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FC Porto vor der Pleite: Der Titelsammler steht am Abgrund

Update 11/05/2020 um 08:59 GMT+2 Uhr

Jahrelang galt der FC Porto als das Paradebeispiel für clevere Transferpolitik und große Titel. Zahlreiche Talente aus Südamerika nutzten den portugiesischen Topklub in der Vergangenheit als Sprungbrett für eine Weltkarriere, was satte Transfergewinne einbrachte. Damit könnte nun Schluss sein: Aktuell steht Porto finanziell mit dem Rücken zur Wand. Es droht im schlimmsten Fall sogar der Bankrott.

Pepe - FC Porto

Fotocredit: Getty Images

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Fast genau 16 Jahre ist es her, dass der Underdog FC Porto unter dem damals noch recht unbekannten José Mourinho die Champions League gewann und damit den größten Erfolg der jüngeren Vereinsgeschichte feierte.
Was zunächst als One-Hit-Wonder abgestempelt wurde, erwies sich im Nachhinein als der Beginn einer nachhaltigen Erfolgsgeschichte: 2011 triumphierten die "Drachen" in der Europa League, in den vergangenen fünf Jahren qualifizierte sich der Champions-League-Dauergast viermal für die K.o.-Phase der Königsklasse und ist damit längst in der erweiterten europäischen Spitzengruppe angekommen.
Auch in der Vorsaison sorgte der mit Altstars wie Iker Casillas und Pepe gespickte Traditionsklub für Furore, ehe er sich dem späteren Sieger FC Liverpool im Viertelfinale beugen musste.

Schuldenberg trotz Transfercoups

Dabei ist das Erfolgsrezept des portugiesischen Serienmeisters simpel: Porto verpflichtet viele junge Talente - vornehmlich aus Südamerika - für eine geringe Ablösesumme, formt sie zu gestandenen Profis mit internationaler Erfahrung und verkauft sie dann für ein Vielfaches ihres Einkaufspreises an die Topklubs des Kontinents weiter.
James Rodríguez, Radamel Falcao, Hulk oder Casemiro - sie alle begannen ihre Laufbahn in Europa beim FC Porto, ehe sie zu Topstars wurden.
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Falcao, James Rodriguez und Hulk im Porto-Trikot

Fotocredit: Getty Images

"Man sucht Spieler aus, die am Anfang ihrer Karriere stehen und weniger bekannt sind. Ihre Qualitäten zu steigern, sie unter die Besten der Welt zu bringen und für unvorhersehbare Werte zu verkaufen - das ist das große Geheimnis des Klubs", erklärte Klublegende Vítor Baía einst.
Bislang schien das Konzept auf den ersten Blick prächtig aufzugehen: In den vergangenen fünf Jahren erwirtschaftete der Verein ein Transferplus in Höhe von fast 187 Millionen Euro.
Nachhaltig profitieren konnte Porto von jenen immensen Einnahmen aber nicht, laufende Kosten und hohe Ausgaben verschlangen zu oft die Gelder. Bereits vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie sah man sich mit einem Schuldenberg in Höhe von sage und schreibe 250 Millionen Euro konfrontiert.

"...dann hat der Verein keine Zukunft mehr"

"Wenn sich nichts ändert, hat der Verein möglicherweise keine Zukunft mehr", schlug Präsidentschaftskandidat José Fernando Rio kürzlich in einem Interview mit "Rádio Observador" Alarm.
Doch wie konnte es dazu kommen, dass Porto mittlerweile der Bankrott droht?
Die Gründe für die finanzielle Schieflage sind vielschichtig. Zum einen lebte der Verein, 1987 Gewinner des Landesmeisterpokals gegen den FC Bayern, schon seit Jahrzehnten vielfach über seine Verhältnisse, die Finanzkrise 2008 verschärfte diese Situation dann erheblich. Mit Bankkrediten, Fondsgeschäften und schwankenden Einkünften wie TV-Geldern wurde versucht, die Liquidität zu sichern, während sich ein Schuldenberg von rund einer Viertelmilliarde aufbaute.
Lange Zeit ging der Balanceakt halbwegs gut, da sich der Serienmeister regelmäßig für die Champions League qualifizierte und so entsprechende Prämien einstrich. Darüber hinaus sorgten die millionenschweren Transfergewinne für frisches Geld.
Mittlerweile hat sich der Wind in der heimischen Liga jedoch gedreht. Längst hat Dauerrivale Benfica Lissabon den Dragões den Rang abgelaufen und gewann in den vergangenen sechs Spielzeiten fünfmal die Meisterschaft.
Der sportliche und finanzielle Tiefpunkt folgte schließlich im vergangenen Sommer, als die Mannschaft von Trainer Sérgio Conceição nach einem zweiten Platz in der Vorsaison überraschend in der Champions-League-Qualifikation an FK Krasnodar scheiterte.
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Pepe in Duell mit Marcus Berg im Spiel Krasnodar - FC Porto

Fotocredit: Getty Images

Coronakrise zerstört Geschäftsmodell

Somit blieb dem erfolgsverwöhnten Verein nur die Teilnahme an der Europa League und der Gürtel musste um ein gutes Stück enger geschnallt werden. Zu allem Überfluss verabschiedete sich Porto aber auch dort frühzeitig in der Zwischenrunde gegen Bayer Leverkusen.
"Jetzt konzentrieren wir uns ganz auf die Meisterschaft, was unser Hauptziel ist. Fußball gibt uns immer eine neue Chance", betonte Angreifer Alex Telles nach der Rückspielpleite gegen die Werkself.
Während Porto rein sportlich gesehen mit der Tabellenführung in der portugiesischen Liga in ein ruhiges Fahrwasser zu steuern scheint, ist die finanzielle Situation prekärer denn je. Der börsennotierte Klub hat das erste Halbjahr der Saison 2019/20 mit einem Minus von fast 52 Millionen abgeschlossen - und nun verschärft die Coronakrise die Lage zusätzlich und lässt das Geschäftsmodell endgültig ins Wanken geraten.
Aufgrund der in ganz Europa unsicheren Lage werden im kommenden Sommer hohe Transfereinnahmen durch den Verkauf von Leistungsträgern erstmals seit langer Zeit ausbleiben, was für den Ausbildungsverein ein harter Schlag ins Kontor ist.
Eine Fortsetzung der Primeira Liga, wenn auch unter Ausschluss der Öffentlichkeit, ist für Porto im Hinblick auf Einnahmen wie TV-Gelder daher essentiell. Die Vereinsführung hat sich daher stark für eine rasche Wiederaufnahme des Spielbetriebs eingesetzt und dabei wirtschaftliche Interessen über Gesundheitsschutz gestellt. Gleichzeitig drängte Porto darauf, die ausstehenden TV-Gelder für den Rest der Saison bereits jetzt komplett zu überweisen und erlegte seinen Profis einen Gehaltsverzicht von geschätzten 40 Prozent auf.
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Moussa Marega (FC Porto)

Fotocredit: Getty Images

Notverkäufe als letzter Ausweg

Derweil steht der FCP unter besonderer Beobachtung wegen Verstößen gegen das Financial Fairplay aus der Vergangenheit - bis Ende Juni muss der Klub Erlöse von nicht weniger als 100 Millionen Euro vorweisen. Andernfalls ein Ausschluss für die kommende Europapokal-Saison.
Aktuell versuchen sich die Verantwortlichen Zeit zu kaufen, indem sie versuchen, ein im Jahr 2017 abgeschlossenes Darlehen in Höhe von 35 Millionen Euro, das ebenfalls im Juni zurückgezahlt werden muss, um ein Jahr zu verschieben.
Ein Teufelskreis, schließlich würde es Porto 2021 dafür umso härter treffen, da zu jenem Zeitpunkt die Tilgung eines weiteren Darlehens in gleicher Höhe ansteht. Ganz zu schweigen von den ausbleibenden Einnahmen, die im Falle einer möglichen Europapokal-Sperre drohen würden. Um schnell an frisches Geld zu kommen, hat Porto sich an Spielervermittler Jorge Mendes gewandt, der nun Talente und Tafelsilber wie Telles, Diogo Leite, Fabio Silva, Tomas Esteves, Romario Baro oder Vitor Ferreira auf dem Markt platzieren soll - ein Akt der Verzweiflung.
Obwohl der historische Triumph in der Champions League gerade einmal 16 Jahre her ist, scheint er für Porto gegenwärtig so weit weg wie niemals zuvor zu sein.
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