Top-Sportarten
Alle Sportarten
Alle anzeigen

Olympia 2022: Karl Geiger - wie der Oberstdorfer aus Rückschlägen Edelmetall formte

Alexander Bos

Update 13/02/2022 um 15:16 GMT+1 Uhr

DSV-Hoffnung Karl Geiger hat mit Bronze im Skispringen bei Olympia in Peking die lang ersehnte Einzelmedaille gewonnen. Auf der Normalschanze enttäuschend, blendete der 29-Jährige alles aus und fokussierte sich auf das Springen von der Großschanze. Nach dem Coup zog der Oberstdorfer einen tierischen Vergleich zu seiner Leistung: "So wie ein neugeborenes Küken - aus dem Ei schlüpfen und loslegen."

Geiger aus dem Tief aufs Podium: "Habe mir das vorgegaukelt"

Karl Geiger konnte nicht wirklich fassen, was er da auf der Olympia-Großschanze im Snow Ruyi National Ski Jumping Centre von Zhangjiakou erreicht hat. "Mir fehlen tatsächlich ein bisschen die Worte", gab Geiger im "ZDF" zu.
Bis zum Gewinn der Medaille musste Geiger in China einige Rückschläge hinnehmen. Führung in der Gesamtweltcupwertung hin oder her - als Favorit ging er nicht mehr an den Start. Diese Rolle hatten inzwischen andere inne.
Vor der Reise nach Peking sah die Welt noch anders aus.
Geiger erkämpfte in Willingen im letzten Weltcupwettbewerb vor den Winterspielen mit dem zweiten Platz die Führung in der Gesamtwertung zurück. Dementsprechend hoch waren die Erwartungen und Ziele: eine Einzelmedaille soll her, die erste seiner olympischen Laufbahn.
picture

Geiger springt von Sechs auf Drei - Lindvik erfüllt sich Traum von Gold

Doch im Gegensatz zu den Wochen zuvor tat sich Geiger bei den Olympischen Spielen von Beginn an sehr schwer. "Es war bis jetzt eine ziemlich harte Nummer für mich persönlich, weil ich als Gesamtweltcupführender angereist bin und auf einmal überhaupt nichts mehr funktioniert hat", so der DSV-Adler.

Geiger: "Ich war komplett am Boden zerstört"

Schon im Training zu den Wettkämpfen auf der Normalschanze konnte Geiger sein gewohntes Potenzial nicht abrufen. "Ich war komplett am Boden zerstört, weil einfach überhaupt nichts funktioniert hat", beschrieb Geiger seine Gefühlswelt. Dies zeigte sich dann auch in den Sprüngen, als es um das begehrte Edelmetall ging.
Im ersten Durchgang landete der Gold-Favorit nur auf Platz 21. Im zweiten Durchgang konnte Geiger zwar ein paar Plätze aufholen, jedoch reichte es am Ende nur zu Platz 15. Zu wenig für einen Springer, der nach einer bisher rosigen Saison um die Medaillen mitkämpfen wollte. "Mit der [kleinen Schanze] bin ich überhaupt nicht zurechtgekommen. Ich musste meinen kompletten Sprung mehr oder weniger umbauen, bis ich es das erste Mal geschafft habe irgendwie halbwegs einen Sprung zusammenzukriegen."
Diesen ersten vernünftigen Sprung zeigte Geiger dann im Mixed-Wettbewerb. Die Freude darüber hielt jedoch nicht lange. Schon beim Verlassen der Schanze stand dem DSV-Adler die Verwirrung ins Gesicht geschrieben.

Geiger steigert sich beim Mixed-Eklat

Kurz zuvor wurde Team-Partnerin Katherina Althaus wegen eines zu großen Anzugs disqualifiziert - das Springen entwickelte sich aufgrund weiterer Disqualifikationen zur Farce. Somit zerschlugen sich auch die Hoffnungen Geigers auf eine Medaille im Mixed-Wettbewerb.
picture

Knoten geplatzt! Geiger überzeugt mit Sprung auf 138 Meter

Trotzdem konnte Geiger aus seinem bis dahin besten Sprung einiges mitnehmen. "Der richtige Schluss ist dann eigentlich gekommen, indem der erste Sprung so ein bisschen aufging. Und an den habe ich mich dann festgeklammert, an den Punkten festgekrallt und gedacht: 'Okay, wenn ich so weiter mache, dann wird es besser'. Und so war es", erklärte der Profi vom SC Oberstdorf, der 2018 in Pyeongchang die Silbermedaille mit dem Team gewann.
"Irgendwie habe ich den Schalter umlegen können, dass ich die komplette Saison wegpacken konnte. Also alles was gut gelaufen ist. Auch so, dass ich sage: 'Okay, mit einem normalen Standardsprung war ich immer in den Top Ten.' Jetzt ist es nicht so", reflektierte Geiger seine Tage bei den Olympischen Spielen. Die starke Mentalität war ein Hauptgrund dafür, warum es am Ende zur ersten Einzelmedaille bei Olympia reichte. "Ich starte jetzt bei komplett null. Also wie ein Küken, das gerade aus dem Ei schlüpft und auf die Welt zugeht", fand der 29-Jährige schöne Worte für die neue Situation.

Schuster exklusiv über Geiger: "Außergewöhnlich"

Eurosport-Experte Werner Schuster, von 2008 bis 2019 Bundestrainer, lobte den Kampfgeist und die mentale Stärke seines ehemaligen Schützlings. "Er hat wahnsinnig gekämpft die letzten drei Tage. Ich denke das deutsche Team hat sich wirklich gut gesammelt nach dem Mixed-Desaster. Es war nur die Frage: 'Geht es sich aus für den Wettkampf?'. Dass er dann zwei Mal knapp an die 140 Meter kommt, ist einer außergewöhnlichen mentalen Stärke zuzuschreiben", schwärmte der Österreicher.
picture

"Außergewöhnlich!" Ex-Bundestrainer Schuster feiert Geiger

Geiger betonte indes, dass es viele Bausteine gebe, die den Erfolg erst möglich gemacht haben. Neben der Familie sei das gesamte DSV-Team wichtig gewesen - gerade nach den Rückschlägen auf der Normalschanze. "Ein nicht zu unterschätzender Faktor ist das gesamte Team. Die Trainer, Betreuer und auch wir Athleten sind zusammengerückt", schätzt Geiger die Harmonie in der Mannschaft.

Geiger dankt Eisenbichler: "Hat mir persönlich sehr geholfen"

Einen besonderen Dank richtete Geiger an Kumpel und Teamkollege Markus Eisenbichler. Der absolvierte auf der Großschanze von Anfang an gute Sprünge, weshalb die deutschen Medaillenhoffnungen besonders auf ihm ruhten. "Einen großen Dank an den Eisei. Der hat auch im Training ein bisschen die Fahne hochgehalten und das hat mir persönlich sehr geholfen. Weil ich gewusst habe, es ist zumindest einer dabei, es läuft gut und auch die anderen sind immer besser geworden. Und dann hab ich da auch mitgezogen", verriet Geiger. Für Eisenbichler reichte ein guter Sprung im zweiten Durchgang zu einem starken fünften Rang.
Wie gut sich die beiden Springer und Konkurrenten verstehen, war im Auslauf zu sehen. Geiger und Eisenbichler lagen sich in den Armen und feierten zusammen den Gewinn der Medaille. "Das sind so die entscheidenden Momente, wo man irgendwie merkt, das ist nicht oberflächlich, sondern tiefe innerliche Freude. Ich hätte es andersherum genauso gemacht. Es hätte genauso gut andersherum sein können. Im Training war er näher dran als ich. Von daher: Hätte er es geschafft, ich hätte mich genauso gefreut", so Geiger.
Am kommenden Montag hoffen die beiden Freunde dann beim Teamspringen (ab 12:00 Uhr MEZ live im TV bei Eurosport 1) auf ein gemeinsames Medaillen-Erlebnis.
Das könnte Dich auch interessieren: Imageverlust? Skispringen vor Revolution
picture

Geiger-Bronze und Lindvik-Triumph: Schmitt analysiert Skisprung-Finale

Mehr als 3 Mio. Sportfans nutzen bereits die App
Bleiben Sie auf dem Laufenden mit den aktuellsten News und Live-Ergebnissen
Download
Diesen Artikel teilen
Werbung
Werbung