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WM 2022 - Kommentar zum Eklat um "One-Love"-Kapitänsbinde: "Wo sind nur die Eier geblieben?" - Nationalmannschaft

Gernot Bauer

Update 22/11/2022 um 08:17 GMT+1 Uhr

Mit einer "One-Love"-Kapitänsbinde zum Zeichen der Diversität wollten die Kapitäne von sieben europäischen Mannschaften bei der WM 2022 in Katar auflaufen, darunter auch Nationaltorhüter Manuel Neuer und Englands Harry Kane. Doch dann knickten der DFB und die anderen Verbände vor der FIFA und Gianni Infantino ein - die erste große Niederlage der WM. Wo sind nur die Eier geblieben? Ein Kommentar.

Die "One-Love"-Binde am Arm von Joshua Kimmich

Fotocredit: Getty Images

Ein Kommentar von Gernot Bauer
Wir können es nennen, wie wir wollen. Eigentor, verpasstes Revolutiönchen oder ähnlich. In Wahrheit aber ist es die erste große Niederlage dieser WM. Für den Deutschen Fußball-Bund (DFB), aber auch für alle anderen Teams, die ursprünglich mit der "One-Love"-Kapitänsbinde antreten wollten.
Sie knicken ein vor Gianni Infantinos FIFA-Apparat. Der Fußball-Weltverband droht mit sportlichen Sanktionen - zum Beispiel einer automatischen Gelben Karte noch vor Spielbeginn.
Wo sind nur die Eier geblieben, die einst ein ehemaliger Kicker und heutiger Funktionär so vehement forderte? Schon bei der Vorstellung der Binde dürfte dem DFB klar geworden sein, dass sein ohnehin schon kleines Initiativchen womöglich zu kurz greift. Auf ein 1:0 für die freie Liebe (und sein eigenes Image) hatte man gehofft, jetzt liegt man vor Anpfiff aber schon uneinholbar zurück.
Und das nur, weil die FIFA mit ein paar Paragrafen gewedelt hat und die Sache auf Funktionärsart auflaufen ließ.

One-Love-Binde: Wer A sagt, muss auch B sagen

Man werde die Binde auf jeden Fall tragen, so tönte DFB-Präsident Bernd Neuendorf die letzten Tage in die Mikros. Keine 48 Stunden nach der Aussage hat es FIFA-Boss Infantino geschafft, alle wieder auf Spur zu bringen. Zuerst knickte Frankreich ein, dann auch der DFB.
"Woran hat's gelegen?", ist dann eine gern zitierte Reporterfrage: Tja, klassisch verdribbelt? Zu verliebt in die eigene Position, zu wenig Glaube an den Sieg? Hat jetzt der böse Herr Infantino dem braven DFB, der doch so bemüht ist, alles richtig zu machen, einfach den Ball weggenommen? Nein.
Richtig ist: Man hat die Kugel freiwillig wieder abgegeben und sich vom Spielfeld geschlichen.

Infantinos FIFA ist angezählt

Jetzt noch mehr vor ihm einzuknicken, schwächt den DFB mehr als den ungeliebten Präsidenten des Weltverbandes. Wenn man sich so positioniert wie der Deutsche Fußball-Bund, dann darf man sich von möglichen Gelben Karten nicht ins Bockshorn jagen lassen.
Auch nicht von Sperren am grünen Tisch. Wenn man daran glaubt, muss man das auch durchboxen und eventuelle sportliche Sanktionen von Seiten der FIFA in Kauf nehmen.

Gegen diese Szenarien wäre Infantino machtlos

Nehmen wir mal an, der Schiedsrichter zeigt tatsächlich Gelb. Und dann? Was, wenn dann alle Spieler der eigenen Mannschaft die Chuzpe hätten, sich kurz zu einer Geste aufzuraffen? Sich kurz hinknien, etwa. Oder eine Reihe bilden und Manuel Neuer abklatschen oder gar auf Händen tragen?
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Manuel Neuer mit "One-Love"-Kapitänsbinde beim Testspiel gegen Oman neben Leon Goretzka

Fotocredit: Imago

Was würde das für ein Zeichen in die Ehrenloge und in die ganze Welt senden! Dieser Spieler, diese Mannschaft würde weltweit gefeiert werden. Und das Ende von Infantino und der heutigen Kultur der FIFA einleiten. Die Fußballer hätten sich den Fußball zurückgeholt. So aber überlassen sie das Spielfeld einmal mehr den Funktionären.
Sollte Deutschland ausscheiden, weil Neuer wegen einer Gelbsperre nicht spielen kann? So what? Der DFB-Elf verfügt im Übrigen auch über eine gute Nummer zwei. Aber selbst das Ausscheiden der Kapitäne wäre es wert, meine Damen und Herren. Das wäre es wert.
Der Deutsche Fußball-Bund würde dafür anderes gewinnen. Echte Glaubwürdigkeit zum Beispiel. Echtes Vertrauen in die neue Führung und das Bekenntnis, näher am Fan und der Basis zu sein. Billiger war Weltruhm und Aufmerksamkeit nie zu haben.
Ein ehemaliger Nationalspieler äußerte sich heute (ohne mit Namen zitiert werden zu wollen) Eurosport gegenüber und meinte, solche Dinge wie Politik seien bei den Spielern während eines Turniers kein Thema. Man sei im Tunnel, konzentriere sich voll auf das Sportliche. Das übliche Blabla-Bullshit-Bingo war zu hören. Ich kann das nicht mehr ertragen.
Ich mag das auch nicht glauben. In dieser Nationalmannschaft spielen intelligente junge Leute wie Leon Goretzka, der sicher über den Tellerrand hinausblickt. Ich kann nur hoffen, dass intern darüber geredet wird. Dass nicht alle nur tumbe Kicker sind, die dem Ball hinterhecheln und Kasse machen wollen. Wer nichts sagt, ist Teil des Systems, er unterstützt es damit passiv.
Die Fans, die Öffentlichkeit, die Sponsoren - sie alle sind schon länger bereit für den Wechsel. Jetzt müssen es nur noch die Spieler sein: Zeigt endlich Eier!
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