau anschaut, um nicht zu sagen geht. Denn das macht er nicht mit."
Dass Müller Gefahr läuft, seinen Status als Stammspieler unter Tuchel dauerhaft zu verlieren, hat zwei Gründe. Jamal Musiala hat ihn auf der Position hinter dem Mittel- und neben den Flügelstürmern ersetzbar gemacht, auch wenn der 20-Jährige derzeit in einem Leistungsloch steckt.

Müller fehlt ein Partner wie Lewandowski

Zum anderen setzt Tuchel auf Positionstreue, was einem unkonventionellen Freigeist wie Müller nicht entgegenkommt. "Wenn man in einem 4-2-3-1 spielt, mit einem klaren 6er, einem 8er und einem 10er, dann kann man zu dem Schluss kommen, dass Müller kein Spieler ist, der einer dieser Positionen eindeutig zugeschrieben werden kann. Er ist eine Neuneinhalb, der ideal um einen Zielspieler wie Robert Lewandowski herumschwirrt", argumentiert Matthäus.
Tuchel hat Müller entsprechend eingesetzt, allerdings mit überschaubarem Erfolg. Was aber auch daran liegt, dass weder Sadio Mané, noch Serge Gnabry nur ansatzweise die Qualität eines Lewandowski haben, wovon auch Müller in den letzten Jahren profitiert hat. Und daran, dass Eric Maxim Choupo-Moting verletzt fehlt.
Müllers mittelfristiger Wert für Tuchel hängt auch mit der Frage zusammen, ob sich der Klub im Sommer einen "echten" Mittelstürmer von Weltrang leisten will.
Müllers Vertrag in München läuft noch bis 2024. Dass die kommende Saison seine letzte beim FC Bayern sein wird, scheint nicht mehr gänzlich ausgeschlossen.
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