Top-Sportarten
Alle Sportarten
Alle anzeigen

FC Bayern: Wie Julian Nagelsmann sich vor dem Spiel gegen den FC Barcelona angreifbar machte

Dennis Melzer

Update 13/09/2022 um 18:22 GMT+2 Uhr

Nach dem herausragenden Start in die neue Bundesliga-Saison ist beim FC Bayern mittlerweile Ernüchterung eingekehrt. Drei Unentschieden in Folge, Platz drei, schwächste Zwischenbilanz nach sechs Spieltagen seit zwölf Jahren. Pünktlich zum Kracher-Duell mit dem FC Barcelona sieht sich Trainer Julian Nagelsmann mit Kritik konfrontiert. Eine gleichermaßen vermeidbare wie logische Debatte.

Nagelsmann scherzt über Lewandowski: "Werde nicht mit ihm essen gehen"

Noch bevor die Lose darüber entschieden hatten, dass es zwischen dem FC Bayern und Robert Lewandowskis neuem Arbeitgeber Barcelona zum Aufeindertreffen der Schwergewichte in der Champions-League-Gruppenphase kommen würde, hatten sich die beiden Klubs im Sommer duelliert.
Genauer gesagt trugen Trainer Julian Nagelsmann und Barcelona-Präsident Joan Laporta ein verbales Scharmützel aus. "Es ist nicht nur Lewy, sie kaufen viele Spieler – ich weiß nicht, wie", hatte Nagelsmann im Nachgang des Lewandowski-Transfers mit Blick auf die verheerende finanzielle Situation der Katalanen gesagt. Er ergänzte: "Es ist der einzige Klub in der Welt, der kein Geld hat, aber jeden Spieler kauft, den er will. Es ist irgendwie verrückt."
Der Konter ließ nicht lange auf sich warten, Laporta schoss in Richtung München zurück und legte Nagelsmann nahe, dass dieser sich doch lieber um seine eigenen Belange kümmern möge. Einen Tag vor der sportlichen Begegnung erhielt Laporta nun überraschende Rückendeckung von einem langjährigen Bayern-Granden: Karl-Heinz Rummenigge.
"Ich empfehle grundsätzlich: Schuster, bleib bei deinen Leisten. Julian sollte keine politischen Statements abgeben, das ist Aufgabe von Oliver Kahn und Herbert Hainer", erklärte Rummenigge im Gespräch mit der spanischen "as". Rummenigge weiter: "Er hat ja auch eine Breitseite zurückbekommen aus Spanien. Ich glaube, es ist immer besser, die Dinge auf den eigenen Kompetenzbereich zu beschränken."

Angebliche Kritik aus der Mannschaft

Dieser sollte, das lassen die Aussagen des ehemaligen Vorstandschef zumindest vermuten, vor allem darin liegen, eine Mannschaft zu trainieren, eine passende Aufstellung zu finden und dem Team eine taktische Marschroute mit auf den Weg zu geben.
Doch genau dieser Kompetenzbereich scheint nach dem jüngsten 2:2 gegen den VfB Stuttgart infrage gestellt zu werden. Wie die "Bild-Zeitug" erfahren haben will, zeigten sich einige Spieler nach dem dritten Bundesliga-Remis in Serie unzufrieden mit der spielerischen Ausrichtung. Der "kicker" habe eigenen Angaben zufolge gar mit einem namentlich nicht genannten FCB-Akteur gesprochen, der sich über mangelnde Kontrolle gegen die Schwaben beklagte. Vieles müsse demnach hinterfragt werden.
picture

Nagelsmann lobt Barças Entwicklung: "Eine neue Mannschaft"

Darüber hinaus sei einem Teil der Mannschaft auch Nagelsmanns fehlende Selbstkritik im Nachgang sauer aufgestoßen. Vielmehr hatte er über zu viel Kontrolle, die schwache Chancenverwertung und zu wenig "Power" beschwert. Auf der Pressekonferenz vor dem Heimspiel gegen Barcelona ging er erneut auf die fehlenden Tore ein, die nicht nur gegen den VfB ausgeblieben waren.
"Wenn wir gegen Gladbach (1:1) drei der Eins-gegen-Eins-Situationen nutzen, gewinnen wir wahrscheinlich 4:1 oder 5:1 oder wenn Serge gegen Stuttgart das 3:1 macht, dann sind wir wieder in der Spur. Es sind Sekunden, die über die Berichterstattungen, Bewertungen und Beurteilungen entscheiden." Es gab jedoch weder ein 4:1 oder 5:1 gegen Gladbach noch ein 3:1 gegen Stuttgart. Das ist die Realität, entsprechend fiel der mediale Tenor aus.

Nagelsmann macht sich mit Rotation angreifbar

Besonders ein Thema wird jedoch in München seit Samstag diskutiert, ein Thema, das Nagelsmann besonders angreifbar macht: Die Rotation. Gleich sechsmal hatte der 35-Jährige im Vergleich zum Duell mit Inter Mailand am vergangenen Mittwoch (2:0) umgestellt. Die bisherigen Dauerbrenner Sadio Mané, Lucas Hernández, Benjamin Pavard und Leroy Sané mussten unter anderem zunächst auf der Bank Platz nehmen, dafür durften sich beispielsweise Reservisten wie Noussair Mazraoui oder Mathys Tel beweisen.
picture

Noussair Mazraoui (l.) gegen den VfB

Fotocredit: Getty Images

Es waren tatsächlich nur Nuancen, die zwischen Sieg und Remis lagen, aufgrund einer unglücklichen Defensivaktion von Matthijs de Ligt bekamen die Gäste in der Nachspielzeit einen Elfmeter zugesprochen, der den Rekordmeister zwei Punkte kostete. Richtig ist, dass im Falle eines Arbeitssieges keine Rotationsdebatte aufgekommen wäre. "Dann wären wir wieder in der Spur und alle hätten gesagt, dass wir es souverän zuende gespielt haben", so Nagelsmann.
Dass es anders kam, brachte nicht nur ihn selbst, sondern auch Sportvorstand Hasan Salihamidzic in Erklärungsnot. Nagelsmann habe die "Mannschaft verändert, ein bisschen sehr verändert. Wir rotieren viel", sagte der Bosnier im "Doppelpass" bei "Sport1" am Sonntag.

Salihamidzic stärkt Trainer den Rücken

Salihamidzic schob nach: "Der Trainer muss auch viele Spieler zufriedenstellen. Es ist mir lieber, dass wir auch mal unentschieden spielen, als dass wir unzufriedene Spieler haben. Deswegen sehe ich das nicht so schwarz." Eine durchaus erstaunliche Einschätzung. "Sport1"-Experte Stefan Effenberg ging in seiner Kolumne hingegen hart mit Nagelsmann ins Gericht.
"Ich hätte als Spieler ein Problem damit, wenn der Trainer derart rotiert – das ist mir zu viel", schrieb der Ex-Profi. "Ich persönlich hätte das anders gemacht als Nagelsmann, jetzt auch nicht in dem Stil mit sechs neuen Leuten begonnen, weil das Ergebnis am Ende immer über allem steht." Effenberg ergänzte: "Ich muss ehrlich sagen: Ich wurde in meiner aktiven Zeit einige Male geschont und da war ich richtig angepisst. Als Aktiver fragt man sich da schon: Warum? Was habe ich falsch gemacht?"
Zu Nagelsmanns Kernkompetenz (frei nach Rummenigge) zählt es eben auch, genau solche Situationen adäquat zu moderieren. "Wenn du rotierst und du gewinnst, sind alle zufrieden. Das dreht sich, wie es gerade passt. Wenn man gewinnt, dann ist die Entscheidung davor scheißegal. Ich hatte das Gefühl, dass alle Spieler auf ein Niveau kommen", so Nagelsmann.

Nagelsmann: "Habe keinen Bock, nicht zu gewinnen"

Bei all der vermeintlichen Coolness im Vorfeld der Begegnung mit Barcelona, gab er zu, schon mal besserer Laune gewesen zu sein. "Ich gewinne lieber. Ich stehe im Austausch mit vielen Menschen, viele reden in so einem großen Verein mit. Jeder gibt einem Ratschläge mit. Generell bin ich besser drauf, wenn ich gewinne. Angespannt bin ich nicht, ich habe nur keinen Bock, nicht zu gewinnen."
Bevor er sich verabschiedete, gab er den anwesenden Journalisten noch mit auf den Weg: "Sie sollten mich mal am Paddel (Paddeltennis, Anm. d. Red.) erleben, wenn ich nicht gewinne. Das ist auch nicht schön für den Gegner." Man darf für die kommenden Paddel-Tennis-Kontrahenten nur hoffen, dass gegen Lewandowski und Co. ein Sieg herausspring. Aus Nagelsmanns Sicht wäre ein Dreier freilich noch wünschenswerter. Die Angriffsfläche würde – vorerst – schrumpfen.
picture

So reagiert Nagelsmann auf den Schocker gegen Stuttgart

Mehr als 3 Mio. Sportfans nutzen bereits die App
Bleiben Sie auf dem Laufenden mit den aktuellsten News und Live-Ergebnissen
Download
Diesen Artikel teilen
Werbung
Werbung