French Open: Zverev macht Lust auf mehr - trotz Aus in Roland-Garros
Update 05/10/2020 um 08:49 GMT+2 Uhr
Alexander Zverev kann bei den French Open nicht an die Heldentaten der US Open anknüpfen - im Achtelfinale ist für den 23-Jährigen nach einer Erkältung gegen den stark aufspielenden Jannik Sinner Endstation. Bei Zverev war nach fünf kräftezehrenden Wochen der Akku offensichtlich leer; das Fazit seiner Grand-Slam-Saison fällt dennoch fast uneingeschränkt positiv aus. Das sieht auch Boris Becker so.
Am Ende war der Tank einfach leer, der Körper: ausgelaugt.
Alexander Zverev stemmte sich im Achtelfinale der French Open gegen Jannik Sinner mit allen Kräften gegen die drohende Niederlage, musste sich aber dem aufstrebenden Youngster nach 3:01 Stunden 3:6, 3:6, 6:4, 3:6 geschlagen geben.
Nun klingt eine Achtelfinal-Pleite der Sieben der Welt gegen die Nummer 75 der Welt für einen, der beinahe die US Open gewonnen hätte und auch in Roland-Garros zumindest leicht auf den Titel schielte, wie eine herbe Enttäuschung. Ist es aber nicht. Allenfalls eine kleine.
Vor allem, weil Zverev gesundheitlich angeschlagen in die Partie gegen den aufstrebenden Sandplatzspezialisten, der zuvor in Rom auch Stefanos Tsitsipas geschlagen hatte, gegangen war.
Alexander Zverev von Fieber geplagt
"Ich bin komplett krank, kann kaum atmen und hatte 38 Grad Fieber", verriet er nach der Niederlage und sah so aus, als ob er einfach nur schnell heim wollte.
Schon vor der Drittrundenpartie gegen Marco Cecchinato hatte Zverev seinem Bruder Mischa berichtet, dass er sich erkältet habe. Der jüngere Zverev wollte das aber nicht an die große Glocke hängen. Also verriet es auch der ältere nicht.
Dass das Cecchinato-Match am Freitag trotz Nieselregen nicht vom Court Suzanne-Lenglen auf den überdachten Center Court verlegt wurde, half Zverev auch nicht unbedingt.
Konsequenz: Am Sonntag fühlte sich der 23-Jährige richtig schlapp. "Ich habe schon nach dem Warmup gemerkt, dass ich müde bin", erzählte er, als die Schlacht geschlagen war. Nachsatz: "Was nicht schön ist."
Zverev tritt Corona-Verdacht entgegen
Es wurde auch nicht besser. "Nach jedem langen Ballwechsel hatte ich ein Brennen in der Brust", sagte der 23-Jährige: "Es war schwer zu atmen."
Als Ausrede wollte Alexander das aber nicht zulassen - und verbat sich auch falschen Schlüsse. Er denke "nicht, dass es Corona ist", sagte er auf der Pressekonferenz nach dem Spiel, weil er zuletzt ausschließlich negativ getestet wurde und auch keine typischen Corona-Symptome habe.
"Natürlich werde ich mich nochmal testen lassen", sagte er, "aber ich denke eher, dass es das Wetter war." Sein Physiotherapeut Hugo Gravil sei auch krank gewesen "und der Kontakt zwischen uns war ständig da". Den Rest kann man sich zusammenreimen.
So war gegen Sinner, der bis zum dritten Satz gegen Zverev in Paris 11:0-Sätze gewonnen hatte (und jetzt bei 12:1 steht), wenig zu holen.
Der alte Zverev tritt zutage
Es passiere ja durchaus häufiger, dass er in Best-of-Five-Matches hinten liege, führte Zverev hinterher aus - davon konnten sich die Zuschauer bei den US Open und French Open oft genug überzeugen.
"Normalerweise finde ich dann trotzdem einen Weg. Heute habe ich es im Dritten geschafft, aber zum Start des Vierten hatte ich nicht mehr viel in mir drin", gestand der 23-Jährige mit heiserer Stimme: "Da wusste ich schon, dass es relativ schwer wird."
So trat zwischendurch auch wieder der alte Zverev zutage, der mit dem Schläger schmiss und sich durch Diskussionen mit dem Schiedsrichter selbst frustrierte - ganz anders als der "akkurate, sehr effiziente" - Zitat Mischa Zverev - Italiener auf der anderen Seite, der an diesem Tag, trotz vier Jahren Altersunterschied, wie der reifere Spieler wirkte.
"Sinner war heute der bessere Spieler, das muss man ganz klar so sagen", meinte auch Eurosport-Experte Boris Becker. Der erste Satz habe schon eine Vorentscheidung gebracht: "Sinner war immer sehr nah an der Linie und schob Zverev immer von links nach rechts. Diese Probleme konnte er nicht lösen."
Weil Sinner die Ballwechsel diktierte, nahm Zverev seine Schläge durchschnittlich über einen Meter weiter hinter der Grundlinie als sein Gegner. "So kann man nicht gewinnen", analysierte Becker.
Zverev: 44 Sätze in fünf Wochen
Zverev hat aber eben nun auch 44 Sätze binnen fünf Wochen gespielt, seit am 31. August das Abenteuer mit zwei aufeinanderfolgenden Grand-Slam-Turnieren in New York und Paris begann. Ein Spagat, der nur wenigen gelingt; von den acht Viertelfinalisten der US Open sind in Roland-Garros nur noch drei im Rennen - Pablo Carreño Busta, Andrey Rublev und Champion Dominic Thiem.
Die zwei erstgenannten müssen am Montag erst noch ihre Achtelfinalprobe bestehen, Letzterer hatte am Sonntag erhebliche Probleme mit einem französischen Nobody namens Hugo Gaston, 239 der Welt. Fünf Sätze brauchte Thiem für den Viertelfinaleinzug.
Bei den Damen findet sich derweil gar keine der letzten Acht aus New York noch im Turnier.
Boris Becker und Mischa Zverev freuen sich auf mehr
Nach dem erreichten Halbfinale bei den Australian Open und dem Finaleinzug bei den US Open kann Zverev trotz der Achtelfinal-Niederlage von Paris zufrieden mit der verkürzten Grand-Slam-Saison - Wimbledon wurde bekanntlich abgesagt - sein.
"Hätte mir das vorher jemand gesagt, hätte ich 'super' gesagt", meinte Mischa Zverev zum jüngsten Abschneiden seines Bruders: "Ich hoffe, er kann diese schönen Erfahrungen mitnehmen und einfach noch besser werden in allen Bereichen."
Hatten Kritiker 2019 noch Zverevs Best-of-Five-Tauglichkeit angezweifelt, zündete der gebürtige Hamburger 2020 definitiv die nächste Karrierestufe, bewies in New York, dass er mit etwas mehr Glück auch ein Grand-Slam-Turnier gewinnen kann. Vielleicht ja 2021.
"Er hat einen großen Sprung dieses Jahr gemacht", bilanzierte Becker bei Eurosport: "Wir freuen uns aufs nächste Jahr mit Sascha Zverev bei den Grand Slams."
Der Gelobte selbst sah es im Angesicht der Pleite etwas weniger euphorisch. "Ich wollte eins gewinnen, was jetzt leider nicht der Fall ist. In New York war ich mehrmals nur zwei Punkte davon entfernt", meinte Zverev, fügte dann aber doch etwas versöhnlicher an: "Es war trotzdem das beste Grand-Slam-Jahr, das ich bisher in meiner Karriere gehabt habe. Für das nächste Jahr sehe ich das sehr positiv."
Sprach's und begab sich auf direktem Weg ins Bett.
Das Gelbe vom Ball - der Tennis-Podcast von Eurosport:
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