Alexander Zverev wehrt sich gegen Kritik von Boris Becker und Barbara Rittner - aber hilft ein neuer Coach wirklich?

Alexander Zverev kann sie nicht mehr hören, diese stetige Kritik, wenn es wieder nicht gereicht hat zum ersten Grand-Slam-Titel. Nach dem Viertelfinal-Aus bei den French Open waren es die Analysen der Eurosport-Experten Boris Becker und Barbara Rittner, die ihm sauer aufstießen. Das Duo legte Zverev nahe, das Team um ihn herum zu verändern. Nur: Mit einem neuen Coach alleine ist es nicht getan.

Zverev in der Krise: Becker und Rittner empfehlen neue Impulse

Quelle: Eurosport

Man kann Alexander Zverev nicht vorwerfen, dass er in den vergangenen acht Jahren nichts versucht hätte in Sachen Trainer.
Seitdem er 2017 erstmals die Top 10 erreichte und in die Weltspitze vorstieß, wechselten sich gleich vier prominente Coaches an der Seite des Hamburgers ab: Juan Carlos Ferrero, Ivan Lendl, David Ferrer und Sergi Bruguera. Als aktive Profis hat es das Quartett bei Grand-Slam-Turnieren insgesamt auf elf Titel und 26 Final-Teilnahmen gebracht.
Es war eine Menge Fachwissen, Erfahrung und Reputation, auf die Zverev zurückgreifen konnte. Auf den ersten Blick hat der 28-Jährige klug gehandelt, alles richtig gemacht.
Doch so einfach ist es nicht, aus zwei Gründen. "Er hatte Lendl, Ferrero, Ferrer und Bruguera - aber immer eingebettet zwischen seinem Vater und seinem Bruder", erklärte Boris Becker bei Eurosport. Hinzu kommt: Einzig mit Bruguera hielt die Zusammenarbeit über mehr als ein Jahr (~14 Monate).
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Zverev beendet PK: "Kein Bock auf Tennis, gehe jetzt Golf spielen!"

Quelle: Eurosport

Entsprechend gibt es zwei große Hürden für einen potenziellen fünften Coach. Er braucht eine extrem starke Position im Team, um im Training seine Ideen umsetzen zu können. Darüber hinaus muss er klar erkennen, wie den immer wieder auftretenden Schwächen in Zverevs Spiel dauerhaft beizukommen ist. Es ist ja nicht so, dass man im Zverev-Lager nicht schon lange wüsste, wo die Probleme liegen, welche Schläge es zu verbessern gilt.

Misstöne: Zverev hadert mit Ferrero und Lendl

Ferrero erkannte zu Beginn seiner Zusammenarbeit mit Zverev im Juli 2017 Schwachstellen - und sprach diese an. Er habe seinen Schützling "gebeten, etwas pünktlicher zu sein. Ich habe ihn darauf hingewiesen, dass es nicht richtig ist, wenn er 20 oder 30 Minuten zu spät zum Training kommt. Ein bisschen mehr Disziplin hätte ihm gutgetan - auch, um sich spielerisch zu verbessern", erläuterte der Spanier im Gespräch mit der "Marca". Letztlich trennten sich Spieler und Trainer nach nur sieben Monaten, inklusive unschöner Nebengeräusche. Immerhin: Mit dem Gewinn des 500er-Turniers von Washington und des Masters von Montréal fielen zwei große Titel in die Ära Ferrero.
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Alexander Zverev 2018 mit Coach Ivan Lendl

Fotocredit: Getty Images

Im August 2018 engagierte Zverev schließlich den achtmaligen Grand-Slam-Champion Ivan Lendl. Die Tennis-Ikone galt als sogenannter "Supercoach", sollte den Deutschen vor allem für die speziellen Herausforderungen gegen Topgegner bei großen Turnieren in den entscheidenden Partien fit machen. Gelang zunächst, Zverev gewann mit Lendl 2018 erstmals die ATP Finals.
Er habe "über zehn Monate eine gute Zeit" mit Lendl verbracht, sagte der Hamburger. Einerseits. Andererseits habe er manchmal "zwei Stunden lang trainiert, und eine halbe Stunde davon steht er mit dem Rücken zu mir und erzählt, wie er am Morgen davor Golf gespielt hat", monierte Zverev. Lendl wiederum kritisierte, dass er nicht so arbeiten konnte, wie es seiner "Philosophie" entspreche. Im Sommer 2019 ging die Zusammenarbeit schließlich in die Brüche.
Zverev tat das, was er immer getan hat in vergleichbaren Situationen: Er arbeitete wieder mit Vater Alexander Senior als Headcoach. Ganz weg war der 65-Jährige ohnehin nie, sein Wort hatte und hat enorm Gewicht.

Zverev und Ferrer - das perfect match

Das galt auch für David Ferrer, der im Sommer 2020 das Traineramt übernahm, nach knapp einem halben Jahr aus familiären Gründen aber wieder von Bord ging. Der Spanier und Zverev - es war ein Match. "Wir haben von der Persönlichkeit, so wie wir Tennis sehen, unfassbar gut zusammengepasst. Die Trainerarbeit ist nicht nur die, die du auf dem Platz machst. Es sind die Persönlichkeiten, die zusammenpassen müssen", lobte Zverev im Exklusiv-Interview mit Eurosport seinen damaligen Trainer. Ferrer sei der beste Coach neben seinem Vater, mit dem er je trainiert habe.
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2020: Zverev mit seinem damaligen Coach David Ferrer

Fotocredit: Getty Images

Unter Ferrer wurde vieles besser. Zverev erreichte bei den US Open erstmals in seiner Laufbahn ein Grand-Slam-Finale - auch, weil er meist im richtigen Moment offensiver wurde. Genau das ist bis heute ein wesentlicher Kritikpunkt. Immer wieder steht der 28-Jährige zu weit hinter der Grundlinie, agiert zu passiv in entscheidenden Phasen.

Bruguera scheitert an der eigenen Meinung

Eine Schwäche, die auch zwischen März 2022 und den French Open 2023 auf der Agenda stand, als Zverev mit Sergi Bruguera arbeitete. Der zweimalige Roland-Garros-Champion sollte das letzte Puzzleteil auf dem Weg zur ersten Grand-Slam-Krone werden. Näher an die Grundlinie, Vertrauen auch in die Vorhand, mutiger Übergang zum Netz - diese Komponenten, so war zu hören, standen auf dem Trainingsplan. Zverev erreichte damit das French-Open-Halbfinale 2022. Im Jahr darauf erstaunte er einen Tag vor Beginn des Sandplatz-Klassikers die Szene mit der Ansage, den Vertrag mit Bruguera aufgelöst zu haben.
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Sergi Bruguera, Trainer von Alexander Zverev

Fotocredit: Getty Images

Das wiederum hatte auch mit Zverev senior zu tun. Bruguera habe "eine andere Meinung als mein Vater" und Hitting Partner Tobias Kamke vertreten, erläuterte Deutschlands Nummer eins seiner Zeit im Gespräch mit Eurosport. "Das hat nicht geholfen, denn wenn ich drei verschiedene Meinungen von drei Personen bekomme, weiß ich nicht, auf was ich hören, auf wen ich mich verlassen soll."

Fünfter Coach für Zverev? Das sind die Aufgaben

Dabei ergaben die Ansätze von Bruguera durchaus Sinn. Grundlinien-Position, Vorhand, Volley, Konstanz oder die Aggressivität im Ballwechsel sind bis heute Baustellen in Zverevs Spiel. Mal mehr, mal weniger - aber ein überragender Aufschlag und eine exquisite Rückhand reichen nicht mehr aus, um die beiden Ausnahmekönner Carlos Alcaraz und Jannik Sinner auf Grand-Slam-Ebene zu schlagen.
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Viertelfinale: Djokovic zu stark für Zverev - Highlights

Quelle: Eurosport

Ein frischer Blick eines neuen Coaches auf diese Faktoren dürfte helfen. Überdies wäre Zverev wohl gut beraten, seine Einstellung zu Mentaltrainern zu überdenken. Er habe "alles ausprobiert mit Psychologie und so weiter", ließ Zverev im April beim Turnier in München wissen. Großes Vertrauen in die Methoden, wie zwischen den Zeilen zu lesen war, habe er indes nicht.
Zverev vertritt den Standpunkt: "Ich glaube, der einzige Mensch, der mir in so einer Situation helfen kann, bin ich selbst." Ebenso überliefert ist die Aussage des Hamburgers, dass die Probleme sich "in deinem eigenen Kopf und nicht im Kopf von jemand anderem" befänden.
Dies trifft sicher zu, schließt aber externen Input beileibe nicht aus ...
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Quelle: Eurosport



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