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French Open 2022 - Rafael Nadal: Warum das Finale in Roland-Garros gegen Casper Ruud kein Selbstläufer wird

Florian Bogner

Update 05/06/2022 um 09:58 GMT+2 Uhr

Rafael Nadal geht nach dem Abbruchsieg über Alexander Zverev als klarer Favorit ins Finale der French Open 2022. Alles in Roland-Garros ist auf den 14. Triumph des 36 Jahre alten Spaniers ausgelegt - es wäre die Krönung des "King of Clay" in Paris, ein Statement in der "GOAT"-Debatte. Doch gewonnen hat Nadal das Endspiel gegen Casper Ruud noch lange nicht. Schuld daran ist eine tickende Zeitbombe.

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Die Frage war ein bisschen seltsam, aber valide. Nachdem Rafael Nadal am Freitagabend dem bemitleidenswerten Alexander Zverev sein Mitgefühl ausgedrückt und schon einige Minuten über das anstehende Finale gegen Außenseiter Casper Ruud gesprochen hatte, wollte es ein Reporter auf der Pressekonferenz im Bauch des Court Philippe-Chatrier genau wissen.
Was er denn lieber hätte von einem "genio lámpara", einem Flaschengeist, wurde Nadal gefragt - den Sieg im Endspiel am Sonntag oder doch vielleicht ein neues Bein? Schließlich plagen den "Stier von Manacor" seit Jahren chronische Fußprobleme.
Nadal lachte, dachte kurz nach und gab dann eine nur im ersten Moment überraschende Antwort. "Ich würde das neue Bein nehmen", sagte Nadal. Denn: "Das Leben nach der Karriere ist viel wichtiger als ein Finale. Mit einem neuen Fuß wäre ich mit meinem Leben zufrieden. Und ich will auch später noch mit meinen Freunden unbeschwert Sport machen können."
Bei Nadal sind anno 2022 sportliche Unsterblichkeit und physische Fragilität kein Widerspruch.

Rafael Nadal: Erfolg auf tönernen Füßen

In Paris strebt der 36-Jährige seinen 14. Titel an, seinen 22. Grand-Slam-Sieg insgesamt. Er hätte dann zwei Major-Siege mehr als seine Widersacher Novak Djokovic (35) und Roger Federer (40), ein Polster, das bereits ausreichen könnte, um den Rekord für viele Jahrzehnte zu halten. Und um die "GOAT"-Debatte, die über den "Greatest of all Time", den größten Tennisspieler aller Zeiten, erstmal verstummen zu lassen.
Doch da ist eben auch die vermaledeite Erkrankung am Müller-Weiss-Syndrom, bei dem Knochengewebe des Kahnbeins am Fußskelett abstirbt. Bei ihm im linken. "Die Schmerzen werden nicht mehr verschwinden", sagte Nadal neulich rund um das Masters-Turnier in Rom, nachdem er eine mehrwöchige Pause einlegen musste: "Es geht darum, ob die Schmerzen so stark sind, dass ich chancenlos bin."
Das kann, und dessen ist sich Nadal bewusst, quasi an jedem Tag eintreten. Auch am Sonntag. Niemand hofft es, doch es könnte sein, dass dem 36-Jährigen auf dem Weg zur Krönung die Straße ausgeht.
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Nadal und die pure Resilienz

Während sich Nadal beim Viersatzsieg im Viertelfinale gegen den Weltranglistenersten Novak Djokovic (6:2, 4:6, 6:2, 7:6) lange auf das Niveau alter Klasse aufblies und nur im dritten Satz sowie Anfang des vierten durchhing, war es in den immerhin 3:13 Stunden Spielzeit im Halbfinale gegen Zverev die pure Resilienz.
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"Er hat zu Beginn des Spiels fantastisch gespielt. Es war ein Wunder, dass ich den ersten Satz gewonnen habe", sagte Nadal, der zum Abbruch beim Stand von 7:6 (10:8), 6:6 die Winzigkeit von drei Punkten mehr als der Deutsche gemacht hatte.
Gerüchte in Paris besagen, Nadal spiele bereits mit dem Gedanken nach Roland-Garros die gesamte Rasensaison auslassen, möglicherweise sogar die US Open, um den Strapazen Tribut zu zollen.
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Rafael Nadal bei den French Open 2022

Fotocredit: Getty Images

Wie viel hat Nadal noch im Tank?

Wieviel er noch im Tank hat, weiß er vermutlich erst am Sonntag unmittelbar vor Finalbeginn. Oder wird es erst während des Endspiels merken.
Man sah ihn in den Tagen von Paris jedenfalls schon über die Anlage humpeln. Das habe nichts zu bedeuten, wischte sein Lager Bedenken beiseite. Tags drauf wetzte Nadal wieder wie ein Derwisch über den Tennisplatz.
Wer sah, wie er am Freitag im Tiebreak des ersten Satzes gegen Zverev bei 2:6 vier Satzbälle in Folge abwehrte, konnte ohnehin meinen, der Leibhaftige sei in den fragilen Körper des Mallorquiners gefahren.
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Ruud spielte an der Nadal-Akademie

Dass ihn am Sonntag nun Casper Ruud herausfordert, ist eine besondere Wendung der Geschichte. Ruud, 24 und damit zwölf Jahre jünger als Nadal, war als Kind großer Fan des Spaniers. Sein Werdegang führte ihn später sogar an die Akademie des Spaniers auf Mallorca.
"Meine erste Erinnerung, die ich an das Fernsehen habe, ist tatsächlich eines seiner Matches bei Roland-Garros", erklärte der Norweger im Januar gegenüber Eurosport. "Ich erinnere mich noch, wie er im Finale gegen Puerta ärmellos spielte, wie ein Verrückter herumlief und sich jeden Ball holte", versetzte sich Ruud ins Jahr 2005 zurück. Damals holte Nadal seinen ersten Grand-Slam-Titel.
Der Respekt ist also groß, soll sich für den norwegischen Shootingstar, der auf Sand eine beachtliche Siegquote von 67 Prozent aufweist, aber nicht als hinderlich erweisen. Dass Nadal übermächtig erscheint, erschreckt ihn nicht. Auch nicht seine (Trainings-)Bilanz gegen den "King of Clay".
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Für Onkel Toni wäre ein Ruud-Sieg okay

"Es stimmt, dass wir einige Trainingssätze gespielt haben. Er hat mich immer besiegt", sagte Ruud dieser Tage. Aber: "Wir haben in seiner Akademie gespielt und ich wollte höflich sein", scherzte er gegenüber der "Marca".
Die Verbindung zur "Rafa Nadal Academy" lässt auch Toni Nadal, Rafaels berühmten Onkel, fast schon liebevoll auf Ruud blicken. "Wenn wir gegen einen verlieren müssen, dann am liebsten gegen Casper", meinte der 61-Jährige vor dem Endspiel.
Ruud weiß derweil sehr wohl, dass gegen Nadal im Finale von Roland-Garros zu spielen, die ultimative Herausforderung ist. "Er hat alle 13 Endspiele hier gewonnen, so dass es wie eine unmögliche Aufgabe erscheint", sagte er. "Ich bin mir bewusst, dass ich nicht der Favorit bin, aber ich muss daran glauben, dass ich gewinnen kann", gab er sich kämpferisch.

Wilander zieht Langlauf-Vergleich

Von Mats Wilander, dem ehemals so starken Schweden, gab es bereits einen gut gemeinten Tipp.
Ruud müsse im Endspiel "eine skandinavische Einstellung" an den Tag legen und daraus "ein fünfstündiges Langlaufrennen machen", meinte der Eurosport-Experte: "Er muss Nadal mit seinen 36 Jahren klarmachen: 'Ich will sehen, wie weit dich deine Füße noch tragen!' Denn Norweger schaffen es im Langlauf sehr, sehr weit."
Wie weit den Sandplatzkönig seine Füße noch tragen, weiß schließlich niemand. Vermutlich nicht einmal Nadal selbst.
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