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Spanien vs. Deutschland - Drei Dinge, die auffielen: Ein Häufchen Elend

Marc Hlusiak

Update 18/11/2020 um 16:41 GMT+1 Uhr

Die deutsche Nationalmannschaft erlebt zum Abschluss des Länderspieljahres 2020 ein historisches Debakel und geht mit 0:6 (0:3) im spanischen Sevilla unter. Vor allem defensiv präsentiert sich das Team von Bundestrainer Jogi Löw verheerend, die Spanier erwischen einen echten Sahnetag. Sorge machen zudem zwei langjährige Leistungsträger der deutschen Mannschaft. Drei Dinge, die auffielen.

Geschlagene DFB-Spieler - Spanien vs. Deutschland

Fotocredit: Getty Images

Seit 89 Jahren hat die deutsche Nationalmannschaft nicht mehr so deftig auf die Mütze bekommen wie an diesem Dienstagabend in Sevilla gegen Spanien. 0:6 hieß es am Ende eines Abends, der mit "ernüchternd" nur unzulänglich beschrieben ist.
Im "Finale" um den Gruppensieg in der Nations League in Spanien hatte das taumelnde Team von Bundestrainer Joachim Löw von Beginn an nicht den Hauch einer Chance und verließ nach einer denkwürdigen Pleite schwerst gedemütigt den Platz. Die höchste Niederlage seit 1931 (0:6 gegen Österreich) verfolgte Löw geschockt und versteinert an der Seitenlinie.
"Es war alles schlecht und wenn ich das sage, dann meine ich das auch so”, bilanzierte ein sichtlich angeschlagener Bundestrainer nachher in der "ARD" und fasste das Geschehene kurz und knapp mit "ein rabenschwarzer Tag" zusammen.
Was uns bei Deutschlands historischer Pleite in Spanien auffiel.

1.) Defensiv ein Häufchen/Haufen Elend

Schon vor der Partie galt die Defensivreihe der deutschen Nationalmannschaft als Problemzone im Kader. Die 13 Gegentore in den sechs Nations-League-Spielen unterstreichen das relativ deutlich.
Gegen den stärksten Gegner in Gruppe 4 der A-Liga gab Bundestrainer Joachim Löw daher eine etwas zurückhaltendere Marschrichtung vor. "Unser Plan war es, erstmal kompakt zu stehen und nicht vorne anzugreifen", verriet ein ratloser Toni Kroos nach der Partie, stellte aber fest, dass man "defensiv keinen Zugriff" bekommen habe. Stattdessen hätten die Spanier eindrucksvoll zur Schau gestellt, "wie man anläuft und verteidigt".
Schon beim 0:1 durch Álvaro Morata wurde deutlich, dass es der DFB-Elf defensiv an vielem, womöglich an allem fehlte. Ein im Raum verteidigter Eckball (4-2-Formation) ließ den 1,89 Meter großen Morata letztlich am langen Pfosten auf den 14 Zentimeter kleineren Serge Gnabry treffen. Ein ungleiches Duell, das der Juve-Stürmer zur Führung nutzte (17.).
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Leon Goretzka, Serge Gnabry und Niklas Süle (v.l.n.r.)

Fotocredit: Getty Images

In der Folge kamen die Hausherren, begünstigt durch die Passivität der deutschen Mannschaft, fast im Minutentakt zu gefährlichen Offensivaktionen. Vor allem Philipp Max, der die vorangegangenen Partien gegen Tschechien (1:0) und die Ukraine (3:1) für Eigenwerbung genutzt hatte, wirkte gegen den ersten großen Gegner in seinem dritten Länderspiel heillos überfordert. Es ist kein Zufall, dass sein direkter Gegenspieler Ferran Torres gleich dreifach traf.
"ARD"-Experte Bastian Schweinsteiger sah die "gesamte Rückwärtsbewegung" der Mannschaft als Grund für die Überforderung der Viererkette, die letztlich einen bemitleidenswerten Jubilar Manuel Neuer (96. Länderspiel, deutscher Rekordtorwart) im Regen stehen ließ.
Die Schuld schob der Kapitän kurz nach Spielende jedoch keinem bestimmten Mannschaftsteil und ganz sicher keiner Einzelperson in die Schuhe: "Ich bin Teil der Mannschaft. Wir reden nur von dem Wir. Wir haben es zusammen vergeigt. Die Körpersprache und die Kommunikation waren zu wenig."
Und ohne Kommunikation sieht gegen furios aufspielende und bis in die Haarspitzen motivierte Spanier, die 70 Prozent Ballbesitz, 23:2 Abschlüsse, 10:1 Schüsse aufs Tor und eine Passquote von 94 Prozent vorzuweisen hatten, fast jede Defensive aus wie ein Häufchen Elend.

2.) Kroos und Gündogan: Keine Führung, keine Kommunikation

Löw setzte im Dreiermittelfeld, in dem Joshua Kimmich nach seiner Meniskusoperation verletzt fehlte, auf Erfahrung. Zusammen mit Leon Goretzka liefen dort Toni Kroos (101. Länderspiel) und llkay Gündogan (42. Länderspiel) jene Spieler auf, die neben Torwart Neuer im aktuellen Kader die meisten Einsätze für die DFB-Auswahl vorweisen können - geholfen hat es nichts.
Sowohl Real Madrids Kroos, als auch ManCity-Star Gündogan reihten sich nahtlos in die schwächsten 90 Minuten einer deutschen Nationalmannschaft seit langer Zeit ein. Was jedoch deutlich schwerer wog als der rein sportliche Ausfall, war das fehlende Aufbäumen, die viel besungene Mentalität, die Führungsspieler besonders dann auszeichnen sollte, wenn es eben mal nicht so läuft.
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Toni Kroos und Koke (r.)

Fotocredit: Getty Images

"Gerade von solchen Spielern erwartet man, dass sie die Mannschaft an die Hand nimmt und anführt und das hat man heute nicht gesehen", formulierte Schweinsteiger seine Kritik an den Weltstars, die es zum Nations-League-Abschluss zu keinem Zeitpunkt vermochten, die Köpfe ihrer Mannschaft aufzurichten. Neuer schlug in dieselbe Kerbe und sprach ein weiteres Problemfeld gleich mit an: "Wir hätten mehr sprechen müssen. Es ist ganz wichtig, dass man sich gegenseitig unterstützt. In Sachen Kommunikation und in Sachen Führung war das zu wenig."
Es war auffällig, dass im weiten Rund des Estadio Olimpico de la Cartuja kaum deutsche und stattdessen fast ausschließlich spanische Worte zu vernehmen waren. Schwer zu glauben, dass es mit Spielern wie Kimmich oder auch Thomas "Radio" Müller ähnlich wortkarg in den deutschen Reihen zugegangen wäre.

3.) La Roja ist zurück

Spaniens Nationalcoach Luis Enrique ist ein Gentleman. "Deutschland ist und bleibt eine der weltbesten Mannschaften", schwärmte der 50-Jährige voller Respekt von der Mannschaft, die er gerade mit 6:0 aus dem Stadion geschossen hatte. Und dennoch schwang in den Aussagen des ehemaligen Barcelona-Coaches auch etwas Verwunderung mit, denn: "Kimmich ausgenommen, haben sie heute eigentlich mit ihrer besten Mannschaft gespielt." Das kann man durchaus so sehen und zeigt bei aller Kritik an der DFB-Elf eben auch, welch famose Leistung La Roja auf den Rasen brannte.
Allein die Statistik beeindruckt: 70 Prozent Ballbesitz, 23:2 Abschlüsse, 10:1 Schüsse aufs Tor, 949 Ballkontakte und eine Passquote von 94 Prozent. Wow.
Die Iberer waren in allen Bereichen des Spiels besser. Angefangen vom offensiven Pressing, das die Mannschaft von Enrique ab der ersten Spielminute konsequent durchzog. "Spanien hat uns alles vorgemacht: Mit Ball, ohne Ball", zeigte sich Kroos nach Spielende beeindruckt.
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Die spanische Nationalmannschaft

Fotocredit: Getty Images

Die Spanier versprühten über die gesamten 90 Minuten die pure Lust, die Nations-League-Gruppe zu gewinnen. Spannung, Körpersprache, Aggressivität - all das, was der DFB-Elf fehlte, strahlte der Weltmeister von 2010 aus. Hinzu kommt eine gewisse Kaltschnäuzigkeit vor dem Tor. Von zehn Schüssen auf den Kasten von Manuel Neuer fanden auch deswegen sechs den Weg ins Netz, weil nicht nur Dreierpacker Torres einen Fabeltag erwischte, sondern Spanien als Kollektiv funktionierte.
So bitter sich das auch aus deutscher Sicht anhört, aber auf Spanien werden im Hinblick auf die Europameisterschaft auch wieder schwierigere Aufgaben zukommen. Mit einer Leistung wie der gegen das DFB-Team ist jedoch beim anstehenden Turnier durchaus wieder etwas drin.
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