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Borussia Dortmund – Hacke, Spitze, Wankelmut: Warum der Sexy-Ansatz beim BVB gescheitert ist

Dennis Melzer

Update 12/10/2022 um 12:46 GMT+2 Uhr

Zwei Tage lang herrschte in Dortmund wegen eines späten Treffers gegen den FC Bayern große Euphorie. Wer aber hoffte, dass das 2:2 für ausreichend Rückenwind und ein Ende der Wankelmütigkeit sorgen könnte, wurde beim tristen 1:1 gegen den FC Sevilla am Dienstagabend eines Besseren belehrt. Der BVB bleibt konstant inkonstant - weil er immer wieder die gleichen Fehler macht.

"Lassen wir nicht als Ausrede gelten": Terzic analysiert BVB-Remis

Mats Hummels war sichtlich genervt, als er nach Abpfiff vor die Kamera trat. Er, der Routinier, derjenige, der gemeinhin kein Blatt vor den Mund nimmt, sprach auch diesmal die zahlreichen Unzulänglichkeiten klar an.
"Das war kein gutes Spiel von uns", monierte Hummels nach dem 1:1 vor heimischer Kulisse gegen den FC Sevilla im Gespräch mit "Amazon Prime" und führte aus: "Nach dem 0:1 (18. Minute, Anm. d. Red.) haben wir besser gepresst und mal ein paar Minuten Dominanz gehabt. Nach der Halbzeit haben wir bestimmt 20 Bälle leicht verloren und das Spiel unnötigerweise komplett offen werden lassen."
Nach Aufforderung, Ursachenforschung für ebenjenes Phänomen zu betreiben, beklagte der Innenverteidiger mangelnde Spielintelligenz. "Sevilla ist verunsichert, die waren hier happy mit dem 1:1", so Hummels mit Blick auf den Gegner, der bislang eine desolate Saison spielt und in der vergangenen Woche Trainer Julen Lopetegui von seinen Aufgaben entbunden hatte.
"Fußball ist eigentlich ein simples Spiel. Aber wir machen es kompliziert", erklärte Hummels weiter. Er schob nach: "Es muss aus manchen Köpfen raus, dass Fußball nicht sexy sein muss und dass erfolgreicher Fußball nicht Hacke, Spitze, eins, zwei, drei auf fünf Metern bedeutet."

Hummels hat keinen Bock auf Schlagzeilen

Interessante Einblicke des 33-Jährigen, der eigenen Angaben zufolge viel lieber "inhaltlich" weiter ins Detail gehen würde. Er befürchte jedoch, dass "die üblichen Verdächtigen ein großes Thema daraus machen würden." Er habe "keinen Bock, dass nach jedem schlechten Spiel irgendeine Überschrift von mir in der Zeitung steht."
Einige Medien, die Hummels nicht namentlich nannte, würden ihn im Falle einer sportlichen Kritik am Auftreten des BVB stets als Nörgler hinstellen. "Ich fände es spannend, wenn wir darüber noch ein bisschen besser reden könnten, aber das, was in den nächsten Tagen daraus gemacht wird, verhindert das leider", gab der Weltmeister von 2014 abschließend zu verstehen.
Freilich verfingen die Worte des Dortmunder Führungsspielers. Sie offenbarten die Probleme einer Mannschaft, die das Hinspiel in Sevilla souverän gewonnen (4:1) und sich am Samstag noch am eigenen Schopfe gegen die Bayern aus der Misere gezogen hatte, nur, um kurz darauf wieder in alte Muster zu verfallen. Der Rückenwind, den einige hoffnungsfroh erwartet hatten, war – rückblickend betrachtet – nur ein laues Lüftchen.

BVB zeigt in zwei Spielen zwei Gesichter

Im Vergleich zum ersten Duell mit den Andalusiern in der vergangenen Woche waren die wichtigsten Statistiken im Signal Iduna Park ernüchternd. Dortmund gewann lediglich 37,8 Prozent der Zweikämpfe und brachte lediglich sieben magere Torschüsse zustande. Weder rigoros noch attraktiv. Zum Vergleich: In Sevilla gingen noch 51 Prozent der direkten Duelle an die Westfalen, zudem standen seinerzeit 19 Abschlüsse zu Buche.
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Jude Bellingham von Borussia Dortmund

Fotocredit: Getty Images

Darüber hinaus trat eine Schwäche zutage, die dem Team von Trainer Edin Terzic in dieser Spielzeit schon länger begleitet: Das Verteidigen von Standardsituationen. Ex-Bayern-Profi Tanguy Nianzou köpfte eine Freistoßflanke von Ivan Rakitic locker zum zwischenzeitlichen 0:1 aus Dortmunder Sicht ein, es war bereits das vierte Gegentor nach einem ruhenden Ball in der laufenden Saison.
Jude Bellinghams Ausgleichstor vor der Halbzeit sollte der einzige Lichtblick an diesem Dienstagabend bleiben. Dass Sevilla die beste Chance des zweiten Durchgangs hatte und diese aus einem Standard resultierte, passte nur allzu gut ins Bild.
"Wir waren nicht präzise genug und haben für unsere Entscheidungen zu lange gebraucht. Dann kommt es dazu, dass es nicht viele Torchancen gibt", sagte Terzic bezüglich der eigenen Harmlosigkeit im Anschluss auf der Pressekonferenz.

Terzic: "Worte, die auch meinen Mund verlassen haben"

Auf die Kritik von Hummels angesprochen, antwortete der BVB-Coach: "Das sind Worte, die auch meinen Mund schon mal verlassen haben. Wir waren nicht klar genug im Passspiel, wir haben drei, vier Ballkontakte gebraucht, um einen einfachen Pass zu spielen. Das war einfach nicht gut."
Terzics Hummels-Worte scheinen bei den Spielern jedoch nicht angekommen zu sein. Ein Umstand, der auch Ex-Dortmund-Star Matthias Sammer, mittlerweile externer BVB-Berater und Experte bei "Amazon Prime", missfiel. "Wir haben sportlich viele Dinge vermissen lassen. Wir sind gewisse Laufwege nicht mitgegangen mit dem Ball. Es war keine homogene Konstellation in der Gemeinsamkeit."
Dies hing für Sammers Dafürhalten auch mit dem zu euphorisch gefeierten Unentschieden gegen die Bayern zusammen. "Fakt ist, dass der ein oder andere Spieler, der eine ist schon ein bisschen länger da, der andere ist gekommen, nach dem 2:2 gegen Bayern gedacht hat, dass es fünf Punkte für uns auf dem Konto gab. Es gab aber nur einen. Letztlich haben wir zweimal zu Hause nur unentschieden gespielt", sagte Sammer.

Union Berlin macht's vor

Er ergänzte: "Die Frage ist dann, wie man damit umgeht und wie man auftritt." Eine Frage, die man sich beim Revierklub so häufig stellen musste. Regelmäßig reagiert die Mannschaft positiv auf Rückschläge, nur allzu oft folgt auf ebenjene Reaktion ein unerklärliches Kurzzeit-Tief. Wankelmut made in Dortmund.
Dass fußballerische Unsexiness manchmal eben auch sexy, sprich erfolgreich, sein kann, macht dieser Tage der kommende Gegner der Schwarz-Gelben vor. Union Berlin, die vereinsgewordene Schlichtheit des Spiels, grüßt mit vier Punkten Vorsprung auf Dortmund von der Tabellenspitze. Simplizität statt Hacke, Spitze, eins, zwei, drei.
Hummels Worte sind keine Nörgelei, der Vizekapitän legt den Finger dahin, wo er nach einem Spiel wie gegen Sevilla hingehört – in die offene Wunde der eigenen Unstetigkeit.
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Terzic über BVB-Auftritt: "War kein gutes Spiel von beiden Seiten"

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