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Anke Huber exklusiv: Warum Emma Raducanu und Iga Swiatek die Zukunft gehört

Tobias Laure

Update 06/04/2022 um 13:51 GMT+2 Uhr

Anke Huber macht sich in Teil 2 des Exklusiv-Interviews mit Eurosport.de Gedanken über die Frage, welche Spielerin den Tennissport in den kommenden Jahren prägt. Vor allem einen Namen hat die ehemalige Weltranglistenvierte ganz oben auf der Liste. "Emma Raducanu ist für mich jemand, der in Zukunft ganz vorne mitspielen kann", sagt Huber, die aber auch den schwächelnden deutschen Profis Mut macht.

Emma Raducanu

Fotocredit: Getty Images

Anke Huber ist nicht allzu bange, dass Deutschlands Vorzeigespielerin Angelique Kerber nicht zu ihrer Form und Stärke zurückfindet. Die 34-Jährige sei noch immer "eine Top-10-Spielerin", wenn sie gut drauf sei, betont die Australian-Open-Finalistin von 1996 im Gespräch mit Eurosport.de.
Eine gute Möglichkeit für Kerber, der Saison eine positive Wendung zu geben, sei der etwa der Porsche Tennis Grand Prix in Stuttgart (18. bis 24. April live im Free-TV bei Eurosport 1 und bei Eurosport auf Joyn).
Huber betreut das Turnier in der Schwaben-Metropole als Sportliche Leiterin und weiß: "Angie hat immer gerne und gut bei uns gespielt, das Turnier bereits zweimal gewonnen."
Generell sei die Favoritinnenfrage in Stuttgart aber schwer zu beantworten, da "der Sandplatz bei uns in der Halle recht schnell ist, was die Wahrscheinlichkeit von Überraschungen erhöht".
Für die Zukunft rechnet Huber mit vier bis fünf Spielerinnen, die das Geschehen an der Weltspitze prägen. Neben US-Open-Siegerin Emma Raducanu hat Huber vor allem die neue Nummer eins Iga Swiatek auf dem Zettel.
Das Interview führte Tobias Laure
Frau Huber, lassen Sie uns mit einer kleinen Quizfrage starten: Wie viele deutsche Frauen haben seit der Einführung der WTA-Weltrangliste im Jahr 1975 in den Top 10 gestanden?
Anke Huber: Acht bis zehn?
Sehr gut! Es ist sind tatsächlich acht gewesen. Neben Ihnen selbst und Steffi Graf waren es Claudia Kohde-Kilsch, Sylvia Hanika und Bettina Bunge und aus der neuen Generation Angelique Kerber, Andrea Petkovic und Julia Görges. Derzeit stehen mit Kerber und Petkovic aber nur noch zwei deutsche Spielerinnen in den Top 100. Beide sind bereits 34 Jahre alt. Müssen wir uns Sorgen um die Zukunft machen?
Huber: Es findet gerade ein Umbruch statt. Das hatten wir immer mal wieder, auch nach der Zeit von Steffi, Barbara Rittner und mir. Da gab es dann eine Lücke von ein paar Jahren - und es kamen nicht sofort Kerber, Petkovic & Co. nach. Sicher ist, dass es im Moment niemanden gibt, der die Lücke unmittelbar schließen könnte, da müssen wir ganz ehrlich sein. Man hat auf ein paar Spielerinnen gesetzt, das hat nicht geklappt. Das passiert aber in vielen Ländern. Es ist nicht so, dass etwa in den USA oder in Frankreich alle fünf Jahre Top-10-Spielerinnen nachrücken. Meist kommen - wie in Deutschland - gleich zwei oder drei Spielerinnen aus einem Land hoch. Die pushen sich gegenseitig, aber häufig tritt dann wieder ein paar Jahre lang eine Pause ein. Ich hoffe, dass die bei uns dieses Mal nur zwei, drei Jahren dauert, ehe junge Spielerinnen aufhorchen lassen.
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Anke Huber bei den US Open 1995

Fotocredit: Getty Images

Mit Antonia Lottner vor ein paar Jahren oder der aktuellen deutschen Meisterin Eva Lys waren und sind Talente da. Haben diese in Deutschland generell mit strukturellen Problemen in der Förderung zu kämpfen?
Huber: Was die Sportförderung angeht, haben wir in Deutschland ein allgemeines Problem mit dem Schulsystem. In vielen Ländern wird es jungen Sportlerinnen und Sportlern mit Sportinternaten einfacher gemacht, Leistungssport zu betreiben. Das gilt gerade, wenn man 18 oder 19 Jahre alt ist und seinen Schulabschluss hat. In den USA gehst du dann an die Uni, machst Leistungssport und studierst nebenher. Das ist bei uns quasi unmöglich. Schule und Tennis sind ohnehin extrem schwer zu verbinden, weil man schon in der Jugendzeit viel unterwegs ist, zu Turnieren reist. Das ist anders als bei Mannschaftssportarten, wo man eher an einem Ort bleiben kann.
Vielleicht sind uns andere Nationen - ich denke da an Osteuropa - voraus, weil in Deutschland ein extrem großer Wert auf die Schulbildung gelegt wird. Ich würde mein Kind auch nicht mit 15 Jahren aus der Schule nehmen und sagen: 'Du wirst jetzt Tennisprofi.' Das kann man heutzutage nicht mehr machen. Um es zusammenzufassen: Ich sehe ein Problem im System, das aber viele Sportarten betrifft - nicht nur das Tennis.
Angelique Kerber hat den Tennissport in den vergangenen Jahren mit ihren Erfolgen geprägt. In dieser Saison läuft es noch nicht. Stuttgart könnte das Turnier sein, um den Turnaround zu schaffen.
Huber: Definitiv, warum sollte sie beim Porsche Tennis Grand Prix nicht den Titel holen? Angie hat immer gerne und gut bei uns gespielt, das Turnier bereits zweimal gewonnen. Ich glaube, dass sie noch alle schlagen kann, wenn sie gut drauf ist. Und wenn das der Fall ist, ist sie für mich eine Top-10-Spielerin.
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Kerber verliert Kracher gegen Osaka in Miami

Warum hat sie derzeit diese Schwierigkeiten, Ihr Niveau zu erreichen?
Huber: Das ist schwer zu sagen. Viele der jungen Spielerinnen haben sich mittlerweile auf ihre Art zu spielen eingestellt und agieren taktisch klüger als das früher der Fall war. Oft liegt es nur an Kleinigkeiten. Nehmen wir Naomi Osaka. Wenn die Japanerin die Bälle gut trifft, ist sie fast unschlagbar. Da kann man Angie auch keinen Vorwurf machen, wenn sie - wie jetzt in Miami - gegen Osaka ein Match verliert.
Nach dem Rücktritt von Titelverteidigerin Ash Barty werden die Karten beim Porsche Tennis Grand Prix in Stuttgart neu gemischt. Wer ist für Sie die Turnierfavoritin in diesem Jahr?
Huber: Iga Swiatek ist in diesem Jahr super drauf, hat sehr konstant gespielt. Eine Maria Sakkari kann ebenso immer vorne mitspielen, was genauso für Paula Badosa oder Ons Jabeur gilt. Vergessen wir auch Karolina Pliskova oder Petra Kvitova nicht. Der Sandplatz bei uns in der Halle ist zudem recht schnell, was die Wahrscheinlichkeit von Überraschungen erhöht.
In den kommenden eineinhalb Jahren werden sich vier, fünf Spielerinnen herauskristallisieren, die das hoffentlich untereinander ausmachen, die Finals gegeneinander spielen und so dafür sorgen, dass wir wieder richtige Topmatches bekommen.
Sie sind die Sportliche Leiterin des Porsche Tennis Grand Prix. Nehmen Sie uns doch mal mit hinter die Kulissen - wie laufen die Gespräche mit den Spielerinnen ab, die Sie für eine Teilnahme am Turnier gewinnen wollen?
Huber: Es ist nicht so, dass alle auf einen Schlag melden. Wir schicken Einladungen raus – auch mehrfach. Normalerweise fangen wir bei den US Open an, mit den Profis oder deren Management zu sprechen. Dann gehen die ersten Einladungen raus. Gab es keine Rückmeldung, hängen wir an die Weihnachtsgrüße noch eine entsprechende Erinnerung dran.
Es gibt auf der Tour immer kontroverse Themen. Dazu gehört die Causa Azarenka. Sie hat ihr Match in Miami abgebrochen. Da war auf der einen Seite von Respektlosigkeit die Rede, auf der anderen Seite steht sie als belarussische Sportlerin derzeit unter einem besonderen Druck. Wie beurteilen Sie die Situation rund um Victoria Azarenka?
Huber: Man sollte sie deswegen jetzt nicht zu sehr kritisieren. Es ist aus meiner Sicht immer noch nicht ganz klar, warum sie letztlich vom Platz gegangen ist. Einerseits kann man den Court natürlich nicht einfach so verlassen – das ist nicht sportlich und gehört sich nicht. Andererseits ist es sicherlich aktuell eine Ausnahmesituation für sie. Vielleicht ist auch während des Matches etwas vorgefallen. Das weiß ich nicht. Da muss man sie dann vielleicht auch entschuldigen. Für belarussische Spielerinnen ist es - ebenso wie für russische Profis - derzeit nicht einfach. Deshalb will und kann ich mich auch nicht dazu äußern, was in ihrem Kopf vorgeht.
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"Respektlos": Hier stürmt Victoria Azarenka während des Matches vom Platz

Derzeit stehen mit Iga Swiatek, Aryna Sabalenka und Paula Badosa drei Spielerinnen in den Top 10, die jünger sind als 25. Was denken Sie, wer wird das Damen-Tennis in den kommenden Jahren prägen?
Huber: In den kommenden eineinhalb Jahren werden sich vier, fünf Spielerinnen herauskristallisieren, die das hoffentlich untereinander ausmachen, die Finals gegeneinander spielen und so dafür sorgen, dass wir wieder richtige Topmatches bekommen. Momentan ist alles sehr dicht beieinander, da fällt es schwer, einen Namen zu nennen. Emma Raducanu ist für mich jemand, der in Zukunft ganz vorne mitspielen kann. Sie hat alles, um eine Top-5-Spielerin zu werden und vielleicht sogar den Sprung auf Platz eins zu schaffen. Emma braucht noch ein oder zwei Jahre, um konstant zu werden und wirklich das zu zeigen, was sie kann. Auch Iga Swiatek wird ein Wörtchen mitreden. Sie ist ehrgeizig, griffig und für ihr Alter schon sehr weit, was das taktische Spiel und das Auftreten auf dem Platz betrifft. Als dauerhafte Nummer eins würde ich mich aktuell aber trotzdem nicht auf sie festlegen wollen.
Frau Huber, vielen Dank für das Gespräch.
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Highlights: 6:0 im zweiten Satz - Swiatek gnadenlos gegen Osaka

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