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Wie Bayerns Robert Lewandowski zum besten Stürmer der Welt wurde

Florian Bogner

Update 17/12/2020 um 22:52 GMT+1 Uhr

Robert Lewandowski schoss den FC Bayern München 2020 zum Triple und heimst dafür zahlreiche Auszeichnungen ein - so auch den "Star of the Year" von Eurosport und den Weltfußballertitel. Dass der 32 Jahre alte Angreifer heute in einem Atemzug mit Lionel Messi und Cristiano Ronaldo genannt werden darf, war jedoch nie selbstverständlich - sondern ist das Ergebnis beispielloser Professionalität.

Robert Lewandowski

Fotocredit: Getty Images

Steht man Robert Lewandowski gegenüber, fällt einem auf: Der Typ ist ziemlich normal. Normal groß, normal gekleidet, normal sozialisiert. Sich mit ihm zu unterhalten, ist vor allem eins: überaus angenehm. Meistens spricht er eher leise, gewählt. Seine Antworten sind höflich, aber manchmal auch: ein bisschen nichtssagend. Er will niemandem wehtun.
Auf dem Platz ist das anders. Seit er 2010 in die Bundesliga kam, lässt er vor allem seine Treffer für sich sprechen. 262 sind es bereits. "Er ist einfach geil auf Tore", sagt Bayern-Sportvorstand Hasan Salihamidzic: "Das ist das, was einen Stürmer auszeichnet."
Hat er ein Trikot an, wird Lewandowski vom Menschen zur Maschine. Tut alles, was getan werden muss, um erfolgreich zu sein.
Mit fairen Mitteln, versteht sich - in über 600 Profi-Spielen ist er nur zweimal vom Platz geflogen. Zuletzt im Februar 2013.

Lewandowski: Sein Körper ist sein Kapital

Um den maximalen Erfolg zu haben, hat sich Lewandowski aber vor allem immer weiter professionalisiert. Alles in seinem Leben ist dem Beruf untergeordnet. Sein definierter Körper ist dabei sein Kapital.
"Wenn Sie in die Kabine schauen", sagte Karl-Heinz Rummenigge dem Autor dieser Zeilen vergangenes Jahr mal im Vertrauen, "hat keiner so einen Körper wie Lewandowski."
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Robert Lewandowski - Eurosport Star of the Year

Fotocredit: Eurosport

Seine Frau Anna, eine ehemalige Karate-Weltmeisterin, hat daran ihren Anteil. "Ich habe das Glück, dass meine Frau eine Ernährungsexpertin ist. Sie weiß, was ich essen und welche Vitamine ich nehmen soll", sagt Lewandowski. So kommt es vor, dass der 32-Jährige den Nachtisch vor der Hauptspeise isst, weil das besser für die Fettverbrennung sein soll.

Lewandowski arbeitet mit Schlaftherapeuten zusammen

"Was mir an ihm am meisten imponiert", sagte der große Jupp Heynckes einmal, "sind Professionalität, Ehrgeiz, Leidenschaft, Biss und Fitness." Erst das mache Lewandowski zu einem "absoluten Weltklassespieler".
Nicht mal nachts bleibt im Hause Lewandowski etwas dem Zufall überlassen: Hier lässt sich der Angreifer von einem Schlaftherapeuten beraten. Der erklärte ihm zum Beispiel, dass es wichtig sei, jedwede Lichtquelle im Schlafzimmer zu eliminieren.
"Wir haben sogar die Position besprochen, in der ich schlafen soll", verriet Lewandowski vor einiger Zeit mal: "Ich bin Rechtshänder und mein Schussbein ist auch rechts, deshalb ist es für mich besser, auf der linken Seite zu schlafen."

Rituale und Marotten

Beim Entspannen helfe ihm auch, "dass ich die Spielkonsole, die PlayStation, nicht mehr anrühre", sagte er zu Jahresbeginn. Stattdessen greife er häufiger mal zu einem Buch. Meist lese er dann Sportlerbiografien: "Michael Jordan, Tiger Woods, Usain Bolt. Das sind Superstars, die ihren Sport geprägt haben. Ich schaue, ob ich von ihnen etwas lernen kann."
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Robert Lewandowski vom FC Bayern München

Fotocredit: Getty Images

Auch in der Spielvorbereitung setzt Lewandowski auf professionelle Hilfe. Viele Fußballer haben sich aus Aberglauben gewisse, immer wiederkehrende Handlungen angewöhnt. Lewandowski führt sie aus, weil sie ihn besser machen.
"Alles, was wir vor dem Spiel tun, spielt eine wichtige Rolle", glaubt er: "Das Gehirn wäre so nämlich darauf vorbereitet, dass ein wichtiges Ereignis bevorsteht." Seit ihm das bewusst gemacht wurde, habe er sich auf Rituale vor dem Spiel konzentriert. Nun ziehe er zum Beispiel "immer zuerst den linken Schuh an".

Lewandowski jenseits der 30 noch besser

Müßig zu erwähnen, dass Lewandowski, egal, wo er spielte, immer der Liebling der Fitnesstrainer war. 32 ist deshalb ein Alter, das ihm nichts ausmacht. "Ich bin 29 oder sogar noch jünger", sagte er vergangenes Jahr. Das habe ein Test auf sein biologisches Alter ergeben.
Entsprechend plant Lewandowski auch noch mehrere Jahre auf Torejagd zu gehen. "Ich würde diese Form gerne noch fünf, sechs, sieben Jahre beibehalten", sagte er vergangene Saison.
In der Tat ist Lewandowski jenseits der tatsächlichen 30 sogar noch besser geworden.

Es hagelt Auszeichnungen

2019/20 war seine Saison, 2020 sein Jahr. Quintuple-Sieger mit Bayern, in Bundesliga (34), DFB-Pokal (6) und Champions League (15) traf keiner häufiger als er. "Er ist einfach das Nonplusultra im Weltfußball", sagt Ex-Weltfußballer Lothar Matthäus. 2020/21 steht er nach elf Spieltagen schon wieder bei 13 Bundesliga-Treffern.
Dafür hagelt es Auszeichnungen: Deutschlands Fußballer des Jahres, Bundesliga-Spieler der Saison, Europas Stürmer des Jahres, Europas Fußballer des Jahres. Und nun auch die zum FIFA-Weltfußballer.
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Robert Lewandowski beim Ballon d'Or

Fotocredit: Getty Images

Ein wichtiger Punkt in Lewandowskis Entwicklung: Seit er im Sommer 2019 einen neuen Vier-Jahres-Vertrag in München unterschrieb und sich damit endgültig von Real Madrid abwandte, ist alles im Flow, Lewandowski mit sich und den Bayern im Reinen. "Ich bin mir sicher, dass der FC Bayern für mich genau der richtige Ort ist", sagte er damals. 71 Tore hat er seither erzielt.
Lewandowski hat offenbar irgendwann erkannt, dass sein Karriereplan nicht noch eine Station jenseits der Bayern braucht. Im Gegenteil: Seine Tore machten die Münchner 2020 nun zu den Königen Europas. Es gibt kein "über" Bayern mehr.
Auf den Thron brachte den Mittelstürmer aber vor allem eins: harte Arbeit.

Lewandowski: Von Legia Warschau aussortiert

Als Jugendlicher ist der Pole zwar talentiert, aber schwach auf der Brust. "Der Trainer der U15-Nationalmannschaft sagte mir beispielsweise:' Tut mir leid, aber du bist einfach zu schmächtig, um in der Nationalmannschaft zu spielen", erzählte Lewy mal.
Als 17-Jähriger wird er deshalb auch von Polens Traditionsklub Legia Warschau aussortiert. Ein Rückschlag, der ihn umdenken lässt. "Ich habe begonnen, mehr im Kraftraum zu arbeiten und meine Muskulatur aufzubauen. Das hat enorm geholfen", sagt Lewandowski im Rückblick.
Bei Drittligist Znicz Pruszków muss sich Lewandowski erst in den Profi-Fußball zurückkämpfen. Sein Torriecher ist damals schon erkennbar: 2007/08 schießt er Pruszków mit 15 Toren zum Aufstieg und wird Torschützenkönig.
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Ballvirtuose und Zauberer: Diese Tricks hat Lewandowski auf Lager

Klopp über Lewandowski: "Unterschied ist unglaublich"

2008/09 wird er auch bester Torjäger der zweiten Liga (21). Lech Posen holt ihn in die Ekstraklasa, wo er zwei Jahre später auch den Torjägertitel der ersten Spielklasse einheimst (18).
Die, die ihn von damals kennen, reiben sich heute trotzdem verwundert die Augen. Ein Wunderstürmer war Lewandowski in Polen nämlich beileibe nicht. "Wenn dem so gewesen wäre, hätte er in der dritten Liga 40 Tore pro Saison geschossen", sagt sein damaliger Trainer Leszek Ojrzyński im Gespräch mit Eurosport.
Vielmehr habe Lewandowski den "Profifußball systematisch gelernt". So sieht es auch Jürgen Klopp, der Lewandowski 2010 bei Borussia Dortmund unter seine Fittiche nimmt. Das Prädikat "Weltklasse" verdiente sich der Stürmer erst peu a peu. "Er hat sich dahin entwickelt. Er ist nicht angekommen und hat von Anfang an so gespielt", sagt Klopp, der aus der Innensicht behaupten kann: "Der Unterschied vom Spieler damals zum Spieler heute ist schon unglaublich."
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Jürgen Klopp und Robert Lewandowski

Fotocredit: Getty Images

"Klick" macht es beim BVB für Lewandowski auch erst, als Klopp ihn zur Seite nimmt und ihm in einem zweistündigen Gespräch unter anderem mitteilt, dass er an seiner Körpersprache arbeiten müsse, die für ihn von außen nur schwer zu deuten sei. Eine Anmerkung, die dem Stürmer zu denken gibt.
"Ich wusste, dass ich das ändern musste, um ein besserer Spieler zu werden", erzählt er heute. Rückblickend habe ihn die Zeit in Dortmund besonders geprägt: "Jürgen Klopp hat mich zu einem Top-Fußballer gemacht."

Lewandowski schlägt bei Bayern ein

Ab 2014 erntet Pep Guardiola die Früchte jahrelanger (BVB-)Arbeit. Lewandowski kommt ablösefrei zum FC Bayern und schlägt sofort ein.
"Er ist einer der professionellsten Fußballer, mit denen ich zusammengearbeitet habe", sagt der Trainer von Manchester City heute und führt vor allem Lewandowskis zielgerichteten Lebenswandel als Ursache seiner Tore an: "Er isst, schläft und trainiert so, damit dies einen maximalen Nutzen für den Fußball hat."
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Guardiola, Lewandowski

Fotocredit: Imago

Beeindruckt hat den Katalanen vor allem Lewandowskis Durchhaltevermögen: "Er ist nie verletzt - alles dank der Rücksicht auf die richtige Ernährung und die Vorbereitung auf Spiele."
Zwischen 2010 und 2020 stand Lewandowski in ausnahmslos jeder Bundesliga-Saison mindestens 31 der 34 Spiele auf dem Feld - das schaffte sonst keiner, nicht mal ein Torwart.

Lewandowski will ein mitspielender Stürmer sein

Von jedem seiner Trainer nahm er dabei etwas mit. Sogar von dem in München aus heutiger Sicht krachend gescheiterten Niko Kovac, seit dessen Amtszeit Lewandowski sein Spiel tiefer interpretiert. Auch unter Kovac habe er sich "immer noch weiter" entwickelt. Seit Kovac lässt sich der Angreifer wieder merklich öfter ins Mittelfeld zurückfallen, um noch besser ins Spiel eingebunden zu sein.
"Ich möchte kein Stürmer sein, der 90 Minuten im Strafraum auf den Ball wartet", ist dabei eines seiner Credos. "Ich möchte Teil des Teams, Teil des Spiels sein. Ich möchte mich bewegen und passen, nicht nur warten", sagt er. Etwas, das er früh in seiner Ausbildung gelernt hat.
"Als Kind habe ich im Mittelfeld oder auf der Außenbahn gespielt", erzählte er mal. Seine Hauptaufgabe war es dort, "dem Team zu helfen und nicht selbst zu treffen".

Lewandowski profitiert von Müller

Es sei entsprechend falsch, sagt sein Triple-Compagnon Philippe Coutinho, "sein Spiel nur auf Tore zu reduzieren. Lewandowski lässt der gegnerischen Verteidigung weniger Freiheit, beginnt das Pressing und öffnet sich ständig für Pässe in den Lauf, womit er Raum für die Mitspieler schafft."
Zur Galaform 2020 half Lewandowski aber auch die Renaissance des Thomas Müller, der ebenfalls schon jenseits der 30, nach seiner Vertragsverlängerung ähnlich phänomenal wie der Top-Stürmer aufblühte.
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Thomas Müller und Sturmpartner Robert Lewandowski

Fotocredit: SID

"Mit Thomas ist es einfacher zu spielen. Er hilft mir sehr, wir ergänzen uns perfekt", sagte der Pole mal. Denn: "Wir haben immer einen Spieler mehr im Strafraum, wenn Thomas auf dem Feld ist, und ich habe mehr Raum."

Lewy jagt Fischer und Gerd Müller

Was sich unter Flick aber auch bewahrheitete: Je höher eine Lewandowski-Mannschaft in Ballbesitz kommt, desto gefährlicher ist der Pole. Durch Angriffspressing und eine insgesamt höhere Positionierung auf dem Spielfeld ist das Bayern-Spiel unter Flick noch mehr in Lewandowskis Nähe gerückt. "Mir kommt Flicks Philosophie entgegen", sagt er.
Als Stürmer müsse man "alle Abschlussmittel besitzen und ständig auf den Moment psychologisch vorbereitet sein. Ich mag es nicht, lange auf den Ball zu warten - keiner mag es. Aber man muss die Konzentration behalten, um bereit zu sein, wenn man den Ball bekommt. Es ist unglaublich wichtig."
Für Dortmund und Bayern hat Lewandowski in 331 Bundesliga-Spielen mittlerweile 249 Tore erzielt - nur noch Gerd Müller (365) und Klaus Fischer (268) liegen vor ihm. In der Champions League steht er mit 71 Treffern torgleich mit Raúl hinter Cristiano Ronaldo (134) und Lionel Messi (118) ebenfalls schon auf Rang drei.

Der letzte Makel wurde beseitigt

Im Sommer wischte der 32-Jährige auch endlich den letzten Makel beiseite, nämlich den, der besagte, dass er in der K.o.-Phase der Champions League zu wenige Tore erzielen würde. Nun ist er endgültig im Konzert der Großen angekommen.
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Bayern-Co-Trainer Miroslav Klose im Gespräch mit Robert Lewandowski

Fotocredit: Getty Images

"Robert Lewandowski ist so ein bisschen wie ich, aber zehnmal besser", sagt Flicks Co-Trainer Miroslav Klose, seines Zeichens bester WM-Torschütze aller Zeiten. Tore mit dem Kopf, mit links, mit rechts, per Elfmeter oder Freistoß, Lewandowski kann alles. Oder wie Klose es formuliert: "Er ist ein perfekt ausgestatteter Stürmer."
Dabei kommt er abseits des Feldes eigentlich ziemlich normal rüber.
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