DFB-Team: Bundestrainer Joachim Löw sucht dringend einen Führungsspieler

Mit blutverschmiertem Gesicht peitschte Schweinsteiger seine Mannschaft nach vorne. Im WM-Finale gegen Argentinien kämpfte, grätschte und biss der Bayern-Profi in allen Aktionen. Spätestens seit diesem Spiel hat Schweinsteiger seinen Ruf als wahrer Anführer untermauert.

Beim Spiel in Dublin sollte der 31-Jährige gemeinsam mit Toni Kroos auf der Doppelsechs nach hinten absichern, so wie zuletzt gegen Polen (3:1) und Schottland (3:2). Der Mittelfeldmann zog sich aber im Abschlusstraining eine Adduktorenverletzung zu und fiel aus.

"Bastian geht es ein bisschen besser. Wir werden heute Abend oder morgen früh entscheiden, ob er auflaufen kann", erklärte Löw mit Blick auf das Spiel am Sonntag gegen Georgien (ab 20:45 Uhr im Liveticker bei eurosport.de). Sein Team benötigt noch einen Punkt, um sich endgültig für die EM 2016 in Frankreich zu qualifizieren.

Wer kann Schweinsteiger ersetzen? Im Moment drängen sich nicht viele Alternativen auf. Bei der überraschenden Niederlage gegen Irland - der ersten einer deutschen Nationalmannschaft seit 56 Jahren in Dublin - blieben viele DFB-Kicker blass.

Der Eindruck entstand, dass niemand auf dem Platz Verantwortung übernehmen wollte. Mesut Özil träumte wieder einmal vor sich hin und tauchte in der zweiten Halbzeit ab. Kroos versteckte sich lieber hinter seinen Mitspielern, anstatt aufs Tor zu schießen.

Erst gegen Ende des Spiels setzte Kroos zu zwei Distanzschüssen an. Viel zu spät. Zu diesem Zeitpunkt war der deutschen Mannschaft das Spiel gegen kämpferisch starke Iren bereits entglitten. "Wenn man verliert, hat man von außen immer das Gefühl, welche Spieler haben das Heft in die Hand genommen und welche Spieler haben das Spiel an sich gerissen?", so Löw.

"Das Bemühen und das Unterstützen der einzelnen Spieler war ja vorhanden. Wir haben nach der WM drei Spieler verloren, die prägend für die Mannschaft waren. Das ist bereits ein Jahr her. Mittlerweile hat sich einiges in der Mannschaft verändert. Andere Spieler sind nachgerückt. Aber ganz ehrlich, wir haben Spieler, die diesen Aufgaben absolut gerecht werden."

Thomas Müller wirkte bemüht. Gegen Irland sah "Magic Müller" aber keinen Stich. Er forderte immer wieder die Bälle. In den letzten 25 Minuten hatte sich der Angreifer den Mund aber fusselig geredet. Mario Götze musste bereits nach einer halben Stunde vom Platz - und fällt knapp zwölf Wochen aus.

Ebenso wie Kroos war vom zuletzt überragenden Ilkay Gündogan nichts zu sehen. Die Position auf der Doppelsechs neben Kroos passte dem BVB-Profi überhaupt nicht. Beim 3:2-Sieg gegen Schottland agierte er im offensiven Mittelfeld viel spritziger und ideenreicher.

Überhaupt dominierte der Schlendrian bei Gündogan. Bei Mats Hummels klaffen sogar Anspruch und Wirklichkeit auseinander. Sein Anspruch ist es, Führungsspieler zu sein. Mit Stellungsfehlern wie beim 0:1 durch Shane Long (70.) ist er davon weit entfernt. Jonas Hector und Matthias Ginter waren ebenfalls bemüht. Beide Außenverteidiger dürften den höchsten internationalen Ansprüchen aber nicht genügen. Einzig Manuel Neuer und Jerome Boateng strahlten auf dem Platz Führungsqualitäten aus.

"Hinter Bastian haben wir Manuel. Er ist ein Spieler, der wahnsinnig für die Mannschaft denkt, der für das Spiel denkt, für die Organisation. Der andere Spieler mitzieht. Thomas Müller ist ebenfalls so ein Spieler. Mittlerweile auch Jerome Boateng", erklärte Löw.

Nach dem Spiel nahm sich Boateng BVB-Profi Hummels zur Brust und kritisierte seinen Fauxpas als "Anfängerfehler". Klare Kante vor dem Endspiel gegen Georgien. Aber Löw hat ein viel größeres Problem. Hinter Schweinsteiger, Neuer und Müller wachsen kaum Alphatiere nach.

Sami Khedira befindet sich bei Juventus auf dem Weg der Besserung. Bei seinem Serie-A-Debüt gegen Bologna (3:1) erzielte er einen Treffer, steuerte einen Assist bei und wurde als neuer Pirlo gehypt. Doch der 28-Jährige ist häufig verletzt. Zuletzt setzte ihn ein Muskelfaserriss knapp drei Monate außer Gefecht.

"Mittlerweile haben wir eine andere Art von Führungsspielern. Miroslav Klose, Philipp Lahm oder Per Mertesacker hatten mit ihrer Art und Weise immer großen Einfluss. Das haben die Spieler, die jetzt die Führung übernommen haben, genauso. Wie auch ein Sami Khedira, der im Moment nicht dabei ist. Die haben schon wahnsinnig viel Einfluss", so Löw.

In Zukunft könnte Christoph Kramer in eine ähnliche Rolle hineinwachsen, aber Löw hat keinen Platz in seinem Team. Beim 3:2-Sieg gegen Schottland kam der Leverkusener erst in der Nachspielzeit für Mesut Özil (90.+2) auf den Platz. Insgesamt absolvierte Kramer im DFB-Team nur elf Einsätze.

Löw benötigt mit Blick auf die EURO 2016 dringend Alphatiere, die ihre Mitspieler auf dem Platz mitziehen und eine Partie an sich reißen können. Für die Balance im Team sind Typen wie Schweinsteiger unersetzlich. Einer wie Ex-Kapitän Lahm, der seinen Laden immer im Griff hatte.

Nun liegt es an jedem einzelnen Spieler, sich bei Löw zu beweisen, um endlich aus dem eigenen Schatten zu treten. Sich nur darauf zu verlassen, dass es der Nebenmann schon richtet, wird mit Blick auf den angestrebten Titelgewinn 2016 in Frankreich nicht funktionieren.