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WM 2022 - Holger Badstuber-Kolumne: Lionel Messi ist unbesiegbar und mit Argentinien endlich titelreif

Holger Badstuber

Update 10/12/2022 um 23:35 GMT+1 Uhr

Eurosport-Experte Holger Badstuber hat beim verrückten Viertelfinal-Freitag mit den dramatischen Duellen zwischen Brasilien und Kroatien sowie Argentinien gegen die Niederlande eine Wandlung von Lionel Messi festgestellt. In seiner WM-Kolumne erklärt er, warum der Superstar kaum zu stoppen ist. Gleichzeitig bringt er eine interessante Option für seinen ehemaligen Förderer Louis van Gaal ins Spiel.

WM-Drama gegen Argentinien - so reagiert Oranje-Knipser Weghorst

Servus, Fußball-Freunde!
Ich liebe Fußball. Das ist schon lange kein Geheimnis, doch am späten Freitagabend nach zwei turbulenten Viertelfinal-Duellen wurde ich in diesem Gefühl wieder einmal bestätigt. Erst kämpft Kroatien Brasilien nieder, dann ärgern die Niederlande die Argentinier: Das war legendärer, verrückter Fußball, der mitreißt und aufwühlt. Das war Drama, Romantik, Thriller!
Wer aber denkt, ich sitze deshalb schreiend vor dem Fernseher, der irrt. Bei mir läuft so ein Fußball-Abend eher analytisch ab.
So sind mir auch einige Dinge aufgefallen, vor allem bei Lionel Messi. Sein ekstatischer Jubel nach dem Sieg im Elfmeterschießen, die Geste vor der niederländischen Bank, das Pöbeln im TV-Interview hat viel ausgesagt. Er hat gesehen, wie viele argentinische Fans da waren, er war im Moment des Triumphs emotional aufgeladen, das schmälert seine Klasse keineswegs.
Es zeigt nur noch deutlicher, wie sehr es in ihm arbeitet, wie sehr er diesen WM-Pokal bei seinem letzten Versuch will. Das strahlt er mit jeder Pore aus. Und die Chance darauf ist in diesem Jahr so groß wie lange nicht mehr. Er trägt die Nation, die Nation trägt ihn. Messi ist reif für den Titel.

Dieser Messi ist unbesiegbar

Wichtigste Erkenntnis für Argentinien bei dieser WM: Das Konstrukt um Messi herum passt. Jeder arbeitet für ihn, um ihm Raum für geniale Momente zu ermöglichen. Das war nicht immer so und kann jetzt der entscheidende Faktor auf dem Weg ins Finale werden.
Messi selbst hat sein Spiel, je älter er wurde, immer wieder entwickelt und verändert. Er weiß, dass die Mannschaft ihn auch in der Defensive vorne als erstes Glied des Abwehrverbunds braucht. Er war sich nicht zu schade, mehr Meter als sonst zu machen. Sein Aufwand im Spiel gegen den Ball war deutlich mehr als noch in der Vorrunde des Turniers. Mit dem Ball am Fuß ist er sowieso fast unbesiegbar.
2012 stand ich ihm in einem Länderspiel mit Deutschland als Verteidiger selbst auf dem Rasen gegenüber und habe gedacht: Das, was er macht, hat tatsächlich etwas von Magie. Er sieht die Dinge weit voraus, spielt die Bälle hervorragend ab.
Messi findet aus dem Augenwinkel eine Lücke, die sonst nur ganz wenige sehen. Das ist eine Gabe und macht den Unterschied dieses außergewöhnlichen Spielers aus.
Wie beim Traumpass zum 1:0 auf Molina stimmt bei ihm oft alles: Die Intuition, das Timing, das Gefühl. Messi findet aus dem Augenwinkel eine Lücke, die sonst nur ganz wenige sehen. Das ist eine Gabe und macht den Unterschied dieses außergewöhnlichen Spielers aus. Noch dazu sieht das alles natürlich und selbstverständlich aus.
Das Zuspiel auf Molina war absurd gut, weil es nur exakt so gespielt werden konnte, nicht eine halbe Sekunde früher oder später. Insbesondere bei Vorlagen, auch beim vorletzten Pass vor einem Abschluss, hat Messi sich in seinen "späten Jahren" nochmals verbessert. Davon profitiert die Albiceleste jetzt enorm.
Ich selbst habe damals gemerkt, dass man Messi als Gegenspieler nicht fassen kann. Du brauchst einen tiefen Körperschwerpunkt und musst kleine, schnelle Schritte machen - aber kommst nicht an den Ball, weil er eine ganz enge Ballführung hat. Messi weiß genau, wann du einen langen Schritt machen musst. Und wenn du dann irgendwann einen machst, ist es vorbei. Er legt sich den Ball auf den linken Fuß und ist weg.
Messi reagiert auf dich mit dem Ball am Fuß. Das ist faszinierend.
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Lionel Messi feiert das 2:0 für Argentinien

Fotocredit: Getty Images

Gegen die Niederlande war Messi der entscheidende Mann. Mit seinem verwandelten Strafstoß zum 2:0 war eigentlich der Deckel drauf, doch durch die Einwechslungen von Wout Weghorst und Luuk de Jong erzeugte Holland mit zwei großen Stürmern Druck und kam mit Flanken wieder gefährlich in die Box. Der Ausgleich in letzter Sekunde durch die kreative Freistoß-Variante war dann einfach nur genial.
Letztlich war das Weiterkommen für Argentinien, das das Zepter in der Verlängerung wieder in die Hand genommen hat, verdient. Auch dass Messi den ersten Elfer im Elfmeterschießen verwandelt hat, war ein wichtiges Signal für alle Argentinier.
Van Gaal hat es - wie einst beim FC Bayern mit uns - geschafft, den Spielern Spaß zu vermitteln.
Gegönnt hätte ich das Halbfinale den Niederlanden und meinem ehemaligen Trainer und Förderer Louis van Gaal allemal. Van Gaal hat es - wie einst beim FC Bayern mit uns - geschafft, den Spielern Spaß zu vermitteln. Er hat eine klare und spielerische Linie reingebracht und ein Team geformt. Dafür gebührt ihm großer Respekt.
Es mag sein letztes Spiel als Bondscoach gewesen sein, aber er strahlt so viel Energie aus, dass ich ihm noch einiges zutraue. Findet er ein Projekt, eine Aufgabe, die ihm am Herzen liegt, werden wir ihn eventuell wiedersehen. Vielleicht sogar in einer Funktion beim DFB? Es wäre zumindest eine interessante Vorstellung.
Die WM in Katar geht jedenfalls ohne van Gaal weiter - das Halbfinale wirft bereits seinen Schatten voraus. Kroatien ist durch den Sieg gegen Brasilien noch enger als Team zusammengewachsen, dieses strotzt vor Selbstvertrauen und ist - vor allem wegen der großen Qualität im Mittelfeld - definitiv keine Überraschungsmannschaft unter den letzten Vier. Die Chancen gegen Argentinien stufe ich auf 50:50 ein.
Der Freitag war an Dramatik kaum zu toppen, ich vermute jedoch, dass uns weitere emotionale - oder auch analytische - Highlights bevorstehen.
Bis dahin,
Euer Holger Badstuber

Zur Person Holger Badstuber:

Holger Badstuber spielte von 2010 bis 2015 insgesamt 31 Mal für die deutsche Nationalmannschaft. Mit dem FC Bayern München wurde er sechsmal Deutscher Meister und gewann 2013 die Champions League. Für Eurosport ist er Experte für die WM 2022 in Katar.
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