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1. FC Union Berlin auf dem Weg in die Champions League: Mit Fleiß, Mut zum Risiko und Max Kruse zum Erfolg

Thomas Gaber

Publiziert 24/01/2022 um 22:32 GMT+1 Uhr

Der 1. FC Union Berlin ist die Mannschaft der Stunde im deutschen Profifußball. Dank einer Siegesserie in der Bundesliga stehen die Eisernen aktuell auf einem Champions-League-Rang und dürfen nach dem Derbysieg gegen Hertha BSC vom DFB-Pokal-Triumph träumen. Was auf den ersten Blick unwirklich erscheint, kommt gar nicht so überraschend. Hinter dem Erfolg von Union Berlin stecken Mut und Methode.

Union Berlin steht nach 20 Spieltagen auf einem Champions-League-Platz

Fotocredit: Getty Images

Sven König, genannt "Wumme", ist beim 1. FC Union Berlin für die Stadionmusik zuständig. Angefangen hat Wumme mit seinem Job, den er aus Liebe zum Verein unentgeltlich ausübt, bereits in der Oberligasaison 2005/06.
In den letzten knapp 17 Jahren hat er viel erlebt an seinem Arbeitsplatz im Stadion an der Alten Försterei - mit dem Bundesligaaufstieg 2019 als Höhepunkt.
Und da sich die Eisernen im letzten Jahr sogar für die Europa Conference League qualifizieren konnten, hat Wumme auch schon internationale Gäste in Berlin-Köpenick begrüßen dürfen: Feyenoord Rotterdam, Slavia Prag und Maccabi Haifa.
Es ist nicht ausgeschlossen, dass er seine Playlist September 2022 auf ein paar illustere Namen abstimmen muss. Real Madrid, Manchester City, Juventus Turin - so in der Kategorie. Nach 20 Bundesliga-Spieltagen steht Union Berlin auf Tabellenplatz vier, der bekanntlich zur Teilnahme an der Champions League berechtigt.

Max Kruse: "Im Moment haben wir einen Lauf"

Nach dem 2:1-Sieg bei Borussia Mönchengladbach fragte Wumme auf Twitter schon mal vorsorglich, ob jemand die Champions-League-Hymne als Audiodatei parat habe.
Es läuft derzeit alles ein bisschen wie im Traum für Union Berlin. Fünf der letzten sechs Pflichtspiele wurden gewonnen, darunter das Stadtderby im DFB-Pokal bei Hertha BSC. Das einzige nicht siegreiche Spiel war ein 2:2 bei Bayer Leverkusen, als Union bis zur 85. Minute in Führung lag.
"Im Moment haben wir einen Lauf, das zeichnet uns aus. Die Chancen, die wir haben, machen wir rein, deswegen haben wir auch in Gladbach gewonnen", sagte Doppeltorschütze Max Kruse. Mittelfeldspieler Grischa Prömel ergänzte im "ZDF: "Wir erleben gerade eine gute Zeit. Es macht Spaß, im Flow zu bleiben und immer weiter Spiele zu gewinnen."
Der Derby-Sieg auswärts im Berliner Olympistadion habe noch einmal zusätzliche Kräfte freigesetzt. "Wir kriegen natürlich mit, was nach dem Derby-Pokal-Sieg gegen Hertha in der Stadt los ist. Unseren Fans macht es sicher gerade extrem viel Spaß, zur Arbeit zu gehen und sich ein wenig feiern zu lassen", so Prömel.

Erster Doppelpack für Kruse seit März 2021

Union gewinnt die Spiele derzeit selbst dann, wenn der Gegner überlegen ist. "Gladbach war die bessere Mannschaft, aber das Glück liegt momentan auf unsere Seite. Wir waren schlechter, aber eben kaltschnäuziger", sagte Kruse, der erstmals seit dem 2:5 in Frankfurt im März 2021 wieder einen Bundesliga-Doppelpack schnürte.
Doch es braucht schon deutlich mehr als nur Glück, wenn man so dasteht wie Union Berlin. Mit 34 Punkten haben die Eisernen fünf Punkte mehr auf der Habenseite als zum gleichen Zeitpunkt der letzten Saison, an deren Ende die Qualifikation für die Europa Conference League heraussprang.
"34 Punkte nach 20 Spielen können nicht nur Zufall sein. Wenn man die Entwicklung der letzten Jahre sieht, muss man sagen, dass es herausragend ist, was wir geleistet haben und was wir leisten. Aber das Gute an diesem Verein ist, dass hier keiner überheblich wird oder zu träumen anfängt", sagte Kruse.
Nach Rang elf im ersten Jahr seit dem Aufstieg folgte Rang sieben im zweiten. Ernsthaft um den Klassenverbleib zittern musste Union nie. Im Gegenteil: Der Verein hat sich in kürzester Zeit in der Bundesliga etabliert.

Urs Fischer und Oliver Ruhnert Architekten des Erfolgs

Die Architekten des Erfolgs sind Trainer Urs Fischer, seit Juli 2018 im Amt, und Oliver Ruhnert, seit Mai 2018 Geschäftsführer Profifußball und Leiter der Lizenzspielerabteilung bei Union. Dem Duo gelingt es Jahr für Jahr, mit verhältnismäßig geringen finanziellen Mitteln, die richtigen Spieler auf dem Transfermarkt herauszupicken. Spieler, die Union weiterhelfen, sich weiterentwickeln und auch mal gewinnbringend weiterverkauft werden.
Als Beispiel dient Robert Andrich, den Union 2019 für etwa drei Millionen Euro aus Heidenheim holte und zwei Jahre später für mehr als das Doppelte an Bayer Leverkusen verkaufte. Oder auch Marvin Friedrich, der Berlin im Januar Richtung Mönchengladbach verließ und dort langfristig Matthias Ginter ersetzen soll.
Der Transfercoup schlechthin gelang Fischer und Ruhnert mit der Verpflichtung von Max Kruse im Sommer 2020. Kruse hatte damals im Juni seinen Vertrag bei Fenerbahce Istanbul wegen ausbleibender Gehaltszahlungen gekündigt, Union holte ihn quasi von der Straße.
Auch wenn Kruse ablösefrei zu haben war, ging Union mit seiner Verpflichtung auch ein gewisses Risiko ein. Kruse, der Lebemann, der gerne nächtelang Poker spielt, mal 70.000 Euro Bargeld in einem Taxi liegen ließ und zu seiner Gladbacher Zeit gerne in einem Maserati in Camouflage-Farben durch die Gegend heizte, schien sportlich seine beste Zeit hinter sich gehabt zu haben.
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Berliner Erfolgsduo: Urs Fischer (l.) und Oliver Ruhnert

Fotocredit: Imago

Grischa Prömel preist Max Kruse als Vorbild

Doch Kruse strafte alle Kritiker Lügen. Er liefert ab und die Kollegen richten sich an ihm auf. "Wir alle lernen extrem viel von ihm, seine Abgezockheit tut uns allen gut. In jedem Training können wir von seiner Spiel-Intelligenz, Ruhe, Gelassenheit und seinen Bewegungen lernen, die ihn immer in eine gute Position bringen. Er spielt wahnsinnig gut den letzten Ball, wir sind happy, dass wir ihn haben", sagte Prömel.
Dass er ausgerechnet gegen seinen Ex-Klub wieder mal doppelt knipst, hat auch mit dem Druck seiner Mitspieler zu tun. "Wir haben ihn ein bisschen gestichelt, dass es wieder mal Zeit wird, dass er knipst. Er entscheidet gerne so ein Spiel", verriet Prömel.
Die fast schon unheimliche Erfolgsgeschichte von Union überrascht selbst den sonst so besonnenen Trainer. "Wir gelten auf einmal als Pokalfavorit. In der Meisterschaft sollen wir unser Ziel schon erreicht haben. Wahnsinn!", konstatierte Urs Fischer. Bislang ist es dem Schweizer stets gelungen, seine Spieler im Zaum zu halten. Euphorie ist nicht verboten in Berlin-Köpenick, aber wenn es jemand überhaupt nicht leiden kann, wenn einer abhebt, dann Fischer.
"Ich freue mich für alle, die es gut mit Union meinen. Unsere Fans dürfen träumen, aber wir sollten darauf achten, uns auf das Wesentliche zu konzentrieren. Und das ist immer das nächste Spiel", so Fischer.

Frederik Ronnöw bekommt seinen Einsatz

Der Coach weiß, dass jede gute Phase einmal enden wird. Zurzeit gelingt Fischer indes nahezu alles. Gegen Gladbach veränderte er seine Startelf auf fünf Positionen und verhalf auch Ersatztorhüter Frederik Ronnöw zu seinem versprochenen Einsatz. Ronnöw sollte ursprünglich im DFB-Pokal zwischen den Pfosten stehen, konnte aber aus familiären Gründen in der Woche davor kaum trainieren. Nicht zuletzt dank einiger guter Aktionen von Ronnöw baute Union im Borussia-Park seine Serie aus.
Union Berlin auf Tabellenplatz vier mag auf den ersten Blick unwirklich erscheinen. Aber der Verein hat sich das durch kontinuierlich sehr gute Arbeit verdient. Es gibt nur noch wenige Spiele in der Bundesliga, in denen man Union als Außenseiter bezeichnen kann.
Nach einem Auswärtsspiel beim FC Augsburg kommt Borussia Dortmund am 22. Spieltag nach Berlin.
Das riecht im Februar 2022 schon mal ein bisschen nach Champions League an der Alten Försterei.
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