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FC Bayern: Harry Kane wirbelt vorne, aber hinten laue Luft - das sind die Tuchel-Baustellen vor Saisonstart

Dennis Melzer

Update 17/08/2023 um 19:10 GMT+2 Uhr

Das Transfer-Theater um Harry Kane bestimmte wochenlang die Berichterstattung um den FC Bayern München. Am Ende glückte den Bayern der 100-Millionen-Euro-Coup, eine Statement-Verpflichtung, die allerdings auch ein wenig die Sicht aufs Wesentliche versperrte. Mit dem Kane-Transfer schlossen die Bayern nämlich nur eine Baustelle im Kader - drei andere wurden im Supercup nochmals mehr als deutlich.

Tuchel stellt klar: "Der Kane-Effekt wird nicht verpuffen"

Die Geschichte des neuen Messias beginnt in einem Ortsteil der Gemeinde Weßling, im Landkreis Starnberg. Genauer gesagt auf dem Rollfeld des Sonderflughafens Oberpfaffenhofen.
Hier betrat Harry Kane am Freitagabend erstmals bayrischen Boden. Zuvor hatten Zehntausende seinen Flug von London Stansted virtuell via Flightradar verfolgt, der Boulevard jeden erdenklichen Reiseschritt live mitgetickert. "Er hebt ab", "Kane-Flieger über Frankreich", "Kane über deutschem Boden", "Kane ist gelandet".
Fans pilgerten zur Säbener Straße – und freuten sich, als ihr neuer Hoffnungsträger um 1:00 Uhr morgens sein heiliges Haupt aus dem Fenster streckte, um den Wallfahrern zu winken. Mehr als 100 Millionen Euro war den Bayern der Neue wert.
Ein Zeichen an die Konkurrenz, dass der qua Selbstverständnis bodenständige Klub aus der "Weltstadt mit Herz" sehr wohl auch in der Lage ist im kostspieligen Konzert der Betuchten mitzuspielen.
Der Kane-Hype ist real, die Trikot-Verkäufe gingen durch die Decke. Riesige Vorfreude, Schulterklopfen bei den Verantwortlichen - aber auch eine große Gefahr: Dass der Kane-Trubel die Sinne vernebelt. Der Mittelstürmer schließt nämlich nur eine Baustelle. Eine Baustelle von vielen.

1.) Rechtsverteidiger

Auf der Rechtsverteidiger-Position war Trainer Thomas Tuchel um einen Spieler bemüht, der sofort weiterhelfen kann. Die Wunschlösung hieß Kyle Walker. Der ManCity-Star hatte sich angeblich bereits mit den Bayern auf einen Wechsel verständigt. Letztlich guckten die Münchner aber in die Röhre - Walker hielt seinem Arbeitgeber die Treue.
In der ersten Halbzeit im Super-Cup gegen Leipzig setzte Tuchel deswegen auf Defensiv-Allrounder Benjamin Pavard. Der Franzose, der viel lieber als Innenverteidiger zum Einsatz kommt, überzeugte dabei nur leidlich.
Im Duell mit den Roten Bullen zog Pavard oft den Kürzeren, immer wieder fuhren die Sachsen ihre Angriffe über die Seite des 27-Jährigen. Dass Tuchel Pavard überhaupt sein Vertrauen schenkte, sorgte bei einigen Fans für Unmut.
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Benjamin Pavard

Fotocredit: Getty Images

Der Grund: Pavard will den Verein unbedingt noch in diesem Sommer verlassen. Mit Manchester United soll er sich schon einig sein. Bayern will ihn nicht hergeben; da Pavard aber nur noch bis 2024 Vertrag hat, droht ein ablösefreier Abgang kommenden Sommer - was Bayern letztlich doch noch dazu bewegen könnte, Pavard bis 1. September zu verkaufen.
Nach dem Ende der Leihzeit von João Cancelo und der Absage von Walker blieben Tuchel dann nur noch zwei Optionen: Noussair Mazraoui und Josip Stanisic - eine passable, aber keine optimale Lösung.
Mazraoui kam gegen Leipzig zur Halbzeit und zeigte einige vielversprechende Offensivaktionen. Grundsätzlich scheint Tuchel auf den Marokkaner zu bauen; nach anfänglichem Unmut, den Mazraoui in der Mixed-Zone hin und wieder unverblümt kundtat, sind die Wogen geglättet.
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Tuchel gibt Update zu Pavard: "Es liegt kein Angebot vor"

"Ich verstehe mich gut mit dem Coach. Das ist jetzt eine neue Saison, ein Neustart. Es liegt nur an mir, wo ich spiele", sagte Mazraoui kürzlich. Er wolle sich künftig auch nicht mehr beschweren, wenn er nicht spielen sollte. Sein Ziel sei dennoch ein Stammplatz.
Dass die Münchner zwei Wochen vor Schließung des Transferfensters noch einmal für einen Rechtsverteidiger in die Vollen geht, ist indes unwahrscheinlich. Ein gewisses Risiko birgt die aktuelle Personalkonstellation aber definitiv.

2.) Torhüter

Noch viel prekärer ist die Lage im Münchner Tor - denn wann Manuel Neuer nach seiner schwerwiegenden Ski-Verletzung zurückkehrt, steht noch immer in den Sternen. Mehrfach wurden mögliche Comeback-Daten nach hinten korrigiert.
Auch Vorstandschef Jan-Christian Dreesen konnte am vergangenen Samstag nicht für Klarheit sorgen: Neuer solle "im zweiten Halbjahr dieses Jahres" zurückkommen, gab er zu verstehen. Viel vager geht es nicht, immerhin ist das zweite Halbjahr schon anderthalb Monate alt.
Eben weil die Neuer-Rückkehr völlig offen ist, Yann Sommer und Alexander Nübel das Weite gesucht haben, waren die FCB-Verantwortlichen auf der Suche nach einem Vertreter. Kepa Arrizabalaga wäre ein Keeper gewesen, auf den die gewünschte Stellenausschreibung gepasst hätte. Kepa heuerte jedoch bei Real Madrid an.
Bayern-Boss Dreesen war sich da noch sicher, dass "wir bis zum 1. September eine Lösung finden werden". Stefan Ortega (30) von Manchester City wäre eine Option, hier signalisierten die Engländer aber ebenso wie bei Walker bis dato keine Verhandlungsbereitschaft.
"Wir wollen ihn weder verkaufen noch verleihen", machte City-Trainer Pep Guardiola deutlich: "Wir müssten dann einen neuen Torwart holen. Das ist nicht einfach in zwei Wochen. Wir wollen, dass er noch viele Jahre bei uns bleibt."
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Pep wird wegen Bayern-Interesse an Ortega deutlich: "Tut mir leid"

Der ablösefreie David de Gea (32/zuletzt Manchester United) wäre eine weitere Option, hat aber Gehaltsvorstellungen in Top-Spieler-Regionen.
Das sorgte nun offenbar dafür, dass Bayern mangels passender Alternativen alles auf die Karte Neuer setzt - mit Sven Ulreich als Platzhalter. Beim Bundesliga-Auftakt gegen Werder Bremen (Fr., 20:30 Uhr im Liveticker) steht jedenfalls der ehemalige Stuttgarter zwischen den Pfosten - Fortsetzung bis zur Winterpause nicht ausgeschlossen.

3.) "Holding Six"

Die "Sport Bild" erklärte Tuchels öffentliches Fordern eines neuen Sechsers als "das Reizthema bei den Bayern". Demnach seien sowohl die Bosse als auch die Spieler mittlerweile genervt davon, dass der 49-Jährige keine Gelegenheit auslässt, die Notwendigkeit eines defensiven Mittelfeldspielers zu unterstreichen.
Geht es nach Joshua Kimmich, dann hat Tuchel den idealen Sechser schon im Kader: Joshua Kimmich. "Ich bin ein Sechser", gab der Nationalspieler nach dem Testspiel gegen den FC Liverpool (4:3) zu verstehen. Tuchel sieht das Ganze aber anders - und hat damit nicht ganz Unrecht.
"Joshua ist der strategische Typ, der am liebsten alles machen würde und auch prinzipiell alles machen könnte", sagt der Trainer: "Er bringt viel Qualität ins Team rein, aber er hat immer noch nicht die DNA eines defensiven Sechsers. Er mag es gerne, sich frei zu bewegen, er versucht, überall zu helfen und mag es, überall involviert zu sein."
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Teil der Sechser-Debatte: Joshua Kimmich

Fotocredit: Getty Images

Dass den Bayern eine so genannte "Holding Six", also ein defensiv denkender Balancespieler fehlt, wurde im Supercup einmal mehr offensichtlich. Die altbekannte Problematik der fehlenden Restverteidigung nutzte der amtierende DFB-Pokalsieger eiskalt aus, Leipzigs Umschaltspiel stellte die Bayern vor viele Probleme.
Aber: Tuchels Rufe nach einer neuen Sechs scheinen zu verhallen. Zwar gibt es Gerüchte um Aurélien Tchouaméni (Real Madrid), Ibrahim Sangaré (PSV Eindhoven), Marco Verratti (PSG) oder Wilfred Ndidi (Leicester City), konkret sind diese aber bislang nicht.
Denn spätestens nachdem sich die Verpflichtung von Tuchels Ideallösung Declan Rice (für 117 Millionen Euro zum FC Arsenal) zerschlagen hatte, richteten Dreesen, Uli Hoeneß und Co. ihren gesamten Fokus auf Kane aus - und verloren andere elementare Baustellen ein bisschen aus den Augen.
Bis zum 1. September hat die bayrische "Transfer Taskforce" jetzt noch nur knapp zwei Wochen Zeit, um weitere Baustellen zu schließen.
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Farmers League? Kane sieht Bundesliga als "Herausforderung"

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