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Ski Alpin

Stürze und Verletzungen im Skirennsport: Schritt zurück wäre möglich

Sigi Heinrich

Update 12/02/2020 um 10:13 GMT+1 Uhr

Eurosport-Blogger Sigi Heinrich lenkt den Blick in dieser Woche auf die schier endlose Verletzungsserie im alpinen Skirennsport. Das Saison-Aus von Viktoria Rebensburg nach ihrem Sturz in Garmisch-Partenkirchen ist nur der letzte Fall, zuvor hat es in diesem Winter schon dutzende weitere Skirennläufer erwischt. Zumeist mit Kreuzbandrissen wie bei Dominik Paris, Hannes Reichelt oder Manfred Mölgg.

Sigi Heinrich | Verletzung Ski alpin

Fotocredit: Getty Images

Liebe Sportfreunde,
es vergeht wirklich kaum ein Tag, an dem nicht von irgendeinem Ski-Verband eine Nachricht in den Laptop flattert, die mit der Verletzung eines Skiläufers oder einer Skiläuferin zu tun hat. Doch nur wenige schaffen es in die Schlagzeilen. Da muss man schon Dominik Paris (Italien) oder Viktoria Rebensburg (Deutschland) heißen. Prominent sollte man also sein, um auf ein Problem aufmerksam machen zu können, das mittlerweile nicht mehr im Topf köchelt, sondern das eine veritable Sprengwirkung entwickelt hat.
Der alpine Skirennsport ist für seine Akteure nicht mehr ohne ständige Gefährdung der Gesundheit beherrschbar. Ich habe nicht genau durchgezählt. Aber es sind wohl etwa 30 Aktive, die derzeit ihre Verletzungen auskurieren müssen. In der vergangenen Saison waren es übrigens 40. Darunter waren dann eben auch bekannte Namen wie Thomas Dreßen oder Lindsey Vonn.
Wer hat noch nicht, wer will noch mal - einmal Kreuzbandriss und zurück. Gerne übrigens das vordere Kreuzband in Verbindung eventuell mit einem Knorpelschaden oder einer Schädigung des Innenmeniskus. Da löst eine Meldung von Viktoria Rebensburg fast schon Jubelarien aus, denn ihre Bänder haben gehalten. Sind ein bisschen überdehnt. Klar. Aber nichts ist gerissen. Sie hat Glück gehabt im Unglück, wie das so nett heißt.
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Heftiger Sturz mit Folgen: Saison-Aus für Rebensburg

Der FIS-Renndirektor ist hilflos

Ihre Saison ist freilich zu Ende, wie für alle anderen ihrer Berufssparte auch, die einmal nur einen Schwung ansetzten, dem der sogar austrainierte Körper nichts mehr entgegen zu setzen hatte. Und das muss nicht immer im Rennen sein. Muskulatur kann ausgebildet werden. Die Bänder, die alles zusammenhalten müssen, bleiben gleich. Was aber tut der Internationale Ski-Verband (FIS) dagegen?
Renndirektor Markus Waldner gibt zu, dass der Bogen überspannt wurde. Doch man könne, so Waldner ziemlich hilflos, das Rad nicht mehr zurückdrehen. Die Pisten sind, um Chancengleichheit zu gewährleisten, immer eisiger geworden. Die Materialabstimmung trägt dem Rechnung. Wird irgendwo die Strecke dann etwas weicher, ja fährt man tatsächlich mal auf Schnee, dann passt, so sagen die Aktiven, nichts mehr zusammen und man sei wohl auf Gedeih und Verderb dem Setup ausgeliefert.
Ex-Abfahrer Marco Büchel bringt es im SZ-Interview auf den Punkt: "Früher gab ein Ski noch nach und rutschte weg. Heute läuft er wie auf einer Eisenbahnschiene in eine Richtung, und dein Körper geht in eine andere. Da ist das Kreuzband nun mal die Sollbruchstelle in diesem Spiel." Sein Fazit:
Wir kommen nur gerade an einen Punkt, das ist jetzt meine Ansicht, an dem das Material den Körper allmählich überholt.
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Hannes Reichelt - Bormio 2019

Fotocredit: Imago

Dauerschäden nicht ausgeschlossen

Nicht zu vergessen sind häufige Begleiterscheinung wie Rückenschmerzen. Frag nach bei Felix Neureuther. Die Ski-Elite riskiert gesundheitliche Dauerschäden, die auch das Leben nach dem Skisport beeinflussen können. Auch unter diesem Aspekt sind Rücktritte von Svindal, Hirscher oder eben Neureuther zu sehen. Denn sie wissen, was sie tun.
Die einfache Formel und gerne genutzte Phrase, dass der Spitzensport eben nicht dazu tauge, gesund zu bleiben, darf nicht länger als Entschuldigung dafür herhalten, dass es einfach so weitergeht. Denn man kann das Rad zurückdrehen. Dem Konsumenten am Fernsehschirm oder dem Zuschauer im Zielraum erschließt sich nämlich der Unterschied der Materialabstimmung sowieso nicht. Er kann nur den Vergleich sehen von einem Fahrer zum nächsten. Ein geschultes Auge erkennt vielleicht noch den einen oder anderen zu spät angesetzten Schwung am Tor aber im Grunde schauen die Fans auf die Uhr, auf die Zeit. Grün und rot. Vorne oder Rückstand.

Ein Schritt zurück wäre möglich

Deshalb könnte man die Radien zurückschrauben, alles dem menschlichen Bewegungsapparat zugänglicher machen, ohne dabei die Attraktivität des alpinen Skisports zu schmälern. Es wäre also möglich, wenn es da nicht viele, ja vielleicht sogar die Mehrzahl an Aktiven gäbe, denen die Gesundheit nicht so wichtig ist, die alles, aber auch alles dafür tun, um der Konkurrenz auch materialmäßig voraus zu sein.
Und so lange die Sportler nicht aufbegehren, um ihre Gesundheit zu schützen, werden Mannschaftsärzte auch weiterhin zu Fließbandarbeitern gehören.
Denn der nächste Knall kommt bestimmt.
Zur Person Sigi Heinrich:
Der renommierte Sportjournalist, Buchautor und vielfach ausgezeichnete Eurosport-Kommentator Sigi Heinrich widmet sind in seinen Blogs der gesamten Vielfalt des Sports inklusive der komplizierten Mechanismen der Sportpolitik. Mal sehr ernsthaft, mal mit einem verschmitzten Augenzwinkern und manchmal auch bewusst provozierend. Es soll ja für alle was dabei sein.
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Dreßen legt vor - und keiner kommt ran! Die Highlights vom Sieg in Garmisch

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