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FC Bayern München: Was ist los mit dem Nachwuchs? Probleme, Pläne und Prognosen

Johannes Mittermeier

Update 10/02/2017 um 08:57 GMT+1 Uhr

Beim FC Bayern München krankt es im Nachwuchsbereich, seit Thomas Müller, Holger Badstuber und David Alaba den Sprung zu den Profis schafften. Wo sind die Talente, wo ist die Durchlässigkeit nach oben? Markus Babbel kritisiert die Zustände, Präsident Uli Hoeneß konstatiert schlechte Arbeit und setzt Hoffnungen in die neue Jugendakademie - aber das alleine kann es nicht sein. Eine Analyse.

Timothy Tillman (FC Bayern München)

Fotocredit: Imago

Jaja, der FC Bayern München und sein Nachwuchs: eine komplizierte Geschichte.
Der Abgang von Antonio Trograncic (17) zu Ajax Amsterdam hat jüngst Aufsehen erregt, weil der Youngster mit 15 mal bei den Stars von Pep Guardiola trainieren durfte. Schon hatte er das Etikett des Wunderkinds am Revers kleben, sein Transfer warf Fragen auf. Genau wie Markus Babbels Generalkritik.
"Bei Bayern-Junioren werden die Jungs nicht auf die Zukunft vorbereitet. Mir kommt kein junger Bundesligaspieler in den Sinn, der bei Bayern ausgebildet wurde. Auch nicht in der 2. Liga", sagte der frühere Münchner dem "Blick", als Exempel nannte er Lucas Scholl, der sich ebenfalls vom Rekordmeister abseilte.
Uli Hoeneß rügt, dass im Unterbau "nicht gut gearbeitet" wurde. Angesichts des "wirtschaftlichen Aufwands, den wir betreiben", sei die Realität unbefriedigend, findet der Vereinspräsident - und postuliert plakativ:
Wir dürfen es uns nicht erlauben, die nächsten fünf Jahre so zu gestalten wie die vergangenen fünf.
Wie soll das funktionieren? Was läuft falsch? Und was wird angepackt? Eine Analyse.

Lässt Bayern fahrlässig seine "Supertalente" ziehen?

Nein. Trogancic, Peps "Wunderkind", gilt eben nicht als herausragendes Juwel. Sein Auftritt im Profi-Training verzerrte da vieles.
De facto war er bei Bayerns U17 in dieser Hinrunde lediglich Ergänzungsspieler (210 Einsatzminuten), es wäre schwer geworden, im nächsten Jahr überhaupt in die U19, die wieder das Aushängeschild der Bayern-Jugend werden soll, übernommen zu werden.
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Lucas Scholl im Trikot des FC Bayern

Fotocredit: Imago

Generell gilt: Zwischen 15 und 17 Jahren durchlaufen die Nachwuchsprofis eine äußerst sensible Phase, sodass manche, die in der U15 noch zu den Besten gehörten, in der U17 nicht mehr mithalten können - und umgekehrt.
Ähnlich der Fall des älteren Scholl (20): Einer mit guten Anlagen, das schon, aber halt nicht gut genug für die Karriere bei Bayern. Jetzt kickt er beim FSV Wacker 90 Nordhausen in der Regionalliga Nordost.

Liegt Babbel mit seiner Schelte richtig?

Nur teilweise. Fakt ist, dass Patrick Weihrauch (Würzburger Kickers, Jahrgang 1994), Benno Schmitz (RB Leipzig, 1994), Julian Green (VfB Stuttgart, 1995). Alessandro Schöpf (FC Schalke, 1994), Leopold Zingerle (1. FC Magdeburg, 1994) und Daniel Wein (SV Wehen-Wiesbaden, 1994) in Deutschland auf die Profi-Ebene gelangten. Pierre-Emile Höjbjerg (FC Southampton, 1995) und Kevin Friesenbichler (Austria Wien, 1994) spielen im Ausland erstklassig.
Vor allem Bayerns 1994er Jahrgang war extrem stark und nicht zufällig in der U19 sehr erfolgreich (Platz eins in der Bundesliga Süd/Südwest 2011/12 und 2012/13). Scholl als Aufhänger für generelle Fakten heranzuziehen, zielt an der Wahrheit vorbei.
Manuel Neuer sagte zu Eurosport.de:
Es ist natürlich schwer beim FC Bayern, aber ein paar Spieler haben es ja über Umwege geschafft. Auch Philipp Lahm wurde ja ausgeliehen.

Was hat sich mit Hoeneß' Einfluss verändert?

In seiner Zeit als Freigänger engagierte sich der 65-Jährige im Nachwuchs und konnte dort Dinge umsetzen, die einem Nachwuchsleiter vom Vorstand nicht genehmigt worden wären.
Zuvor mussten U19 und U17 nach Heimstetten bzw. Aschheim ausweichen, weil an der Säbener Straße kein adäquates Spielfeld zur Verfügung stand. Hoeneß ließ einen Flutlichtmast um einige Meter verrücken, damit ein Platz vergrößert werden konnte und den Regularien entsprach. Seitdem spielen U19 und U17 wieder zu Hause.
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Uli Hoeneß

Fotocredit: SID

Ähnlich präsidial lief's beim Kauf von Timothy Tillman. Die 350.000 Euro Ablöse (kolportiert wurden sogar 500.000 Euro) an die SpVgg Greuther Fürth, die absolut nicht im Budget des Juniorteams waren, hat Hoeneß persönlich beim Vorstand besorgt.

Was kann die neue Akademie bewirken?

Im Sommer eröffnet der FC Bayern ein Nachwuchsleistungszentrum im Münchner Norden, es soll Maßstäbe setzen: Vereinsheim, kleines Stadion, fünf Trainingsfelder, Restaurant, Behandlungsräume, Arztpraxis, Schwimmbecken, Büros, Kantine und 35 Apartments; eine Investition von 70 Millionen Euro.
Hoeneß schwärmt von einem "Luxusgebäude, ein wunderbares Aushängeschild, mit das schönste Nachwuchsleistungszentrum Deutschlands, vielleicht in Europa".
Luxus, der verpflichtet:
Wenn man so ein tolles Ding hat, muss man alle drei Jahre einen Spieler für die erste Mannschaft rauskriegen.
Zweck der Akademie ist in erster Linie, das Grundniveau zu heben und die Qualität der einzelnen Jahrgänge nicht so stark abweichen zu lassen wie in der Vergangenheit. Sicherheiten, damit Ausnahmetalente wie Thomas Müller, Holger Badstuber oder David Alaba zu produzieren, gibt's freilich nicht.

Wer wird eigentlich Sportlicher Leiter?

Eine zentrale Personalie. Der FC Bayern sucht einen Sportdirektor für die Jugend, Karl-Heinz Rummenigge entscheidet federführend, dabei liegen seine Hauptkompetenzen woanders. Das erschwert ein Feingefühl bei der Zusammensetzung des Mitarbeiterstabs. Nicht optimal.
Laut "Sport1" sind Ernst Tanner, Chef der Nachwuchsabteilung bei Red Bull Salzburg, und Jochen Sauer (bis Dezember in Salzburg) zwei Kandidaten, um in München eine Art Doppelspitze zu bilden. Als Favorit gilt indes Heiko Vogel, momentan U23-Trainer und bereits Verantwortlicher für die komplette Nachwuchsabteilung.
Daneben wird zeitnah ein Sportvorstand installiert, sozusagen als Nachfolger des 2016 ausgeschiedenen Matthias Sammer. "Bis die Akademie fertig ist" will Hoeneß hier Klarheit, "es ist extrem wichtig, die Position bis 1. Juli 2017 zu besetzen". Wer's machen könnte? Philipp Lahm ist raus, der hochgeschätzte Max Eberl (Borussia Mönchengladbach) gebunden.

Wie kann der Sprung nach oben leichter gelingen?

Hilfreich wäre, wenn der FC Bayern eine Vertretung in der 3. Liga hätte; die viertklassige Regionalliga fällt leistungstechnisch doch sehr ab.
Eine Akademie wird an der Durchlässigkeit in den Profi-Bereich per se nichts ändern, diese obliegt in letzter Instanz immer dem Chefcoach, der aber gleichzeitig steten Erfolg garantieren und bis zu 20 Nationalspieler mit Einsatzzeiten befrieden muss. Keine leichte Aufgabe, wie sich an Green und Höjbjerg zeigte, die selbst beim jugendaffinen Guardiola scheiterten.
"Es ist ganz normal, dass die eigenen Spieler zunächst etwas kleiner gehalten werden", sagt Thomas Müller gegenüber "Socrates", und Babbel betont:
Bayern hat 20 Voll-Raketen, die sich einen brutalen Konkurrenzkampf liefern. Wie soll man da noch Junge einbauen?
Seit Müller/Badstuber 2009 sowie Alaba 2011 stieg kein eigenes Talent dauerhaft ins A-Team auf. Der 94er Jahrgang war zwar in der Breite stark, allerdings stach niemand so richtig heraus.
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Pierre-Emile Hojbjerg in seiner Zeit beim FC Bayern

Fotocredit: AFP

Damit es in Zukunft zumindest annähernd realistisch ist, wieder einen Spieler hervorzubringen, muss die Tür einen Spalt offen bleiben. Gelegentliche Übungseinheiten mit den Stars sind dienlich, ohne für Wettkampfhärte auf höchstem Niveau zu sorgen.
Neuer hatte im Gespräch mit Eurosport.de gleich ein paar Namen parat:
Bestes Beispiel ist gerade Marco Friedl. Er trainiert oft bei uns mit und ist jetzt eigentlich permanent dabei. Auch Christin Früchtl, der als Torwart sehr oft bei uns mittrainiert.
Trotzdem fragt die Fanbasis: Warum holt Bayern einen Sebastian Rudy (26), der es vermutlich schwer haben wird, viel Einsatzzeit abzugreifen, wenn Talente wie Tillman (18) schon von einigen wenigen Einsatzminuten profitieren könnten?

Wer sind potentielle Stars von morgen?

Oberhalb der U18 taucht aktuell kein Bayern-Akteur in den Kadern der DFB-Juniorenteams auf. In den Jahrgängen 1999, 2000 und 2001 aber verfügt der Branchenprimus mit einigen Junioren-Nationalspielern durchaus über Qualität.
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Timothy Tillman vom FC Bayern München

Fotocredit: Imago

Spieler aus der Riege Tillman, Manuel Wintzheimer (18), Ron Thorben Hoffmann (17), Christian Früchtl (17), Adrian Fein (17), Tobias Heiland (17), Marcel Zylla (17), Lukas Mai (16), Alexander Lungwitz (16), Alexander Nitzl (16) oder Oliver Batista-Meier (15), alle bereits für den DFB am Ball, könnten es in die Bundesliga schaffen. Außerdem der Kameruner Franck Evina (17), der für die U17 zwölf Mal in der Bundesliga traf.
Ob es jedoch für einen von ihnen für die Weltspitze beim FC Bayern reicht, kann unmöglich prophezeit werden.
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